Welt-Hepatitis-Tag 2018: HZI-Experten zum aktuellen Stand und den Herausforderungen

Hepatitis ist eine Entzündung der Leber, die meist durch Hepatitis-Viren ausgelöst wird. Die Zahl der weltweit infizierten Menschen übersteigt 300 Millionen, von denen rund 90 Prozent nicht einmal diagnostiziert sind. 2013 starben etwa 1,45 Millionen Menschen an den Folgen einer viralen Hepatitis. Jedes Jahr am 28. Juli macht der Welt-Hepatitis-Tag auf diese schwere Infektionskrankheit aufmerksam. So nutzen auch die Experten des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) diesen Anlass, um über die aktuelle Situation der viralen Hepatitis und die Herausforderungen in Diagnostik, Prävention und Behandlung zu informieren.


Prof. Michael P. Manns ist Klinischer Direktor des HZI sowie Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und des Centre for Individualised Infection Medicine (CIIM).

Herr Prof. Manns, jedes Jahr am 28. Juli findet der Welt-Hepatitis-Tag statt. Warum ist es so wichtig, auf diese Krankheit hinzuweisen?

Inzwischen sterben mehr Menschen an Hepatitis und ihren Folgeerkrankungen als an HIV/AIDS. Eine Großzahl der Hepatitis B- und C-Patienten ist bisher nicht diagnostiziert. Nicht erkannte Krankheitsfälle werden leider auch nicht mit den jetzt verfügbaren, effektiven Therapieformen behandelt – ein Dilemma.

Der diesjährige Welt-Hepatitis-Tag steht unter dem Motto „Find the missing millions“. Warum bleiben so viele Infektionen mit Hepatitis-Viren unentdeckt und was würde es bedeuten, wenn mehr diagnostiziert würden?

Es gibt praktisch keine Screeningprogramme, so auch nicht in Deutschland. Die deutsche Leberstiftung kämpft seit Jahren vergeblich um die Aufnahme des Lebertestes GPT/ALT in den Check-up 35, den ärztlichen Gesundheitscheck ab einem Alter von 35 Jahren. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat bis zum Jahr 2030 klare Ziele zur Eliminierung der Hepatitis C formuliert: 90 Prozent diagnostizieren, 80 Prozent therapieren, die Sterblichkeitsrate um 65 Prozent senken. Dieses WHO-Ziel kann in einigen Ländern erreicht werden, andere Länder sind jedoch weit davon entfernt. Bei der Hepatitis C sind die Heilungsraten mit den neuen Therapien inzwischen hoch, das heißt deutlich über 90 Prozent. Die WHO-Eliminationsziele der Hepatitis C bis 2030 können jedoch nur erreicht werden, wenn wesentlich mehr Patienten therapiert werden, als Neuinfektionen auftreten. Dies ist nur mit der Einführung flächendeckender Screeningprogramme zu realisieren – und das gilt auch für Deutschland.

Wie kann man sich vor den gefährlichen Infektionen mit Hepatitis B und C schützen und wie gut sind die Behandlungsmöglichkeiten?

Die chronische Hepatitis B ist nicht heilbar, aber die Vermehrung des Virus in der Leber kann durch Dauermedikation effektiv unterdrückt werden, wodurch ein Fortschreiten der Krankheit verhindert wird. Allerdings gibt es gegen Hepatitis B eine Impfung. Diese wird im Kleinkindesalter durchgeführt. Wichtig ist es, allen Menschen diese Impfung zukommen zu lassen.
Eine Impfung gegen Hepatitis C ist bisher leider nicht verfügbar. Dank der neuen Therapien wurde die Hepatitis C als erste chronische Virusinfektion des Menschen heilbar. Durch die hohen Heilungsraten von inzwischen über 90 Prozent für praktisch alle Krankheitsbilder der Hepatitis C erscheint eine Elimination durch Therapie alleine auch ohne Impfung möglich. In diesem Zusammenhang sei auch auf die großen Kostenunterschiede für Hepatitis C-Therapien zwischen sogenannten „high“ und „low income countries“ hingewiesen: In Ländern mit niedrigem Einkommensniveau („low income countries“) erlauben Herstellerfirmen die Produktion von kostengünstigen Generika durch niedrige Lizenzgebühren. Während ein Therapiezyklus in der westlichen Welt noch über 30.000 Dollar kostet, sind es in „low income countries“ weniger als 100 Dollar.

Welches sind die größten Herausforderungen in der Klinik bei Hepatitis-Infektionen und welche Forschungsansätze verfolgen Sie, um dem zu begegnen?

Eine Virushepatitis kann durch fünf verschiedene Viren ausgelöst werden: A, B, C, D und E. Nur die Hepatitis A kann bisher keine chronische Hepatitis auslösen. Eine chronische Hepatitis kann über Jahre zu einer Narbenleber, der sogenannten Leberzirrhose führen, auf deren Boden ein Leberkrebs entstehen kann. Die Hepatitis D stellt die schwierigste Form dar. Es handelt sich immer um eine Doppelinfektion mit dem Hepatitis B- und D-Virus, da das Hepatitis D-Virus sich nicht ohne Hilfe des Hepatitis B-Virus vermehren kann. Eine spezifische und effektive Therapie gegen das Hepatitis D-Virus gibt es bisher nicht. Interferone helfen nur einem Teil der Patienten. Neue Therapien für Hepatitis D sind daher dringend erforderlich und müssen mit hoher Priorität entwickelt werden. Außerdem ist Hepatitis B bisher nur durch eine Dauertherapie in ihrem Progress aufzuhalten, aber nicht heilbar. Große Forschungsanstrengungen werden daher auch für neue Hepatitis B-Therapien unternommen mit dem Ziel einer Heilung. Diese Programme stehen national und international unter dem Motto „HBV-CURE“. Die chronische Hepatitis E ist in den Tropen vor allem eine akute Infektionskrankheit. In gemäßigten Regionen wie Europa kann aber der Genotyp 3 des Hepatitis E-Virus bei Patienten mit geschwächtem Immunsystem zu einer chronischen Infektion führen. Die Aufklärung der Epidemiologie sowie die Entwicklung neuer Therapien für die chronische Hepatitis E stehen im Fokus aktueller Forschung. Alle diese Themen werden auch von der TTU Hepatitis des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) bearbeitet.
Ziel der nächsten Jahre muss es sein, die verschiedenen Virushepatitiden so früh und effektiv zu behandeln, dass Leberversagen, Leberkrebs und Transplantationen als Folgen dieser Erkrankungen verhindert werden.

 

Dr. Jördis J. Ott ist Wissenschaftlerin in der Abteilung „Epidemiologie“ des HZI mit den Forschungsschwerpunkten Hepatitis und impfpräventable Krankheiten.

Frau Dr. Ott, nach wie vor bleiben viele Hepatitis-Infektionen unentdeckt, weit über eine Million Menschen sterben jährlich an Hepatitis B oder C. In welchen Regionen der Erde treten diese Infektionen besonders häufig auf und warum?

In manchen Ländern Afrikas kommt die chronische Infektion mit dem Hepatitis B-Virus (HBV) in der Bevölkerung relativ häufig vor, das heißt die HBV-Prävalenz ist hoch. Auch beim Hepatitis C-Virus (HCV) gibt es spezifische Gebiete und Länder, die stark von der Infektion betroffen sind, bekannt ist es von Ägypten. Dies hat verschiedene Ursachen: Sie können erregerspezifisch sein, zum Beispiel was den prä-dominanten Genotyp von HCV oder HBV in einer Region betrifft. Bei HBV kommt auch die Art, wie und in welchem Alter die Infektion erfolgte, zum Tragen. Je früher im Leben sich ein Mensch damit infiziert, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Infektion, wenn unbehandelt, chronisch wird. Dies ist aus medizinischer und gesundheitspolitischer Sicht besonders gravierend, da gerade in diesen Ländern die Möglichkeiten einer genauen Diagnose der Erkrankung und die Behandlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind. Hinzu kommt durch höhere Prävalenz anderer Infektionen, zum Beispiel HIV, auch das Potenzial für Ko-Infektionen.

Sie betreiben derzeit eine Studie zu Hepatitis B in Burkina Faso. Welche Daten erfassen Sie dabei und was ist das Ziel der Studie?

Wir erheben in dieser Studie bei einer repräsentativen Bevölkerung den Sero-Status hinsichtlich der chronischen HBV-Infektion, stellen also anhand von Blutuntersuchungen fest, wie häufig die chronische HBV-Infektion in der Bevölkerung ist oder welcher Anteil gegen HBV geimpft ist. Hinzu kommt eine Befragung mittels Interview, in welchem wir bestimmte Risikofaktoren für die Infektion erfragen. Burkina Faso ist ein Land, in dem es bislang wenige Daten zu Hepatitis gibt – und wenn, dann häufig nur von bestimmten Personengruppen oder aus urbanen Gebieten wie der Hauptstadt. Dies ist in vielen ressourcenschwachen Ländern Westafrikas ein Problem, da sich die Bevölkerung in ländlichen Gegenden dort oft stark in Gesundheitsstand und Gesundheitsinformation oder Zugang zu Diagnostik und Versorgung unterscheidet von Personen in städtischen Gebieten. Des Weiteren zeigen die vorhandenen Daten, dass in diesem Land die chronische HBV-Infektion hoch endemisch, sprich stark verbreitet ist, Ursachen dafür jedoch nicht umfassend erforscht sind. Die Studie in Burkina Faso betreiben wir in enger Kooperation mit dem Uniklinikum Heidelberg und dem Centre de Recherche en Santé de Nouna (CRSN) in Burkina Faso. Beide Kooperationspartner blicken auf mehrjährige gemeinsame Forschungsarbeiten zurück, was ein großer Vorteil für die Durchführung eines solch umfangreichen epidemiologischen Projekts ist.

Wie gefährlich sind die anderen klassischen Hepatitis-Viren? Forschen Sie auch daran?

Die Gefährdung durch einen Erreger ist immer auch abhängig von soziodemographischen Faktoren der betroffenen Person, zum Beispiel dem Alter, sowie vom Zugang zur medizinischen Versorgung und von den Zielgruppen gesundheitspolitischer Intervention wie Impfungen. Bei Hepatitis A, einer Infektion, die nicht chronisch verläuft, sehen wir eine epidemiologische Transition, das heißt ein Infektionsrisiko in bestimmten Altersgruppen. In Europa betrifft dies ältere Personen, welche nicht durch eine Impfung geschützt sind und auch keine natürliche Infektion mit dem Hepatitis A-Virus (HAV) in jüngeren Jahren durchgemacht haben. Somit erfahren sie tendenziell schwerwiegendere und auch lebensbedrohliche Krankheitsverläufe. Um epidemiologisch relevante Fragen zur HAV-Transition zu erforschen, haben Kollegen in der Abteilung einen serologischen Test entwickelt, welcher zwischen der durch HAV-Infektion und der durch HAV-Impfung hervorgerufenen Immunität unterscheiden kann. Dieser soll nun in serologischen Studien in Südamerika zum Einsatz kommen und Hinweise auf Präventionsbedarfe und gefährdete Altersgruppen geben.
Hinsichtlich der Infektion mit dem Hepatitis E-Virus (HEV) ist vor allem die betroffene Personengruppe ein Kriterium, inwieweit „gefährlich“ das Virus für die Gesundheit ist. So sind Schwangere und immungeschwächte Personen besonders anfällig für HEV-Infektionen, es besteht hier sogar die Möglichkeit einer Chronifizierung der Erkrankung.

Die WHO hat als Ziel ausgegeben, bis 2030 Hepatitis als globale Bedrohung zu eliminieren. Was muss aus Ihrer Sicht als Forscherin passieren, damit dieses Ziel erreicht werden kann? Welches sind die drängendsten Forschungsfragen, die gelöst werden müssen?

Gerade HBV weißt Charakteristika auf, die eine Eliminierung möglich erscheinen lassen, wie zum Beispiel die Tatsache, dass das Virus spezifisch den Menschen befällt, Transmissionswege bekannt sind und es eine effektive Impfung dagegen gibt. Konkrete, von der WHO etablierte nationale und regionale Hepatitis-Kontrollziele sind sehr hilfreiche Orientierungspunkte. Hierzu zählt bei HBV beispielsweise, die HBV-Impfung von Neugeborenen auszuweiten. Dies ist vor allem relevant für Länder, in welchen die Übertragung des Virus von der Mutter auf das Kind während der Geburt erfolgt. Was jedoch nötig ist, um konkrete Hepatitis-Kontrollziele zu etablieren und deren Erreichung zu messen, sind belastbare Zahlen und Daten zum Beispiel zur Krankheitslast und deren Änderungen im Zeitverlauf. Daran arbeiten wir als Epidemiologen unter anderem mittels Durchführung von sero-epidemiologischen Surveys mit Beprobung und Erfassung relevanter Daten wie dem Impfstatus. Solche Studien sind gerade von Bedarf in Regionen mit hoher geschätzter HBV-Prävalenz, wo jedoch wenige Personen über ihren Krankheitsstand oder ihr Infektionsrisiko Bescheid wissen. Da diese Erhebungen personell und finanziell vieler Ressourcen bedürfen und die Infrastruktur in manchen Ländern erst etabliert werden muss, um diese Studien durchzuführen, ist mehr globale Aufmerksamkeit vor allem hinsichtlich chronischer Hepatitiden nötig.


Ausführliche Hintergrundinformationen finden Sie auf unserer Themenseite „Virale Hepatitis“.
 

Veröffentlichung: Juli 2018

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Hintergrund: Virale Hepatitis

Eine Entzündung der Leber wird meist durch eine Infektion mit Hepatitis-Viren verursacht. Sie kann auch durch Alkoholmissbrauch, ein bestimmtes Pilzgift oder eine Überdosierung von Medikamenten hervorgerufen oder verschlimmert werden.

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