Evolution von Krankheitserregern

Ökologische Wechselwirkungen bestimmen das menschliche Leben und sind hochdynamisch; ihre Veränderungen können weitreichende Folgen für die menschliche Gesundheit haben. Dadurch hat One Health auch eine ausgeprägte evolutionäre Komponente. In den letzten Jahrzehnten haben evolutionsbiologische Konzepte wesentlich dazu beigetragen, die kurz- und langfristige Dynamik der Entstehung und Ausbreitung von Krankheitserregern zu entschlüsseln. Die Bedeutung evolutionärer Ansätze wurde während der COVID-19-Pandemie besonders deutlich. Sowohl das anfängliche Auftreten als auch die spätere Ausbreitung und Evolution von SARS-CoV-2 wurden mit Hilfe der evolutionären Genomik untersucht – wobei die Entstehung der besorgniserregenden Varianten (variants of concern, VOC) in erster Linie durch Beobachtungsdaten und inferentielle Statistik nachgewiesen wurde. Die Abteilung Evolution von Krankheitserregern untersucht sowohl aktuelle als auch historische Proben und kann daraus gezielte Vorhersagen zur zukünftigen Verbreitung wichtiger Erreger ableiten und so einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit leisten. Diese Abteilung hat ihren Sitz am Helmholtz-Institut für One Health.

Prof. Dr. Sébastien Calvignac-Spencer

Leitung

Prof. Dr. Sébastien Calvignac-Spencer
Forschungsgruppenleiter

Unsere Forschung

Aus der One-Health-Perspektive sind evolutionäre Ansätze in mehrfacher Hinsicht eine ideale Ergänzung zu ökologischen Herangehensweisen: Zum einen ermöglichen sie die Rekonstruktion des Verlaufs wichtiger Entstehungsereignisse. Anhand genomischer Variationen können wir den Ursprung eines Krankheitserregers zurückzuverfolgen und wesentliche Erkenntnisse über dessen Herkunftsökosysteme gewinnen. Diese können dann mit ökologischen Ansätzen untersucht werden um zu verstehen, welche Umstände die Ausbreitung des Erregers oder seinen Übergang vom Tier zum Menschen begünstigt haben. Zum anderen kann die Untersuchung der sehr fernen Vergangenheit von Wirts-Virus-Assoziationen unter Berücksichtigung heutiger genomischer Variationen und statistischer Inferenz Aufschluss über die relativen Häufigkeiten von Wirtssprüngen geben. Dadurch lassen sich Erregergruppen von größerer Bedeutung und Prozesse von allgemeiner Tragweite ermitteln. Schließlich bieten uns evolutionäre Ansätze die Möglichkeit, diejenigen Kräfte zu identifizieren, die die Evolution eines Krankheitserregers auf molekularer Ebene geprägt haben. So können z. B. bestimmte Stellen im Genom des Erregers einer positiven Selektion unterworfen gewesen sein, welche mit relevanten phänotypischen Veränderungen einherging, z. B. mit bedenklichen Mutationen im Spike-Protein von SARS-CoV-2. Auf diese Weise lassen sich Vorhersagen darüber treffen, welche genomischen Regionen genau überwacht werden sollten und welche genomische Variation bei der Entwicklung von Therapeutika oder Prophylaxe berücksichtigt werden sollte. Die Abteilung Evolution von Krankheitserregern kann somit einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Gesundheit leisten.