Mikrobielle Naturstoffe

Gegen viele Krankheiten haben wir auch heute noch keine wirksamen Medikamente. Die Suche nach neuen Wirkstoffen ist jedoch sehr aufwändig. Hilfe bei diesen Problemen kommt aus der Erde: Im Boden lebende Myxobakterien stellen eine Vielzahl natürlicher Wirkstoffe her. Erfahren Sie hier, wie die pharmazeutische Forschung nach Naturstoffen mit biologischer Aktivität sucht. Diese Abteilung hat ihren Sitz am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS).

Prof. Dr. Rolf Müller

Leitung

Prof. Dr. Rolf Müller
Forschungsgruppenleiter

Unsere Forschung

Zahlreiche Krankheitserreger sind in der Lage, Resistenzen gegen Medikamente wie Antibiotika auszubilden und sich so vor ihrer Bekämpfung zu schützen. Dadurch kann es zu einer unkontrollierten Ausbreitung krankmachender Stämme kommen. Außerdem können viele Krankheiten nicht ausreichend behandelt werden, da wirksame Arzneimittel fehlen.

Aus diesen Gründen besteht eine wichtige Aufgabe der pharmazeutischen Forschung darin, neue Wirkstoffe zu identifizieren und weiterzuentwickeln. Interessante Kandidaten dafür sind Naturstoffe, sogenannte Sekundärmetabolite, die von Mikroben, Pflanzen und Pilzen hergestellt werden. Diese Stoffe können verschiedenste Wirkungen haben und werden zum Beispiel als Antibiotika, Krebsmittel, Cholesterin-Senker, Immunsuppressiva, Parasitenbekämpfungsmittel oder Diabetesmedikamente eingesetzt.

Myxobakterien als Naturstoffproduzent

Zu den wichtigsten Produzenten von Naturstoffen gehören die im Erdboden lebenden Myxobakterien: Sie bilden eine Vielzahl von Naturstoffen, unter anderem um mikrobielle Konkurrenten oder Feinde auszuschalten. Die Abteilung „Mikrobielle Naturstoffe“ untersucht die chemischen Eigenschaften, die Produktion, die Regulation sowie die Aktivität abgegebener Metabolite von Myxobakterien. Neuerdings gehören auch andere Produzenten wie die Actinomyceten, ebenfalls im Boden lebende Bakterien, zu den Untersuchungsobjekten.

Erforschung der Naturstoffsynthese

Außerdem erforschen die Wissenschaftler die Naturstoffsynthese, indem sie die Sequenz des Erbmaterials, des Genoms, dieser Mikroorganismen aufklären. Kürzlich haben sie das bislang größte entdeckte Bakteriengenom vom Myxobakterium Sorangium cellulosum entschlüsselt. Dieses Bakterium besitzt eine außerordentlich große Kapazität zur Herstellung von Naturstoffen. Anhand dieser Daten können die Forscher die Produktion der Metabolite in den Mikroben optimieren und auch deren Synthese in dazu besser geeigneten Fremdorganismen veranlassen.

Darüber hinaus ist es möglich, Wirkstoffe durch gezielte genetische Veränderungen in gewünschter Weise strukturell zu gestalten. Die entschlüsselten Genome der Mikroben werden nach Informationen von bislang unbekannten Naturstoffen durchsucht. Diese Erkenntnisse helfen allerdings auch dabei, die Mikrobiologie dieser Organismen besser zu verstehen.

Auf Entdeckungsreisen

Desweiteren betreiben die Wissenschaftler ein weltweites Programm zur Entdeckung neuer Myxobakterienstämme, in dessen Rahmen bereits neue Bakterienarten, -gattungen und -familien sowie zahlreiche Kandidaten für neue Naturstoffe gefunden werden konnten.

Sobald es gelingt, ein Myxobakterium unter Laborbedingungen zu kultivieren, wenden die Forscher aktuelle massenspektrometrische Methoden an, um anhand bekannter Sekundärmetabolite das sogenannte metabolische Profil des Bakterienstammes zu erstellen. Nachdem sie die Bildung eines Wirkstoffkandidaten optimiert haben, übertragen sie die Kultivierung des entsprechenden Stammes auf einen größeren Maßstab. Die Zielverbindungen werden dann durch chromatographische Methoden aufgereinigt und mittels verschiedener analytischer Methoden, wie zum Beispiel der mehrdimensionalen NMR-Spektroskopie, strukturell charakterisiert.

Gleichzeitig werden eine Reihe biologischer Aktivitätstest durchgeführt, um neue Sekundärmetabolite mit interessanter Wirkung zu entdecken. In diesen biologischen Tests kommen verschiedene Mikroorganismen als Indikatoren für antibiotische Aktivität zum Einsatz, aber es werden auch zellbasierte Testsysteme entwickelt, um eine mögliche zytostatische Wirkung zu erfassen.

Die Mitarbeiter dieser interdisziplinären Forschungsgruppe vereinen ein breites Spektrum unterschiedlicher Techniken aus der Mikro-, Zell- und Molekularbiologie, der Genetik, der Proteinbiochemie sowie der analytischen Chemie und der Bioverfahrenstechnik.