Antibiotikaresistenz

Seit Mitte der 1940er-Jahre breiten sich Antibiotikaresistenzen verstärkt aus. Infektionen mit multiresistenten Keimen nehmen weltweit zu. Schon heute sind bis zu 95 Prozent der Staphylococcus areus-Stämme resistent. Damit bricht eine wichtige Säule in unserer modernen Gesundheitsforschung weg.

Antibiotika – Wunderwaffen der Medizin? Diese Frage lässt sich mit ja und nein beantworten. Ja, weil die Medikamente, die Bakterien am Wachsen hindern oder abtöten, die Medizin revolutioniert und unzählige Menschenleben gerettet haben. Nein, oder nicht mehr, weil die Mikroorganismen unweigerlich Resistenzen gegen sie entwickeln. Die Wunderwaffen werden daher schnell stumpf und sind nur für eine begrenzte Zeit einsetzbar.

Antibiotikaresistenzen sind ein natürliches Phänomen. Bakterien, die unempfindlich gegen antimikrobielle Substanzen sind, haben einen Überlebensvorteil gegenüber denen, die empfindlich darauf reagieren, und werden dadurch in ihrer Vermehrung begünstigt. Teilweise entstehen Resistenzen in der Natur, ohne menschliches Zutun: Da manche Mikroorganismen Antibiotika zum Schutz gegen andere Bakterien herstellen, haben diese häufig Mechanismen entwickelt, ihnen zu entkommen. Einen weit größeren Einfluss hat allerdings ihr Gebrauch und Missbrauch in der Human- und Tiermedizin.

Wie kommt es nun zu Resistenzen? Zum einen können sie spontan durch Mutationen entstehen. Beim Verdoppeln ihres genetischen Materials machen Bakterien immer wieder Fehler. Da Gene eine Bauanleitung für Proteine darstellen, kann so ein verändertes Protein entstehen, das den Organismus unempfindlich gegenüber einem bestimmten Medikament macht. Möglicherweise verhindert es, dass das Antibiotikum in die Zelle gelangt oder transportiert es wieder hinaus. Auch wenn sich das Angriffsziel des Antibiotikums in der Zelle verändert, kann das Medikament wirkungslos werden. Zum anderen können Bakterien aber auch Resistenzgene untereinander weitergeben. Das funktioniert beispielsweise bei direktem Kontakt zwischen zwei Zellen durch den Prozess der sogenannten Konjugation. Auch Viren können diese Gene übertragen.

Auf diese Weise können sich Bakterien mehrere Resistenzen aneignen und so gegen verschiedene Antibiotika unempfindlich werden. Das Ergebnis sind multiresistente Erreger, die Ärzte vor große Herausforderungen stellen. Beispielsweise gehen nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) knapp vier Prozent aller Neuerkrankungen mit Tuberkulose auf einen Erregerstamm zurück, der mit den gängigen Medikamenten nicht mehr zu behandeln ist. Nur knapp die Hälfte von ihnen kann durch die Einnahme verschiedener Wirkstoffe mit teilweise beträchtlichen Nebenwirkungen über einen langen Zeitraum erfolgreich therapiert werden.

Bei vielen typischen Krankenhauskeimen beobachten Ärzte ähnliche Probleme. Ein Beispiel ist Staphylococcus aureus, mit dem rund ein Drittel der Weltbevölkerung besiedelt ist und der für immungeschwächte Menschen eine Gefahr darstellt. In etwa einem Prozent der Fälle handelt es sich um multiresistente Varianten, die schwer zu behandeln sind. 

Die Therapie von Infektionen mit resistenten Erregern dauert meistens länger, so dass die Kranken mehr Menschen anstecken können. Sie ist teurer und mit Krankenhausaufenthalten, längeren Arbeitsausfällen und verminderter Lebensqualität verbunden. Je mehr Antibiotika ihre Wirkung verlieren, desto stärker stehen die Errungenschaften der modernen Medizin auf dem Spiel. Viele Operationen, vor allem Transplantationen, wären ohne sie nahezu unmöglich. Dem entgegenzuwirken erfordert den gemeinsamen Einsatz von Ärzten, Tierärzten, Tierzüchtern, Zulassungsbehörden, Politikern – und Wissenschaftlern. Neue Antibiotika und alternative antimikrobielle Medikamente werden dringend benötigt.

Am HZI befassen sich Forscher mit verschiedenen Aspekten der Resistenz. Sie untersuchen die Wechselbeziehungen zwischen Wirt und Krankheitserreger und entwickeln auf dieser Grundlage neue Strategien gegen die Pathogene. Hier sind unter anderem Substanzen zu nennen, gegen die Bakterien keine Unempfindlichkeit entwickeln können, weil sie keinen Selektionsdruck erzeugen. Das ist dann der Fall, wenn diese Substanzen die Mikroorganismen zwar weniger krankheitserregend machen, aber nicht töten. Die Wissenschaftler suchen außerdem nach Möglichkeiten, bereits bestehende Resistenzmechanismen zu unterbrechen und erforschen auf Bevölkerungsebene, wie verbreitet resistente Keime sind. Darüber hinaus gibt es mehrere Arbeitsgruppen, die sich explizit der Suche nach Wirkstoffen und ihrer Weiterentwicklung zu neuen Antibiotika widmen.

(bma)

Videos

  • KrankheitsErregend - Antibiotika

Audio Podcast

  • Staphylococcus aureus – ein Leben in der Nase2000 zufällig ausgewählte Braunschweiger Bürger haben in diesem Juni Post vom HZI erhalten – mit der Bitte, an einer Studie über die Verbreitung von Staphylococcus aureus teilzunehmen. Varianten des Bakteriums sind unter dem Kürzel MRSA als Krankenhauskeime zu trauriger Berühmtheit gelangt. Unsere Wissenschaftler wollen nun erforschen, wie viele Gesunde – außerhalb von Krankenhäusern – mit diesem Keim Leben. Und sie suchen nach Risikofaktoren, die Staphylococcus aureus die Besiedlung des Menschen erleichtern. Begleiten Sie Frank Pessler und Jaishri Mehraj ein Stück in die Welt der Epidemiologie...
  • Auf der Suche nach neuen MedikamentenEin neues Medikament zu entwickeln ist eine Sisyphusarbeit, die Geduld, Geld und viele Nerven kostet. Warum sie dennoch unerlässlich ist, beantworten die Forscher vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Ein Schnupfen ist eine Infektionskrankheit, aber auch Malaria und Tuberkulose zählen dazu. Laut Definition sind Infektionskrankheiten Krankheiten, die durch Bakterien, Viren oder Pilze übertragen werden. Viele Forscher arbeiten an der Entwicklung neuer Medikamente und Antibiotika - ein Wettlauf mit der Zeit. Denn resistente Erreger erschweren die Suche nach wirksamen Medikamenten. Welche Hürden die Forscher noch überwinden müssen, welche Rolle die Substanzbibliothek spielt und warum die Zukunft der Infektionsforschung in der Natur liegt? detektor.fm-Redakteurin Anke Werner hat den Forschern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig über die Schulter geschaut.
  • Widerspenstige Quellen für neue Antibiotika – eine neue Strategie um Bakterien neue Wirkstoffe zu entlockenSie sind winzig klein, lieben es warm und gelten unter wissenschaftlichen Insidern als neuer Stern am Antibiotikahimmel: Actinomyceten. Allerdings ist dieser Stern nicht sehr freigiebig mit seinen Produkten und wehrt sich beinahe schon zielstrebig gegen Versuche ihm neue Substanzen zu entlocken. Andriy Luzhetskyy hat einen Trick entwickelt, mit dem er die Abwehr der Actinomyceten unterwandern kann – und so neue Quellen für neuartige Antibiotika erschließt. Besuchen Sie ihn am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS)…
  • Bakterien als Fabrik - systematische Wege zu neuen WirkstoffenGegen viele Infektionskrankheiten gibt es noch keine Medikamente, die, die es gibt, werden durch Resistenzen der Krankheitserreger zunehmend wirkungslos - und die Wirkstoffpipeline der Pharmaindustrie liefert kaum Nachschub. Vitor Martins dos Santos möchte das ändern. Mit System, genauer gesagt mit Systembiologie. Er macht Bakterien zu Minifabriken. Wie das geht? Hören Sie zu...
DruckenPer Mail versendenTeilen