One Health

Luftaufnahme Viehmarkt
Viehmarkt in Bangladesch

Der Dreiklang der Gesundheit von Umwelt, Tier und Mensch

Infektionskrankheiten gefährden die Gesundheit des Menschen seit eh und je. Heute aber womöglich mehr denn je? „Das ist schwer zu beantworten. Doch es gibt eine ganze Reihe an Risikofaktoren, die Infektionen mit bislang unbekannten Erregern und deren Verbreitung heute begünstigen und wahrscheinlicher machen“, sagt Prof. Fabian Leendertz, Gründungsdirektor des Helmholtz-Instituts für One Health (HIOH) und Leiter der Abteilung „Ökologie und Entstehung von Zoonosen“. Eine wichtige Rolle spielt hier das vermehrte Vordringen des Menschen in Lebensräume von Wildtieren, der Verlust der Artenvielfalt, der fortschreitende Klimawandel und die Globalisierung.

Sprung zwischen Tier und Menschen

Die Übertragung von Krankheitserregern von Tieren auf den Menschen wird als Zoonose bezeichnet. Dafür gibt es immer wieder aktuelle Beispiele: Das Virus SARS-CoV-2, der Erreger von COVID-19, dem mutmaßlich über eine Fledermaus der Sprung auf den Menschen gelang. Sowie das Virus MPXV (engl.: monkeypox virus), der Erreger von Mpox (ehemals Affenpocken), das ab 2022 einen globalen Ausbruch mit etwa 100.000 Fällen in mehr als 100 Ländern verursachte. „Zoonosen sind immer brisant und können weitreichende Folgen nach sich ziehen. Tatsächlich haben die meisten Infektionskrankheiten, mit denen wir es heute zu tun haben, einen zoonotischen Ursprung“, erklärt Leendertz. So ist eine der ältesten bekannten Zoonosen die Übertragung des Masernvirus von Rindern auf den Menschen um 500 v. Chr., wie neue genetische Mutationsanalysen von Masernviren nahelegen. Wenn ein Erreger im Menschen einen neuen Wirt gefunden hat, der seine Weiterverbreitung sichert, ist er in der Regel gekommen, um zu bleiben. „Manchmal braucht es dafür nur ein einziges Übertragungsereignis. Und im schlechtesten Fall kann sich ein so rasantes Infektionsgeschehen entwickeln, das sich aufgrund der Globalisierung zu einer weltumspannenden Pandemie auswachsen kann. Eine Vorstellung davon haben wir mit der Corona-Pandemie bekommen.“ 

Zoonosen können jedoch auch den umgekehrten Weg nehmen: Menschenaffen sind anfällig für verschiedene humane Erkältungsviren, die beispielsweise von Tourist:innen übertragen werden können. Die Tiere haben keine Immunität gegen die Erreger und erkranken häufig schwer oder versterben sogar daran. Aber auch auf Spezies, die weniger nah mit uns verwandt sind, können Keime übertragen werden. So sind große Teile der Hirschpopulationen in Nordamerika innerhalb weniger Jahre mit SARS-CoV-2 durchseucht worden.

Was One Health bedeutet

Doch unter welchen Bedingungen kommt es überhaupt dazu, dass Krankheitserreger von Tieren auf den Menschen oder von Menschen auf Tiere überspringen? Und wie kann das verhindert werden? Das sind genau die Fragen, mit denen sich der Forschungsansatz One Health (deutsch: Eine Gesundheit) beschäftigt. Dahinter steht ein Dreiklang: gesunde Umwelt, gesunde Tiere, gesunde Menschen. „Der Punkt ist: Wir können die menschliche Gesundheit nicht isoliert betrachten. Sie ist eng mit Umwelt und Tierwelt verzahnt, alles hängt miteinander zusammen“, sagt Leendertz. „Wenn wir eine gesunde Umwelt bewahren bzw. bestmöglich wiederherzustellen versuchen, können wir dafür sorgen, dass die Tiere möglichst gesund bleiben – und so auch die menschliche Gesundheit schützen.“

Forscher mit Lebendfalle
Mit Lebendfallen fangen die Forscher:innen Nagetiere zur Charakterisierung der Biodiversität von Kleinsäugern

Doch jede Störung hat Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Durch intensive Landnutzung und Klimawandel geraten Ökosysteme aus dem Gleichgewicht, es kommt zu Veränderungen in den Artengemeinschaften und geschwächten Wildtierpopulationen – was Krankheitserregern ideale Bedingungen beschert. „Insbesondere Regionen mit natürlicherweise sehr hoher Biodiversität wie die Tropen haben zugleich eine hohe Vielfalt an Mikroorganismen und somit auch Krankheitserregern“, erklärt Leendertz. „Und die können sich ganz hervorragend verbreiten, wenn die Artenvielfalt abnimmt und sich einzelne Arten massiv vermehren. Meist sind das sogenannte Kulturfolger, die sich gut an die durch den Menschen veränderte Landschaft anpassen konnten.“ Hinzu kommt, dass der Mensch immer weiter in die Lebensräume von Wildtieren vordringt, etwa um neue Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung oder den Rohstoffabbau zu gewinnen. Auf diese Weise nimmt die Wahrscheinlichkeit für Mensch-Tier-Kontakte zu, und somit steigen auch die Übertragungsrisiken. „Eine wichtige Rolle spielt auch das menschliche Verhalten“, sagt Leendertz. „In den Tropen hat sich die Jagd auf Wildtiere stark verändert. Früher wurden traditionell Antilopen, Affen, Schweine oder anderes Großwild gejagt. Da aber viele dieser Arten lokal ausgestorben oder stark dezimiert sind, beginnen die Menschen, auch kleinere Tierarten zu jagen. Etwa größere Nagetiere oder Flughunde – und das erhöht das Risiko enorm, mit neuen, womöglich gefährlichen Erregern in Kontakt zu kommen.

Interdisziplinäre Forschung am HIOH

One Health verlangt nach einem ganzheitlichen Ansatz, den die Wissenschaftler:innen am HIOH gemeinsam mit ihren Partnern – der Universität Greifswald, der Universitätsmedizin Greifswald und dem Friedrich-Loeffler-Institut – sowie in enger Kooperation mit den Kolleg:innen am HZI verfolgen. In den Forschungsprojekten ziehen unterschiedlichste Disziplinen an einem Strang: Human- und Veterinärmedizin, Mikrobiologie, Virologie, Epidemiologie, Arzneimittelforschung, Biodiversitätsforschung, Ökologie, Evolutionsbiologie, Anthropologie und Soziologie. 

Der Punkt ist: Wir können die menschliche Gesundheit nicht isoliert betrachten. Sie ist eng mit Umwelt und Tierwelt verzahnt, alles hängt miteinander zusammen.
Portrait Prof. Dr. Fabian Leendertz

Prof. Fabian Leendertz
Gründungsdirektor des HIOH und Leiter der Abteilung „Ökologie und Entstehung von Zoonosen"

Wie One Health helfen kann

Gruppenbild
Josef Penninger und Fabian Leendertz im Gespräch mit One Health-Initiativen in der Zentralafrikanischen Republik

Das große Ziel, das One Health verfolgt, ist Prävention und Pandemic Preparedness (deutsch: Pandemievorsorge). Und dafür muss man wissen, wo genau die Gefahren liegen. Mit welchen Erregern haben wir es zu tun? Wie verändern sie sich über die Zeit? Welche Tiere sind potenzielle Überträger? Wo und wie können Übertragungen stattfinden? „Diesen Fragen wollen wir auf den Grund gehen, damit sinnvolle präventive Maßnahmen ergriffen und effizient umgesetzt werden können“, sagt Leendertz. Dazu gehört Umweltschutz, das Herstellen von Ernährungssicherheit, Verbesserung der medizinischen Versorgung und Aufklärung der vor Ort lebenden Bevölkerung, wo mögliche Ansteckungsrisiken liegen, und Beratung, wie die Menschen damit umgehen können. „Parallel dazu müssen wir uns natürlich auch auf den Ernstfall vorbereiten: Gefährliche Erregerkandidaten stetig überwachen, noch unbekannte Erreger aufspüren, die Impfstoff- und Medikamentenforschung vorantreiben und die Problematik von Resistenzen angehen. Das alles ist ebenfalls Teil von One Health“, sagt Leendertz.

Umwelt, Tiere und Menschen schwingen stets gemeinsam, so wie die Töne in einem Dreiklang. Fabian Leendertz und sein HIOH-Team treiben die One-Health-Forschung mit Hochdruck voran – um Dissonanzen möglichst schnell auszumachen und bestmöglich aufzulösen – für ein gesundes Miteinander aus Umwelt, Tier und Mensch.

Autorin: Nicole Silbermann

Beteiligte Forschungsgruppen