Illustration von Nervenzellen
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Mechanismus der Schädigung von Nervenzellen bei Multipler Sklerose entdeckt

Forschende des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben zu einer Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) beigetragen, die einen neuen Mechanismus der Schädigung von Nervenzellen bei der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose (MS) aufgedeckt hat. Bisher war nicht geklärt, wie die Entzündung bei MS den Abbau von Proteinen vermindert und zu deren schadhafter Ansammlung in Nervenzellen führt. Eine Kombination aus neuen molekularbiologischen, biochemischen und genetischen Methoden ermöglichte es dem internationalen Forschungsteam, einen bisher unbekannten Mechanismus des gestörten Proteinabbaus in entzündeten Nervenzellen sowie dessen Schlüsselregulator, das Immunoproteasom, zu identifizieren.

Geleitet wurde die Studie von Prof. Manuel Friese, Direktor des Instituts für Neuroimmunologie und Multiple Sklerose, und Prof. Catherine Meyer-Schwesinger, Ko-Direktorin des Instituts für Zelluläre und Integrative Physiologie des UKE. Wissenschaftler der HZI-Forschungsgruppe „Zelluläre Proteomforschung“ von Prof. Lothar Jänsch haben das Projekt mit hochwertiger Massenspektrometrie und In vivo-Proteomstrategien unterstützt. Insgesamt waren zehn internationale Forschungsinstitutionen an der Studie beteiligt. Die Forschungsergebnisse, die neue therapeutische Ansatzpunkte der Multiplen Sklerose-Progression liefern könnten, sind jetzt in der Fachzeitschrift Cell veröffentlicht worden.

Die Multiple Sklerose (MS) ist durch eine anhaltende Entzündung im Gehirn und Rückenmark gekennzeichnet, die zu einem fortwährenden Verlust von Nervenzellen führt. Ausgelöst wird die Entzündung durch das Einwandern von Immunzellen ins Zentralnervensystem, was zum Verlust der Myelinscheide, also der schützenden Isolierung um die Nervenzellen, führt. Das HZI-Team um Lothar Jänsch konnte PSMB8 als verantwortliche Immunproteasom-Untereinheit in Nervenzellen identifizieren, wodurch die Proteasomaktivität beeinträchtigt und eine Umprogrammierung des Stoffwechsels bei MS ausgelöst werden. Das Proteasom ist ein Proteinkomplex, der nicht mehr benötigte Proteine abbaut und so verhindert, dass sich schädigende Proteinaggregate in den Zellen ansammeln. Der nun entdeckte umprogrammierte Stoffwechsel erhöht die Anfälligkeit der Nervenzellen gegenüber oxidativem Stress und Ferroptose – das ist eine spezielle Form des programmierten Zelltods – und unterstreicht damit die entscheidende Rolle von Proteasom-Veränderungen in neurodegenerativen Prozessen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zum Beispiel eine gezielte Beeinflussung von PSMB8 Nervenzellen vor entzündungsbedingten Schäden schützen kann, und liefern auch therapeutische Erkenntnisse für andere neurodegenerative Erkrankungen und chronische Infektionen, bei denen Entzündungen den Zellstoffwechsel stören.

Originalpublikation

Marcel S. Woo, Johannes Brand, Vanessa Vieira, Inbal Ipenberg, Nicola Rothammer, Desirée Loreth, Christina Mayer, Darwin Nagel, Mark Walkenhorst, Ingrid Wagner, Peter Landgraf, Marco van Ham, Kuno M.-J. Mattern, Ingo Winschel, Jana K. Sonner, Henrike K. Grosshans, Lukas C. Bal, Albert Miguela, Simone Bauer, Nina Meurs, Anke Müller, Lars Binkle-Ladisch, Gabriela Salinas, Lothar Jänsch, Daniela C. Dieterich, Elke Krüger, Frank L. Heppner, Markus Glatzel, Jan Broder Engler, Doron Merkler, Catherine Meyer-Schwesinger, Manuel A. Friese: The immunoproteasome disturbs neuronal metabolism and drives neurodegeneration in multiple sclerosis. Cell, 2025, DOI: 10.1016/j.cell.2025.05.029

Pressemitteilung des UKE
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Pressekontakt

Dr. Andreas Fischer
Wissenschaftsredakteur