Ein Nanogel als Wirkstofftaxi

Forscher suchen weltweit nach einer Methode, um Wirkstoffe zielgerichtet durch den Körper an den Krankheitsort zu bringen und so Nebenwirkungen zu verringern. Auch Gregor Fuhrmann verfolgt dieses Ziel: Am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) erforscht er extrazelluläre Vesikel, die er in Kombination mit Nanopartikeln und Nanogelen für neue Therapieansätze weiterentwickeln möchte.

Schluckt ein Patient eine Tablette, gelangt der Wirkstoff ins Blut und wird im ganzen Körper verteilt – auch wenn er vielleicht nur an einer kleinen Stelle benötigt wird. Daher suchen Forscher weltweit nach Methoden, wie sie Wirkstoffe gezielt an den Ort der Erkrankung bringen und so Nebenwirkungen reduzieren können. Einen solchen Ansatz verfolgt auch Gregor Fuhrmann am Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland: Er möchte winzige, von Zellen natürlicherweise abgegebene Membranbläschen für den Wirkstofftransport einsetzen. Körperzellen und Bakterien nutzen diese sogenannten extrazellulären Vesikel, um miteinander zu kommunizieren, indem sie darüber verschiedenste Signalmoleküle austauschen – und genau das möchte Fuhrmann mit Medikamenten schaffen.

Seine Vesikel hat er nun mit einem anderen Transportansatz kombiniert: Er hat sie in Hydrogele eingebettet. Diese wässrigen, gelartigen Gebilde werden ebenfalls als medizinische Transporter erprobt, die mit einem Wirkstoff beladen an die gewünschte Stelle im Körper gebracht werden und dort ihre Fracht freisetzen. „Die bisherige Schwäche der Gele ist, dass sie ihre Wirkung sofort und nur über einen kurzen Zeitraum entfalten. Die Vesikel lassen sich langfristiger nutzen, bisher ist es aber noch nicht gelungen, sie ständig an einem Ort zu halten – sie verdünnen sich im Körper“, sagt Fuhrmann.

Mit der Kombination beider Ansätze wollten wir die jeweiligen Schwächen eliminieren.

Gregor Fuhrmann, Leiter der Nachwuchsgruppe Biogene Nanotherapeutika

Und das ist gelungen: Gemeinsam mit einem Forschungsteam des Londoner Imperial College hat Fuhrmann Vesikel von mesenchymalen Stammzellen isoliert, mit einem Enzym – der β-Glucuronidase – beladen und sie in ein Hydrogel mit der Größe einer 1-Cent-Münze gebettet. Diese Gele hat er dann an einem Zellmodell für Entzündungsreaktionen getestet: Kultivierte Immunzellen – aktivierte Makrophagen – haben zunächst eine Gelmünze erhalten und dann einen antientzündlichen Wirkstoff, der an Zucker gekoppelt war. Das Enzym in den Vesikeln hat den Zucker abgespalten und so den Wirkstoff freigesetzt. Zum Vergleich hat Fuhrmann auch Gele mit synthetisch hergestellten Transportblasen – sogenannten Liposomen – und mit freiem Enzym beladene Gele getestet.

Das Ergebnis: „Anhand bestimmter Marker konnten wir zeigen, dass die Entzündungsreaktion bei diesen Ansätzen zurückging“, sagt Gregor Fuhrmann. „Die Gele mit eingekapselten Enzymen ließen sich sogar mehrfach einsetzen, ihre Aktivität hielt deutlich länger an als die der Gele mit freiem Enzym.“ Dabei hatten die Stammzell-Vesikel einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Liposomen: Sie entfalteten bereits ohne Enzym eine antientzündliche Wirkung, wie Kontrollversuche zeigten. „Hydrogele mit diesen Vesikeln könnten daher gut gegen Hautinfektionen oder entzündete Wunden weiterentwickelt werden“, sagt Fuhrmann.

Schon gewusst?

Gregor Fuhrmann wurde für seine Erforschung extrazellulärer Vesikel zur Entwicklung neuer Therapieansätze mit dem Galenus Technologie-Preis geehrt. [mehr]

Der Grund dafür, dass selbst die leeren Vesikel schon Entzündungen reduzieren, könnte laut Fuhrmann in ihrer Herkunft liegen: Die Stammzellen kommunizieren mithilfe der Vesikel auch mit Immunzellen und können diese positiv beeinflussen. Daher könnten die Vesikel zumindest zum Teil für den Erfolg von Stammzell-Therapien verantwortlich sein, wie in diesem Forschungsfeld bereits seit längerem vermutet wird.

In weiteren Kontrollversuchen haben die Wissenschaftler auch Enzyme, die Farbstoffe umwandeln, und Metallionen als Fracht eingesetzt. So konnten sie die Enzymaktivität zwischen dem Einsatz von Vesikeln, von Liposomen und frei beladener Gele vergleichen. Zudem ermöglichten die Metallionen einen Nachweis per Elektronenmikroskopie: Darin zeigte sich, dass die Vesikel tatsächlich stabil in die Gele eingebettet wurden. Die Ergebnisse veröffentlichte das Fachjournal Advanced Materials und wählte die Publikation auch für das „Back Cover“ aus.

Originalpublikation:

Gregor Fuhrmann, Rona Chandrawati, Paresh A. Parmar, Timothy J. Keane, Stephanie A. Maynard, Sergio Bertazzo, and Molly M. Stevens: Engineering Extracellular Vesicles with the Tools of Enzyme Prodrug Therapy. Advanced Materials 2018, 1706616, Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA. DOI:10.1002/adma.201706616

Autor: Andreas Fischer

Veröffentlichung: April 2018

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Portrait

Gregor Fuhrmann – Nanoforscher mit Bodenhaftung

Gregor Fuhrmann möchte Wirkstoffe mithilfe winziger Membranbläschen zu ihrem Einsatzort im Körper bringen. Für dieses Vorhaben hat er am HIPS eine Nachwuchsgruppe gestartet.

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