Forschung kennt keine Grenzen

Für neuartige Medikamente – etwa gegen multiresistente Erreger – suchen Wissenschaftler nach neuen Wirkstoffen. Dazu müssen sie weltweit Proben zusammentragen.

Ein typischer Imbiss bei Arbeitstreffen in Indonesien sind in Bananenblätter gewickelte Reissnacks, wobei die Blätter normalerweise nicht gegessen werden. „Isst man sie doch mit, kann man sich der anerkennenden Blicke der Einheimischen sicher sein“, erzählt Joachim Wink, der diese Lektion beim Auftakt eines internationalen Forschungsprojektes lernen durfte.

Wink leitet die Mikrobielle Stammsammlung am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), die zur Abteilung Mikrobielle Wirkstoffe von Marc Stadler gehört. Im Fokus der beiden Wissenschaftler und ihrer Teams steht die Entdeckung neuer Naturstoffe aus Mikroorganismen. So geben zum Beispiel Pilze und die im Boden lebenden Myxo- und Aktinobakterien eine Vielzahl chemischer Substanzen ab, mit denen sie sich Nahrungskonkurrenten, Fressfeinde oder Parasiten vom Leib halten. Da diese Substanzen gegen andere Bakterien oder Viren gerichtet sind, eignen sie sich als potenzielle neue Wirkstoffe.

Um an neue Mikroorganismen zu gelangen, brauchen wir Umweltproben aus der ganzen Welt und arbeiten dazu mit Forschungsinstituten und Universitäten in Indonesien, Thailand, Indien, Algerien, Kenia, Jordanien und dem Iran zusammen.

Marc Stadler

Die Forschungsgruppen von Stadler und Wink sind ebenso international besetzt: Wissenschaftler aus aller Welt kommen für Praktika, Forschungsaufenthalte oder Doktorarbeiten ans HZI. Forscher des HZI wiederum reisen für Gastaufenthalte, Laborkurse, Tagungen oder Sammelaktionen in die Partnerländer. „Unsere ganze Arbeit ist international ausgelegt, die Laborsprache ist Englisch. Nur so ist es möglich, Knowhow zwischen den Partnerlaboren auszutauschen.“

Hohe Habitatvielfalt in Indonesien

Ein aktuelles Projekt trägt die Abkürzung GINAICO für „German Indonesian Anti-Infectives Cooperation“ und wird innerhalb eines Rahmenprogramms mit der indonesischen Regierung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Partner sind neben dem HZI auch das TWINCORE, die Universitäten Oldenburg und Bremen sowie die LIPI-Institute (Indonesian Institute of Sciences) für Chemie, Biotechnologie und Ozeanographie. Indonesien zählt zu den artenreichsten Ländern der Welt und zeichnet sich durch eine beeindruckende Habitatvielfalt aus.

Die hohe Biodiversität geht einher mit einem hohen Potenzial für die Entdeckung neuer Arten.

Joachim Wink

Im Rahmen von GINAICO wollen die Wissenschaftler möglichst noch unbekannte Gruppen von Myxo- und Aktinobakterien isolieren, denn die haben sich bereits in der Vergangenheit als sichere Quelle für neuartige Naturstoffe erwiesen.

Große Naturstoff-Sammleaktion

Im April 2016 fand die erste große Sammelaktion statt: Joachim Wink und seine Kollegin Kathrin Mohr nahmen mit indonesischen Partnern Umweltproben auf Bali sowie im Raum Bandung und Bogor aus verschiedenen Habitaten wie dem Meer, den Mangroven, dem Regenwald, Reisfeldern, Parkanlagen und sogar einer vulkanischen Caldera. Wink und Mohr hielten bei einem Partnerinstitut auch einen Laborkurs ab, um indonesische Studenten, technisches Personal, Doktoranden und Wissenschaftler im Umgang mit den anspruchsvollen Myxobakterien zu schulen.

Am Wochenende besuchten die Forscher den botanischen Garten in Bogor – und nutzten die Gelegenheit gleich für eine umfangreiche Probennahme. „Nicht nur die Bäume beeindruckten uns durch atemberaubende Größe“, sagt Wink. „Auch einige Krötenarten erreichten ein stattliches Format."

INFO

Dieser Artikel ist erschienen in der InFact, Ausgabe 01/2017.

Forschung über Staatsgrenzen hinaus nötig

Mittlerweile hat Winks Team mit Unterstützung durch den DAAD und indonesische Institutionen zwei indonesische Doktoranden bekommen, zwei werden noch dazukommen. Die HZI-Forscher haben bereits erste Myxo- und Aktinobakterien aus den gesammelten Proben isoliert und getestet. Ein neuer Naturstoff ist schon in der Aufarbeitung. „Mithilfe internationaler Kooperationsprojekte wie GINAICO können wir auch ungewöhnliche Habitate in fernen Ländern auf Mikroorganismen untersuchen, die die dringend benötigten Anti-Infektiva von morgen produzieren“, sagt Marc Stadler. Aber dies gehe nur, wenn die Forschung weiterhin über Staatsgrenzen hinaus möglich bleibe.

Autoren: Kathrin I. Mohr, Joachim Wink und Marc Stadler

Veröffentlichung: April 2017

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