Christian Sieben - Ein Biologe mit Nanoblick

Auf der Größenordnung einzelner Viren untersucht Christian Sieben deren erste Interaktionen mit einer Zelle

Für die Biologie entschied sich Christian Sieben dank seiner älteren Schwester, ebenfalls Biologin, die ihn früh hinter die Kulissen des Studiums blicken ließ. Doch der Werdegang des 40-Jährigen verlief alles andere als klassisch. Nach dem Diplom in Darmstadt zog es ihn zur Promotion zurück in seine Heimatstadt Berlin — in die Biophysik-Abteilung der Humboldt-Universität. Obwohl er sich während seines Studiums nie mit Virologie oder Mikrobiologie beschäftigte, forschte er für seine Doktorarbeit mit superauflösenden Mikroskopen an Influenza-Viren und deren erstem Zellkontakt. Eine weitreichende Entscheidung: „Zu dieser Zeit hat sich der Grundstein für meine heutige Forschung gelegt.“

Als Postdoktorand ging es für Christian Sieben in die Schweiz. Mit Stipendium und einem eigenen Projekt zog es ihn an die physikalische Abteilung der EPFL in Lausanne. Dort blieb Sieben der Viren-Forschung treu, bearbeitete aber auch Projekte mit technischem Schwerpunkt: „Wir haben zum Beispiel eine Methode entwickelt, mit der wir Multi-Proteinkomplexe visualisieren können. Dafür haben wir die Elektronen- und superauflösende Mikroskopie kombiniert — das mache ich sogar heute noch!“

Zwischen Super-Mikroskop und Aktenbergen

An das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig kam Christian Sieben 2020 über das Nachwuchsgruppen-Programm der Helmholtz-Gemeinschaft: „Ich passe thematisch in keine Schublade, ich bin weder Virologe noch klassischer Biophysiker. Daher war dieses unabhängige Stipendium ideal.“ Inhaltlich knüpfte Sieben an seine Forschung aus der Doktoranden-Zeit an. Während es damals noch um die Frage ging, wie ein Virus in die Zelle eintritt, geht es nun um die funktionalen Aspekte: Wie vermittelt das Virus Signale in die Zelle? Wie versteht die Zelle das Virus? Sendet die Zelle bereits Signale an das Immunsystem? Diese Fragen sollen auf Ebene molekularer Mechanismen beantwortet werden, durch Mikroskopie und die quantitative Analyse der damit gewonnenen Daten. Aus der Grundlagenforschung können in Zukunft etwa antivirale Wirkstoffe hervorgehen — erste Kooperationen in diese Richtung laufen bereits. „Unser Hauptanliegen ist es aber, die Biologie hinter der Interaktion zwischen Virus und Wirtszelle zu verstehen“, sagt Sieben.

Eine Herausforderung ergibt sich für Christian Sieben durch fehlende Expertise in Themenbereichen wie der Zellbiologie oder Virologie, die er in seiner bisherigen Laufbahn nur angeschnitten hat. „Da kommt mir die interaktive Umgebung hier am Zentrum zugute, die Kooperationsbereitschaft und Infrastruktur. Es gibt enorm viel Expertise in Bereichen, in denen ich mich nicht gut auskenne. Da treffe ich mich in der Mittagspause einfach mit einem Experten für ein ganz bestimmtes Thema — das ist sehr cool.“

Seine Rolle als Gruppenleiter stellt Sieben ebenfalls vor neue Herausforderungen: Management und Administration. Das will gelernt sein und kostet Zeit. Gleichzeitig muss und möchte Christian Sieben weiter im Labor stehen. Sein besonderes Know-how möchte er an seine Doktorandinnen und Doktoranden weitergeben — und die Zeit im Labor genießt Wissenschaftler Sieben ohnehin sehr, zumal sie immer knapper wird: „Leider hält mich die Büroarbeit immer öfter davon ab, mich komplett auf die Wissenschaft zu konzentrieren.“

Bei all den neuen und alten Verpflichtungen nimmt sich Christian Sieben dennoch so viel Zeit für seine Familie wie möglich. Mit seinem Sohn und seiner Frau unternimmt der Biologe gerne Ausflüge. Zu seinem 40. Geburtstag hat er noch vor wenigen Monaten einen Marathon absolviert — mit Antrieb und Ausdauer kann Christian Sieben also auf jeden Fall punkten.

Autor: Paul Grumer
Veröffentlichung: Oktober 2022

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