Virologie und angeborene Immunität

Täglich dringen Krankheitserreger in unseren Körper ein – dabei bleiben sie nicht unerkannt. Sie treffen mit unserem Immunsystem auf einen starken Verteidiger, der Eindringlinge erkennt und umgehend Abwehrmaßnahmen ergreift. Viele Krankheitserreger können aber selbst bei einem intakten Immunsystem lebenslange Infektionen herbeiführen. Zu diesen Erregern gehört die Familie der Herpesviren. Infizieren wir uns mit einem der heute neun bekannten humanen Herpesviren, so etablieren diese Viren eine chronische Infektion und werden zu unseren lebenslangen Begleitern.

Prof. Dr. Melanie Brinkmann

Leitung

Prof. Dr. Melanie Brinkmann
Forschungsgruppenleiterin

Unsere Forschung

Herpesviren sind sehr komplex aufgebaute Viren. Wir beginnen gerade erst zu verstehen, wie genau diese Erreger unser Immunsystem manipulieren, um chronische Infektionen zu etablieren. Um neue Therapien und Impfstoffe entwickeln zu können, ist es jedoch erforderlich, das Zusammenspiel von Herpesviren und ihrem Wirt genau nachzuvollziehen.

Die Forschergruppe "Virologie und angeborene Immunität" geht der Frage nach, wie Herpesviren von der angeborenen Immunabwehr erkannt werden. Außerdem erforscht sie, wie es diesen Viren gelingt, so erfolgreich lebenslange Infektionen etablieren können. Die Frage, wie Herpesviren die Verteidigungslinien unseres angeborenen Immunsystems umgehen bzw. abschwächen, spielt dabei eine zentrale Rolle – dies ist eine zwingende Voraussetzung für die erfolgreiche Etablierung einer lebenslangen Infektion.

Grundlage für neue Therapien gegen Manipulation des Immunsystems

Herpesviren haben sich durch die Jahrmillionen der Koevolution mit ihrem Wirt perfekt an diesen angepasst. Sie wissen genau, welche Schalter des Immunsystems umgelegt werden müssen, um die Immunantwort abzuschwächen oder sie sogar zu Gunsten des Virus einzusetzen. Die Mechanismen, mit denen Herpesviren unser Immunsystem manipulieren, werden in Projekten der Forschergruppe "Virologie und angeborene Immunität" herausgearbeitet. Ein Ziel der Forschergruppe ist es, neue virale Proteine zu identifizieren, die direkt an der Manipulation der Immunabwehr beteiligt sind. Diese Proteine stellen potentielle Angriffspunkte für die Entwicklung neuer antiviraler Therapien dar. Ein weiterer wichtiger Schwerpunkt ist die Erforschung der Funktionsweise von Interferon-Stimulierten Genprodukten, die unmittelbar nach Viruseintritt produziert werden und eine essentielle Rolle bei der Bekämpfung herpesviraler Infektionen einnehmen.

Im Mittelpunkt: Die Herpesviren CMV und KSHV

Im Fokus stehen bei den Forschungsarbeiten der Gruppe "Virologie und angeborene Immunität" zwei Mitglieder der Herpesvirus-Familie: Das Humane Herpesvirus 5, auch Cytomegalievirus (CMV) genannt, und das Humane Herpesvirus 8, das auch als Kaposi Sarkom assoziiertes Herpesvirus (KSHV) bezeichnet wird.

CMV ist ein sehr weit verbreitetes Herpesvirus – die Hälfte der europäischen Bevölkerung ist damit infiziert. In den meisten Fällen verläuft eine CMV-Infektion asymptomatisch. Aber in  Patienten mit geschwächtem Immunsystem, wie zum Beispiel bei HIV/AIDS-Patienten oder Transplantationspatienten, kann eine CMV-Infektion schwerwiegende Komplikationen verursachen.

Hinzu kommt –  und diese Tatsache ist den meisten Menschen nicht bewusst – dass CMV die häufigste virale Ursache für im Mutterleib erworbene Geburtsschäden darstellt. Die CMV-Infektion während der Schwangerschaft ist die häufigste Ursache für nicht genetisch begründete Taubheit bei Kindern. Weitere Symptome dieser Kinder können geistige Behinderungen oder Sehschäden sein.

Bislang gibt es keinen Impfstoff gegen CMV und nur eine begrenzte Auswahl an antiviralen Medikamenten.

KSHV wurde im Jahr 1994 identifiziert. Mittlerweile ist wissenschaftlich eindeutig belegt, dass KSHV die Ursache von drei verschiedenen Krebsarten darstellt:

  1. einem Krebs der Blutgefäße, dem sogenannten Kaposi Sarkom,
  2. einem Lymphom (ein Krebs der weißen Blutzellen) mit dem Namen Primäres Effusionslymphom, und
  3. einigen Formen von Lymphknotenvergrößerungen, genannt Castlemannsche Krankheit.

Das Ziel unserer Forschungsarbeiten ist es, neue Einblicke in das Zusammenspiel zwischen den Herpesviren CMV und KSHV und ihrem Wirt zu erhalten, und somit neue Angriffspunkte für gezielte und innovative Therapieansätze zu identifizieren.