Staphylococcus aureus kann ein breites Spektrum an Infektionen auslösen – von Hautentzündungen und postoperativen Wundinfektionen bis hin zu Lungenentzündungen und lebensbedrohlicher Sepsis. Damit zählt er zu den problematischsten bakteriellen Erregern im Krankenhausumfeld. Da dieser Keim häufig Resistenzen gegen gängige Antibiotika entwickelt, lässt er sich oft nur äußerst schwierig behandeln – allein in Deutschland werden jedes Jahr etwa 132.000 Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA)-Fälle registriert. Angesichts der Tatsache, dass die Zahl der Infektionen mit arzneimittelresistenten S. aureus seit Jahrzehnten weiter steigt, sind neuartige Antibiotika, die Resistenzen überwinden können, dringend erforderlich. Die in den 1960er Jahren entdeckten Biphenomycine sind Naturstoffe mit starker Wirkung gegen S. aureus und andere grampositive Krankheitserreger. Obwohl sie wirksam und in Tierversuchen gut verträglich waren, gelang es nie, sie zu einem Arzneimittel weiterzuentwickeln. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass ihr natürlicher Produzent – ein Stamm der Gattung Streptomyces – Biphenomycine in nur sehr geringen Mengen herstellt, die für eine pharmazeutische Weiterentwicklung nicht ausreichen. Gleichzeitig waren die für ihre Bildung verantwortlichen Gene lange unbekannt, sodass die Produktion nicht in einen geeigneteren Wirtsorganismus übertragen werden konnte. Gemeinsam mit Kolleg:innen der TU Dresden ist es Forschenden des HIPS nun gelungen, den vollständigen Biphenomycin-Biosyntheseweg aufzuklären. Das HIPS ist ein Standort des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes.
Die Erstautorin der Studie, Elisabeth Strunk, Doktorandin in der Gruppe von Tobias Gulder, betont die Bedeutung dieser Errungenschaft: „Wir konnten erstmals die Abfolge aller enzymatischen Schritte entschlüsseln, mit denen das Biphenomycin-produzierende Bakterium ein einfaches Peptid in das fertige, biologisch aktive Biphenomycin-Molekül umwandelt. Dieses Verständnis des Biosynthesewegs liefert nun eine Grundlage, um diese Naturstofffamilie gezielt zu verbessern.“ Die Studie zeigt, dass die bakteriellen Produzenten zunächst ein einfaches Peptid herstellen. Dieses enthält Bereiche, die steuern, wie es im weiteren Verlauf modifiziert wird. Anschließend bearbeiten mehrere spezialisierte Enzyme das Peptid in einer definierten Reihenfolge. Besonders ungewöhnlich ist das dabei involvierte Enzympaar BipEF, das zwei Funktionen in sich vereint: Es fügt zum einen gezielt chemische Gruppen in das Peptid ein und schneidet es zugleich an einer definierten Stelle. Dass diese beiden Funktionen gleichzeitig auftreten, wurde innerhalb der untersuchten Enzymfamilie bisher noch nicht beschrieben.
Da der Biosyntheseweg nun aufgeklärt ist, können die Forschenden damit beginnen, gezielt die beteiligten Gene zu manipulieren und sie in optimierte Produktionsstämme zu übertragen. Dies eröffnet die Möglichkeit, Biphenomycine in ausreichenden Mengen für weiterführende Untersuchungen herzustellen und zudem neue Varianten mit verbesserten pharmazeutischen Eigenschaften zu entwickeln. „Jahrzehntelang waren Biphenomycine wissenschaftlich interessant, aber praktisch kaum zugänglich. Jetzt, da wir verstehen, wie sie gebildet werden, können wir anfangen, sie gezielt zu verändern und ganz neue Derivate zu generieren. Dies ist ein entscheidender Schritt, der es uns erlaubt, innovative Wirkstoffkandidaten gegen Infektionen zu entwickeln, die nicht mehr auf etablierte Medikamente ansprechen“, sagt Tobias Gulder, Leiter der Abteilung Naturstoff-Biotechnologie am HIPS und Inhaber der gleichnamigen Professur an der Universität des Saarlandes. Diese Ergebnisse legen die Grundlage für zukünftige Arbeiten, um Biphenomycine zu realen Therapieoptionen weiterzuentwickeln und leisten damit einen maßgeblichen Beitrag zur Suche nach neuen Lösungen im globalen Kampf gegen Antibiotikaresistenzen.