Poliomyelitis

Abbildung eines Poliovirus
Poliovirus

Das Poliovirus gehört zur Gruppe der Enteroviren, die sich im menschlichen Darm vermehren können, und tritt in drei Typen auf – Typ 2 und 3 gelten mittlerweile als ausgerottet, Typ 1 zirkuliert noch in Endemiegebieten. Das waren im Jahr 2024 nur noch Pakistan und Afghanistan. Die Viren werden unter schlechten hygienischen Bedingungen durch Schmier- oder Tröpfcheninfektionen und insbesondere durch mit Fäkalien verunreinigtes Wasser übertragen.

Der Schrecken, den die Poliomyelitis noch vor einigen Jahrzehnten verbreitete, lässt sich nur noch schwer vermitteln. Die verbreitete Bezeichnung „Kinderlähmung“ für die Poliomyelitis war allerdings nicht ganz zutreffend: Nur bei einem kleinen Teil der Patient:innen löste die Erkrankung die gefürchteten Lähmungen aus. Kinder waren zwar besonders häufig betroffen, da die Erstinfektion oft im Kindesalter stattfand, waren jedoch keineswegs die Einzigen. In den meisten Fällen (etwa 70 Prozent der Infizierten) verläuft die Infektion unbemerkt oder nur mit schwachen Symptomen. Ein sehr kleiner Teil der Erkrankten erleidet allerdings einen Befall des Nervensystems. Diese Verlaufsform kann zu Hirnhautentzündungen und den gefürchteten bleibenden Lähmungen führen. Die Lähmungen können auch die Atemmuskulatur betreffen und dadurch lebensbedrohlich sein.

Lebend- und Totimpfstoffe gegen Polio

Im Jahr 1955 konnte Jonas Salk die Entwicklung des ersten Impfstoffs erfolgreich abschließen, einer sogenannten „Tot-Vakzine“ aus abgetöteten Erregern, die per Spritze verabreicht wurde. Die Anwendung dieses IPV (inaktivierte Poliovakzine) genannten Impfstoffs senkte die Zahl der Neuerkrankungen in den USA erheblich. Der kurze Zeit später von Albert Sabin entwickelte Lebend-Impfstoff OPV (orale Poliovakzine), als sogenannte „Schluckimpfung“ verabreicht, brachte den flächendeckenden Durchbruch in den meisten Ländern Europas. In Deutschland wurde OPV ab 1960 (DDR) beziehungsweise 1962 (BRD) in großem Stil eingesetzt und führte bald zum weitgehenden Verschwinden der Polio.

Die IPV-Impfung, die inzwischen überall in Europa Standard ist, schützt die Geimpften zuverlässig vor Erkrankung. Mit IPV geimpfte Personen können sich aber dennoch mit Polio-Viren infizieren und diese unbemerkt ausscheiden und dadurch weiterverbreiten.

Impfempfehlungen des Robert-Koch-Instituts

Im Gegensatz zum Totimpfstoff IPV enthält OPV lebende, abgeschwächte Viren und immunisiert den Darmtrakt wirkungsvoller. Zudem ist der Impfstoff günstiger herzustellen und leichter zu verabreichen. Allerdings besteht immer ein geringes Risiko, dass die Viren mutieren und wieder gefährlicher werden. In seltenen Fällen können sich die abgeschwächten Impfviren so verändern, dass sie wieder eine symptomatische Infektion auslösen. Sie können dann bei Personen, die nicht oder unzureichend geimpft sind, Lähmungen hervorrufen (Vakzin-assoziierte paralytische Poliomyelitis, VAPP). In Deutschland, wo Polio ausgerottet ist, wird der Lebendimpfstoff OPV daher seit 1998 nicht mehr eingesetzt und ausschließlich mit IPV geimpft.

Kampagne zur Ausrottung des Poliovirus

Das Poliovirus hat nur einen natürlichen Wirt – den Menschen. Das macht das Virus zu einem Kandidaten für die globale Ausrottung, da es keine Tierreservoirs gibt, aus denen das Virus wieder überspringen kann. Im Jahr 1988 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine Kampagne zur globalen Ausrottung der Polio (Global Polio Eradication Initiative, GPEI) gestartet. Weltweit sank dank der erfolgreichen Impfkampagne die Zahl der Erkrankungsfälle drastisch, von 350.000 im Jahr 1988 auf weniger als 100 in den Jahren seit 2021. Zudem unterstützt GPEI den Aufbau von Surveillance-Maßnahmen wie Abwasseruntersuchungen, um potenzielle Ausbrüche frühzeitig entdecken zu können. Um die Polio eines Tages wirklich komplett ausrotten zu können, muss auch in Ländern wie Deutschland, in denen das Virus derzeit nicht zirkuliert, die Impfquote hochgehalten werden.

(cwe)
Stand: November 2025