In Deutschland sind seit mehr als 30 Jahren keine Poliofälle aufgetreten. Was hat euch bewogen, euch mit dem Polioimpfschutz in Deutschland zu beschäftigen?
Carolina Klett-Tammen: Wir haben den Bericht von Ende 2024, dass das Robert Koch-Institut (RKI) in mehreren deutschen Großstädten Polioviren im Abwasser gefunden hat, zum Anlass genommen, den Polioimpfstatus näher zu untersuchen. Dafür haben wir einen Kohortendatensatz genutzt, den wir bereits vorliegen hatten. Das Ergebnis hat uns sehr überrascht, denn die Impfquote war viel niedriger als allgemein aus Bevölkerungsuntersuchungen angenommen wird.
Wie seid ihr dann vorgegangen, um den Impfstatus tiefergehend zu untersuchen?
Mehr als 1000 Proband:innen in der Kohortenstudie PCR-4-ALL haben einen Fragebogen beantwortet. Mithilfe dieser digitalen Kohorte untersuchen wir eigentlich Teststrategien in Ausbruchssituationen, um besser auf Pandemien vorbereitet zu sein. Die Proband:innen testen sich in der Erkältungssaison wöchentlich auf das Respiratorische Synzytialvirus (RSV), Influenza und SARS-CoV-2 und melden über die digitale HZI-Anwendung PIA (Prospektive Monitoring und Management-App), ob bei ihnen Symptome auftreten.
Anlässlich des Funds von Polioviren im Abwasser haben wir beispielhaft untersucht, ob wir auch kurzfristig den Immunitätsstatus der Kohorte untersuchen können. Die Proband:innen haben uns sowohl Angaben zu dokumentierten als auch zu selbst erinnerten Polioimpfungen gemacht – also solchen, an die sie sich erinnern, erhalten zu haben.