02.12.2005

Spritze verhindert Zuckerkrankheit bei Mäusen

Typ I-Diabetes: Eingriff in Immunregulation kann Ausbruch vorbeugen

Manche Formen der Zuckerkrankheit könnten möglicherweise vorbeugend behandelt werden. Bei Mäusen jedenfalls ist dies Wissenschaftlern der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig vor kurzem gelungen: Tiere mit einer angeborenen Neigung zu Typ I-Diabetes blieben gesund, wenn die Forscher sie bald nach der Geburt mit einem immunregulierenden Präparat behandelten. Die Substanz verhindert, dass das Immunsystem irrtümlich ein körpereigenes Molekül bekämpft, das in der Bauchspeicheldrüse der Tiere zu finden ist. Ihre Ergebnisse beschreibt die Forschergruppe in der jüngsten Ausgabe des amerikanischen Fachmagazins Diabetes.
Typ I-Diabetes zählt zu den Autoimmunerkrankungen, die durch eine Fehlsteuerung der körpereigenen Abwehrkräfte ausgelöst werden: Irrtümlich identifiziert das Immunsystem bestimmte Strukturen im eigenen Körper als „fremd“ und geht gegen sie vor, als handle es sich um von außen eingedrungene Erreger. Im Fall der Typ I-Diabetes sind es die insulinproduzierenden Langerhans-Zellen der Bauchspeicheldrüse, die dem außer Kontrolle geratenen Immunsystem zum Opfer fallen.
Bei einem Mäuse-Stamm, der von Geburt an zu dieser Krankheit neigt, steuerten die Braunschweiger Forscher diesem Effekt schon im Vorfeld entgegen: „Unter bestimmten Umständen kann das Immunsystem umlernen“, erklärt GBF-Wissenschaftlerin Dr. Dunja Bruder. „Es kann sich an Stoffe gewöhnen, die es normalerweise mit einer Abwehrreaktion bekämpfen würde.“ An diesem Prozess, den man als Immuntoleranz bezeichnet, sind dendritische Zellen, kurz „DC“ genannt, maßgeblich beteiligt. Dieser Zelltyp, der besonders in den Lymphknoten vorkommt, ist darauf spezialisiert, den aggressiveren Zellen des Immunsystems Molekülstrukturen zu präsentieren – und ihnen dadurch sozusagen „beizubringen“, was sie bekämpfen und was sie tolerieren sollen. Manche DC wirken dämpfend auf das Immunsystem ein, andere stimulierend.

Hoffnung auf neue Behandlungsansätze

Dr. Bruder und ihre Forscherkollegen nahmen nun die „mäßigenden“ DC ins Visier: Mit Hilfe eines Antikörpers steuerten sie diese Zellen gezielt an. An den Antikörper koppelten sie das Protein-Molekül, das die Autoimmunreaktion in der Bauchspeicheldrüse der Mäuse auslöst. Der Erfolg: Offenbar präsentierten die DC den anderen Immunzellen dieses Molekül – und das Immunsystem lernte dadurch, die unerwünschte Abwehrreaktion gezielt zu unterdrücken. „Die Mäuse, die auf diese Weise behandelt wurden, entwickelten keine Zuckerkrankheit“, erklärt Bruder. Der Antikörper mit dem daran gekoppelten Protein war den Mäusen mehrere Male nach der Geburt injiziert worden.
„Diese Ergebnisse lassen sich zunächst nicht direkt auf den Menschen übertragen“, erklärt Arbeitsgruppenleiter Prof. Jan Buer. „Das bei den betreffenden Mäusestämmen untersuchte Molekül ist nicht dasselbe, das den Diabetes beim Menschen auslöst.“ Trotzdem hofft Buer, dass das beschriebene Verfahren irgendwann die Grundlage für eine vorbeugende Diabetes-Behandlung bieten wird. „Dasselbe Prinzip“, sagt Buer, „könnte vielleicht auch andere Autoimmunerkrankungen verhindern.“

09.03.2006

Dünne Grenzschicht voll wimmelnden Lebens

Neu entdeckte Bakterien bilden ein komplexes Ökosystem in salziger Tiefsee

In einer nur zweieinhalb Meter breiten Übergangszone in den Tiefen des Mittelmeers lebt eine vielfältige und komplexe Gemeinschaft von Bakterien, die zum Großteil bis vor kurzem unbekannt waren. Eine Schiffsexpedition von Wissenschaftlern aus Deutschland, England, Italien, Frankreich, Griechenland und den Niederlanden hat die Organismen im Grenzbereich zwischen salzarmen und salzreichen Wasserschichten entdeckt und sie untersucht. Seine Erkenntnisse beschreibt das multinationale Team, zu dem auch der Mikrobiologe Professor Kenneth Timmis von der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig gehört, in der jüngsten Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature.

In den so genannten „Brine-Becken“ – extrem salzreichen Senken auf dem Grund der Tiefsee – können nur wenige Organismen überleben. Anders sieht es offenbar im Grenzbereich zwischen der hochkonzentrierten Salzlake und den darüber liegenden Schichten gewöhnlichen Meerwassers aus. Das Brine-Becken „Bannock“ liegt in 3300 Metern Tiefe vor der nordafrikanischen Küste. Vom Wasser des Ozeans unmittelbar darüber wird es durch eine nur 2,5 Meter breite Zone getrennt, in der der Salzgehalt von unten nach oben kontinuierlich abnimmt. Wie die Forscher feststellten, variiert auch die Konzentration vieler anderer Stoffe – Zucker, Sulfat, Nitrat, Mangan – innerhalb dieser dünnen Zwischenschicht sehr stark. Und die „Wechselzone“ erweist sich als überraschend belebt: „Wir haben aus den Wasserproben von dort 84 unterschiedliche Bakterien-Typen isolieren können“, erklärt Prof. Timmis. „Die meisten waren bislang unbekannt. Einige zeigen so wenig Verwandtschaft zu anderen Lebensformen, dass wir sogar vier neue Klassen von Bakterien definiert haben.“


Beeindruckende Vielfalt
Für Timmis und seine Forscher-Kollegen ist diese Vielfalt beeindruckend, aber leicht erklärbar: „Aus dem Ozean darüber rieselt organisches Material nach unten, Zersetzungsprodukte aus toten Tieren und Pflanzen“, erklärt Timmis. Das Brine-Becken bildet eine Barriere: Wegen der hohen Dichte der Salzlake findet kaum Austausch mit den darüber liegenden Wasserschichten statt. In der Zwischenschicht dagegen können sich unterschiedliche Organismen ansiedeln, die von dem abgesunkenen organischen Material leben. „Weil sich die Salzkonzentration alle halbe Meter ändert, setzen sich in jedem Unterabschnitt dieser Zone andere Bakterien durch – unten welche mit hoher, weiter oben mit geringerer Salz-Toleranz.“ Was die einen beim Nährstoff-Abbau übrig lassen, können die anderen verwerten – entweder als Nahrung oder als Grundstoff für ihre Atmung. Sauerstoff gibt es in diesen lichtlosen Tiefen nicht. „So entstehen komplexe Stoffwechsel-Kreisläufe“, sagt Timmis, „ähnlich wie in der belebten Welt auf der Erdoberfläche, nur mit völlig unterschiedlichen molekularen Werkzeugen.“ Diese Besonderheiten könnten die neu entdeckten Bakterien interessant machen: „Wir werden diese molekularen Werkzeuge jetzt genauer untersuchen“, sagt Timmis. „Davon versprechen wir uns neue Anwendungen, die man für Industrie und Medizin nutzen kann.“


Hinweise für die Medien
Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: D. Daffonchio, S. Borin, T. Brusa, L. Brusetti, P. van der Wielen, H. Bolhuis, M. Yakimov, G. D’Auria, L. Giuliano, D. Marty, C. Tamburini, T. McGenity, J. Hallsworth, A. Sass, K. Timmis, A. Tselepides, G. de Lange, A. Hübner, J. Thomson, S. Varnavas, F. Gasparoni, H. Gerber, E. Malinverno, C. Corselli & Biodeep Scientific Party: Stratified prokaryote network in the oxic-anoxic transition of a deep-sea halocline. Nature, 9 March 2006, Vol 440, No. 7081, pp 203-207

22.03.2006

Den Rätseln der Zelle auf der Spur

29.3. - 1.4.: Internationaler Fachkongress an der TU Braunschweig

Wie stellt es eine befruchtete Eizelle an, sich über viele fein abgestimmte Teilungszyklen zu einem komplexen Organismus zu entwickeln – einer Maus, einem Vogel oder einem Menschen? Wie gewinnt sie aus Nährstoffen Energie, durch welche Signale verständigt sie sich mit anderen Zellen, wie wehrt sie sich gegen Bakterien und Viren? Und was ist schief gelaufen, wenn sich eine Gewebezelle plötzlich zur wuchernden Krebszelle wandelt? Mit Fragen wie diesen beschäftigen sich die rund 500 Teilnehmer aus dem In- und Ausland, die sich vom 29. März bis 1. April zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Zellbiologie (DGZ) in Braunschweig versammeln werden. Gastgeber der Tagung ist die Technische Universität Braunschweig. Die lokale Organisation liegt in den Händen von Prof. Jürgen Wehland, der bei der Gesellschaft für  biotechnologische Forschung (GBF) den Bereich Zellbiologie leitet. Der Großteil der rund 60 geladenen Sprecher kommt aus dem Ausland. „Die Zellbiologie zählt zu den vielseitigsten und spannendsten Forschungsbereichen der modernen Biologie und Medizin“, sagt Wehland. „Sie befasst sich mit vielen entscheidenden Fragen, zum Beispiel der Embryonalentwicklung, Krebsentstehung, Stammzellforschung sowie Infektion und Immunität.“

Dass sich die DGZ in diesem Jahr für Braunschweig als Tagungsort entschieden hat, sieht Wehland als wichtiges Zeichen für die Region: „Gemeinsam mit Hannover und Göttingen bildet Braunschweig eine sehr leistungsfähige Forschungsregion, in der viel zellbiologisches Know-how angesiedelt ist, das in der Fachwelt hohe Anerkennung genießt.“


Den Eröffnungsvortrag der Jahrestagung hält die amerikanische Wissenschaftlerin Jennifer Lippincott-Schwartz vom National Institute of Health in Bethesda/USA, eine der führenden Forscherinnen auf dem Gebiet der Sichtbarmachung von Molekülen (Proteinen) in einzelnen lebenden Zellen.

Die Deutsche Gesellschaft für Zellbiologie (DGZ)
Vor 30 Jahren gegründet, versammelt die Deutsche Gesellschaft für Zellbiologie (DGZ) rund 1300 Biochemiker, Genetiker, Molekularbiologen, Mediziner, Zoologen und Botaniker aus dem deutschen Sprachraum in ihren Reihen. Die Jahrestagung („Annual Meeting“) der DGZ wird als internationaler Kongress auf hohem wissenschaftlichem Niveau konzipiert. Ein besonderes Anliegen der DGZ ist die Teilnahme von Nachwuchswissenschaftlern und deren Förderung.

Hinweise für die Medien
Das vollständige Tagungsprogramm finden Sie im Internet unter www.zellbiologie2006.de.

Nähere Auskünfte erteilt Ihnen gerne die Pressestelle der GBF unter der Telefon-Nummer 0531/6181-508.
 

03.04.2006

Stammzell-Therapie lässt Sehnen und Bänder wachsen

Forscher kurieren Verletzungen bei Ratten

Sehnenverletzungen mittels einer Stammzell-Therapie heilen: Das könnte in Zukunft medizinisch möglich sein. Bei Ratten mit einer geschädigten Achillessehne ist es Wissenschaftlern jetzt gelungen. Die Forscher verpflanzten Stammzellen in die verletzte Sehne und stimulierten sie mit einem Wachstumsfaktor und einem Signalmolekül namens „Smad8“, was zu einer Regeneration des Sehnen-Gewebes führte. Seine Erkenntnisse beschreibt das deutsch-israelische Forscherteam, dem Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig angehören, in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Clinical Investigation.


Sehnen- und Bänderverletzungen, wie sie beim Sport, aber auch bei Rheuma- oder Diabeteskranken auftreten, sind für klinische Mediziner noch immer eine beträchtliche Herausforderung. Allein in den USA unterziehen sich jedes Jahr rund 200 000 Patienten einer Sehnen- oder Bänderbehandlung. „Um gerissene Sehnen oder Bänder zu heilen, gibt es nur wenige Optionen“, erklärt GBF-Wissenschaftler Dr. Gerhard Gross. „Meist transplantiert man dazu eigenes oder fremdes Sehnen-Gewebe oder einen künstlichen Gewebe-Ersatz.“ Zufrieden stellende Langzeit-Lösungen, so Gross, böten all diese Methoden nicht: „Es kommt häufig zu Komplikationen, von Immun- und Abstoßungsreaktionen bis zur Abnutzung des Implantats.“


Eine alternative Methode hat die GBF-Arbeitsgruppe von Dr. Gross, Dr. Andrea Hoffmann und ihren israelischen Kollegen aus Jerusalem und Tel Aviv jetzt erfolgreich erprobt und beschrieben. Sie verwendeten dazu adulte Stammzellen, die – anders als die embryonalen Stammzellen, deren Einsatz in der Forschung umstritten ist – im Körper erwachsener Menschen vorkommen, aber auch gut in Kultur gezüchtet werden können. Ein Untertyp, die so genannten mesenchymalen Stammzellen (kurz: MSC), wird im Knochenmark gebildet. MSC dienen dem Organismus als vielseitige Eingreiftruppe: „Aus MSC können sich bei Bedarf knochenbildende Zellen entwickeln“, erklärt Andrea Hoffmann, „aber auch knorpelbildende oder Muskelzellen oder Fettspeicherzellen. Und vor allem, was uns am meisten interessiert: Sehnenzellen.“


Um die MSC dazu zu bringen, muss allerdings Smad8 in vorhanden sein: Dieses Molekül überträgt Signale, die die Zelle von außen erhält, und übersetzt sie in den „Befehl“, Sehnen zu bilden. Gross, Hoffmann und die israelischen Kollegen konnten zeigen: MSC-Zellen, die besonders viel Smad8 sowie den ebenfalls bedeutsamen Wachstumsfaktor Bmp2 produzieren, sorgen für massenhaftes Sehnen-Wachstum. Zumindest bei Ratten ließ sich dieser Effekt auch für eine Therapie nutzen.


„Ob ein entsprechendes Heilungsverfahren auch beim Menschen wirken würde, müssen künftige Untersuchungen zeigen“, erklärt Gross. „Es wird sicher mehrere Jahre dauern, bis das erprobt ist.“

 

Hinweise für die Medien
Detaillierte Informationen bietet der Originalartikel: A. Hoffmann, G. Pelled, G. Turgeman, P. Eberle, Y. Zilberman, H. Shinar, K. Keinan-Adamsky, A. Winkel, S. Shahab, G. Navon, G. Gross and D. Gazit. Neotendon Formation Induced by Manipulation of the Smad8 Signalling Pathway in Mesenchymal Stem Cells. Journal of Clinical Investigation, 2006, Vol. 116 (4).

 

Bildunterschrift
"Auf der Suche nach neuen Therapien für verletzte Sehnen: Dr. Gerhard Gross und Dr. Andrea Hoffmann in ihrem Labor an der GBF. Foto: GBF/Gramann"

07.04.2006

Zukunftstag im Forschungslabor

27. April: Girls’ Day an der GBF – diesmal auch für Jungen

Zum bundesweiten Girls’ Day am Donnerstag, 27. April, öffnet die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) auch in diesem Jahr ihre Forschungslabore für wissbegierigen Nachwuchs. Mädchen im Alter von 14 bis 16 Jahren erhalten dabei Gelegenheit, sich ausführlich über die vielfältigen Berufswege zu informieren, die ein großes Forschungszentrum bietet.

 

Ein Novum in diesem Jahr: Aus Gründen der Gleichbehandlung – und weil die Berufsfindung für Mädchen und Jungen einen gleich hohen Stellenwert hat – wird diesmal parallel dazu ein Projekttag „Neue Wege für Jungs“ stattfinden. Auch daran beteiligt sich die GBF. Die beiden Aktionen werden zu einem gemeinsamen Programm zusammengefasst.

Das Programm beginnt um 9 Uhr und enthält Führungen, Vorträge und kleine Experimente in Arbeitsgruppen. Dabei können die Jugendlichen unter anderem erste Einblicke in die Arbeit mit Bakterien oder in die Aufzucht von Labormäusen gewinnen, mikroskopieren und die Arbeit mit flüssigem Stickstoff kennen lernen. Für Mädchen und Jungen, die kurz vor dem Schulabschluss stehen und sich für eine Berufsausbildung als Chemie- oder Biologielaborant interessieren, bietet der GBF-Ausbildungsleiter Detlef Hanisch die Möglichkeit, sich zu informieren und die Laborarbeit im Ausbildungslabor kennen zu lernen.

Der Mädchen-Zukunftstag und das Projekt „Neue Wege für Jungs“ sollen den Jugendlichen helfen, ihr Berufswahlspektrum zu erweitern und frühzeitig Kontakt zu potentiellen Arbeitgebern zu knüpfen. Dieser Aktionstag wird gemeinsam von verschiedenen Bundesministerien, von Berufsverbänden und Tarifpartnern veranstaltet. Die GBF beteiligt sich seit 2002 mit einem eigenen Informationstag am „Girls’ Day“.

Die Anmeldung sollte bis zum 13. April 2006 erfolgen.

Für Informationen steht Ihnen die Gleichstellungsbeauftragte der GBF, Evelyn Rohn-Stenzel, unter der Telefon-Nr. 0531/6181-550 oder der Email-Adresse girlsday@gbf.de zur Verfügung.

 

Hinweis für die Medien
Informationen zu den bundesweiten Aktionen am Mädchen-Zukunftstag bietet die Seite www.girls-day.de.

29.03.2006

Preisgekrönte Vision vom „Labor in der Zelle“

Healthcare-Konzern Roche zeichnet den Immunforscher Jan Buer aus

Eine einzelne Zelle, mit hauchfeinen „Nano-Nadeln“ zielgenau manipuliert und mit Analyse-Chips und Hochleistungs-Mikroskopen kontinuierlich beobachtet: So könnte die Zukunft der biomedizinischen Forschung aussehen. Für sein visionäres Modell des „Lab-in-a-cell“ („Labor in der Zelle“) ist der Immunologe Professor Jan Buer jetzt bei einem Festakt in Starnberg (Oberbayern) ausgezeichnet worden: Er gewann den mit 10 000 Euro dotierten ersten Preis des Wettbewerbs „Imagining the Future“. Veranstalter des weltweit ausgeschriebenen Wettbewerbs ist Roche Applied Science, ein Unternehmensbereich des Roche-Konzerns. Prämiert wurden die besten wissenschaftlich fundierten Prognosen für die Zukunft der biomedizinischen Forschung und ihrer Anwendung für die Entwicklung von Arzneimitteln und Diagnostika. Professor Buer forscht bei der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig und lehrt an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH).

Die Zukunft, die Buer in seinem preisgekrönten Exposé skizziert, hat bereits begonnen: „Bei der Untersuchung von Immunreaktionen richten wir den Blick immer differenzierter auf bestimmte Zelltypen – auf die Gene, die sie in bestimmten Situationen anschalten, auf die Botenstoffe, die sie produzieren“, erklärt der Immunforscher. Bisher finde diese Forschung vor allem in Zellkulturen statt – die Zellen in einer solchen Kultur sind vom selben Typ und ähneln einander sehr, doch sie verhalten sich nicht identisch. „Wenn man die Entwicklung zu Ende denkt, landet man beim Konzept der Untersuchung einer Einzelzelle.“ Ansätze dazu gebe es bereits, doch viele der feinen „Werkzeuge“, die man dazu benötige, müssten erst noch zur Serienreife entwickelt werden; etwa Sensoren für die Analyse extrem geringer Substanzmengen oder Software, die die Muster der Genaktivität in Zellen zuverlässig auswerten kann.
„Ich bin überzeugt, dass es in den kommenden Jahrzehnten gerade solche Lab-in-a-cell-Methoden sein werden, die uns dem Verständnis und der Heilung von Krebs, Infektionen und Autoimmunerkrankungen näher bringen werden“, prophezeit Buer.


Der Preisträger
Jan Buer, Jahrgang 1966, wuchs in Braunschweig und Bremen auf und studierte später in Hannover und New York. Im Jahr 2003 beriefen ihn die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) und die Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gemeinsam zum Professor (C 3). Sein Fachgebiet ist die Mukosale Immunität, die Erforschung von Immunreaktionen an körpereigenen Schleimhäuten. Besonderes Augenmerk richtet seine Arbeitsgruppe auch auf die so genannten regulatorischen T-Zellen, die eine wichtige Rolle bei der Kontrolle und Steuerung von Immunreaktionen spielen.

 

Hinweise für die Medien
Nähere Auskünfte erteilen Ihnen gerne: Dr. Johannes Ritter, Roche Penzberg (Telefon: 08856/ 60 26 00), Manfred Braun, GBF Braunschweig (0531/6181-508), Stefan Zorn, Medizinische Hochschule Hannover (0511/5326771).
Die genannten Ansprechpartner stellen Ihnen gerne Bilder des Preisträgers zur Verfügung.

 

Bildunterschrift
"Zukünftigen Forschungstrends auf der Spur: Prof. Jan Buer am Mikroskop. Foto: GBF/Susanne Hübner"

07.03.2006

Spatenstich für ein neues Tierhaus

Neues GBF-Gebäude: am 14. März beginnen die Bauarbeiten

20 Millionen Euro investiert die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in den kommenden zwei Jahren in den Bau eines neuen Tierhauses. In ihm sollen Mäuse gehalten werden, an denen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionskrankheiten untersuchen werden. Die so gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für neue Diagnose- und Therapieverfahren im Kampf gegen krankheitserregende Bakterien und Viren.

Zum feierlichen Spatenstich für das neue Tierhaus sind Vertreter der Presse am Dienstag, 14. März, um 14 Uhr auf dem GBF-Campus, Mascheroder Weg 1 in Braunschweig
herzlich eingeladen.

Die GBF ist das Zentrum für Infektionsforschung in der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Hier untersuchen Forscher, wie Infektionserreger Krankheiten auslösen und wie sich das Immunsystem gegen sie wehrt. Bei dieser wissenschaftlichen Arbeit spielen Mäuse als Versuchstiere eine herausragende Rolle: Um den hochkomplexen Vorgang „Infektion“ verstehen und Therapieverfahren dagegen entwickeln zu können, muss man ihn am ganzen Organismus untersuchen. Dies ist aus ethischen Gründen selbstverständlich nicht am Menschen sondern nur am Versuchstier möglich. Als Modellorganismus eignen sich Mäuse dafür besonders gut, weil sie klein sind, sich leicht halten und vermehren lassen und weil ihr Organismus große Ähnlichkeiten mit dem des Menschen aufweist.

Bereits heute werden in der GBF Mäuse in einem der modernsten Tierhäuser Europas gehalten. Die Kapazitäten haben sich in den vergangenen Jahren jedoch als zu klein erwiesen, so dass ein Neubau notwendig geworden ist. Das neue Gebäude wird aus Fördermitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finanziert. „Diese Großinvestition wird die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der GBF und des Forschungsstandorts Niedersachsen erheblich stärken“, erklärt Prof. Rudi Balling, der wissenschaftliche Geschäftsführer der GBF. „Positive Auswirkungen wird der Bau auch auf die lokale und regionale Wirtschaft haben.“

Hinweise für die Medien
Den ersten Spatenstich für das neue Tierhaus der GBF wird Prof. Balling persönlich ausführen. Gelegenheit zu einem Foto des Festakts besteht gegen 14.15 Uhr nach der Eröffnungsansprache. Für nähere Auskünfte steht Ihnen die Pressestelle der GBF unter der Telefon-Nummer 0531/6181-508 gerne zur Verfügung.

03.03.2006

Forscherpreis für die Zähmung eines Bodenbakteriums

Am 9. März: GBF und TU Braunschweig verleihen die Inhoffen-Medaille

Die im Boden lebenden Myxobakterien und ihre „Zähmung“ für die Zwecke des Menschen sind die Spezialgebiete von Professor Gerhard Höfle und Professor Hans Reichenbach: Bei der Erforschung dieser Mikroorganismen entdeckten Höfle, Reichenbach und ihr Forscherteam sogar ein Krebsmedikament – das Epothilon, das zurzeit in klinischen Tests erprobt wird. Für ihre wissenschaftlichen Leistungen werden die beiden Experten jetzt in Braunschweig mit der Hans Herloff Inhoffen-Medaille geehrt. Höfle und Reichenbach werden die Auszeichnung am kommenden Donnerstag, 9. März, 15 Uhr, im Forum der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) entgegennehmen.

Der vom Förderverein der GBF gestiftete Preis ist mit 2500 Euro dotiert. Er wird im Rahmen der öffentlichen Inhoffen-Vorlesung verliehen, einer gemeinsamen Veranstaltung der GBF und der Technischen Universität Braunschweig. Nach einer Ansprache der beiden Preisträger wird Prof. Joachim Klein, Vorsitzender des Fördervereins der GBF und der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, die Medaille überreichen.



Herausragende Doktorarbeiten an GBF und TU gewürdigt
Im Rahmen der Preisverleihung zeichnet der Förderverein der GBF zudem herausragende Doktorarbeiten der Technischen Universität Braunschweig und der GBF aus. Träger der mit 2000 Euro dotierten Förderpreise sind Dr. Silke Wenzel und Dr. Annika Steffen. Silke Wen-zel erforschte in ihrer Dissertation verschiedene Stoffwechselprodukte der Myxobakterien; Annika Steffen befasste sich mit den Mechanismen der Fortbewegung bei Zellen.
Neben den Förderpreisen wird auch der Fritz-Wagner-Preis zur Förderung der Biotechnologie verliehen. Die Auszeichnung und die damit verbundenen 500 Euro erhält in diesem Jahr Dr.-Ing Marc Ergezinger für seine Promotion über ein biotechnologisches Verfahren zur Produktion von Isomaltose.


Hans Herloff Inhoffen und die gleichnamige Medaille

Zum Gedenken an den 1992 verstorbenen Chemiker Prof. Hans Herloff Inhoffen veranstalten die TU Braun-schweig und die GBF seit 1994 regelmäßig die Inhoffen-Vorlesung, bei der der gleichnamige Preis vergeben wird. Inhoffen lehrte von 1946 bis 1974 an der TH Braunschweig und amtierte dort von 1948 bis 1950 als Rektor. Inhoffen gründete darüber hinaus im Jahr 1965 das „Institut für Molekulare Biologie, Biochemie und Biophysik“ (IMB), das Vorläufer-Institut der GBF.


Hinweise für die Medien
Bei einem Pressetermin um 14.45 Uhr – unmittelbar vor der Inhoffen-Vorlesung – besteht Gelegenheit zum Fotografieren der Preisträger.
Nähere Auskünfte zu den ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeiten geben wir gerne unter der Telefon-Nummer 0531/6181-508.



Bildunterschrift:
Zellen von Sorangium cellulosum. Myxobakterien sind einzigartige Bakterien, unter anderem aufgrund ihrer Fähigkeit, Fruchtkörper zur Überdauerung ungünstiger Lebensumstände zu bilden. Sie produzieren zudem eine Fülle von Wirkstoffen. Einer davon ist das Epothilon, das einmal als Krebsmedikament Karriere machen könnte: Es tötet Tumorzellen. Die von der GBF entdeckte Substanz befindet sich inzwischen in klinischen Tests. Foto: GBF/ Heinrich Lünsdorf"


Die Preisträger: Professor Hans Reichenbach (links) und Professor Gerhard Höfle mit einem Modell des Epothilon-Moleküls. Foto: GBF/Hübner

22.02.2006

Dem Immunsystem im Gehirn auf der Spur

Lasermikroskopie ermöglicht Blick auf simulierten Schlaganfall

Der Verlust von Nervenzellen bei Schädigungen des Gehirns könnte möglicherweise mit Hilfe von Mikroglia-Zellen aufgehalten werden. Ein Team von Wissenschaftlern aus Magdeburg und Braunschweig hat jetzt gezeigt, dass die Mikroglia, die wichtigsten Immunzellen des Gehirns, einen schützenden Effekt auf Nervenzellen ausüben können. Der Nachweis gelang mit Hilfe der Zweiphotonen-Lasermikroskopie, einer hochmodernen und aufwändigen Technik, die zur Expertise der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig gehört.

Bisher war die medizinische Forschung der Meinung, die Mikroglia seien vor allem für das Absterben und „Abräumen“ von Nervenzellen nach Gehirnschädigungen zuständig, etwa bei einem Schlaganfall oder bei der Alzheimerschen Krankheit. Jetzt fanden Forscher des Magdeburger Leibniz-Institut für Neurobiologie und der Universität Magdeburg heraus, dass auch die entgegengesetzte Wirkung auftreten kann: Die Nervenzellen in einer Hirnschnitt-Kultur überleben die Schädigung durch Sauerstoff- und Glucose-Entzug länger, wenn man dem Hirnschnitt Mikroglia-Zellen hinzufügt. Der Entzug von Sauerstoff und Glucose dient dazu, einen Schlaganfall experimentell zu simulieren. Wie die Magdeburger Wissenschaftler Prof. Klaus Reymann, Prof. Oliver Ullrich, Dr. Klaus Dinkel und Jens Neumann demonstrierten, verzögert die Zugabe von Mikroglia-Zellen auch noch einige Stunden nach diesem „experimentellen Schlaganfall“ das Absterben der Nervenzellen.

 

Nachweis durch hoch entwickelte Mikroskop-Technologie

Die Wechselwirkung der Mikroglia mit den Nervenzellen konnte mittels Zweiphotonen-Lasermikroskopie beobachtet werden. „Die Mikroglia geht dabei einen Kontakt mit der Nervenzelle ein und umhüllt diese regelrecht“, berichtet GBF-Wissenschaftler Dr. Matthias Gunzer.
Die Zweiphotonen-Lasermikroskopie ermöglicht es durch Bündelung des Lichtes, Farbstoff-Markierungen auch tief im lebenden Gewebe sichtbar zu machen. Deshalb gilt diese hoch entwickelte Technologie als viel versprechendes Werkzeug für biologische und biomedizinische Forschung. „Wir konnten damit bereits Blicke in den Lymphknoten eines lebenden Organismus werfen“, erklärt Lasermikroskop-Experte Gunzer. „Bei dem Experiment mit den Magdeburger Kollegen haben wir erstmals Nervengewebe ins Visier genommen.“

Hinweise für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: J. Neumann, M. Gunzer, H. O. Gutzeit, O. Ullrich, K. G. Reymann, K. Dinkel: Microglia Provide Neuroprotection after Ischemia. The FASEB Journal express article doi:10.196/fj.05-4882fje, Published online February 10, 2006.

15.02.2006

Grippe: Experten erklären Menschheits-Geißel

Influenza-Symposium an der GBF

Die weltweite Grippe-Epidemie von 1918 tötete mehr Menschen als der Erste Weltkrieg, der im selben Jahr zu Ende ging. Den tödlichen Erreger von einst – einen besonderen Typus des Influenza-Virus – hat der Wissenschaftler Adolfo Garcia-Sastre von der Mount Sinai School of Medicine in New York aus tiefgefrorenen Gewebeproben rekonstruiert und im Labor wiederauferstehen lassen. Am Donnerstag, 2. März, wird Garcia-Sastre in Braunschweig erklären, wie ihm das gelungen ist – und welche Erkenntnisse er sich davon verspricht.
Der New Yorker Virenforscher gehört zu den renommierten Gästen des Symposiums „In-fluenza Virus – an afternoon on flu“, das an diesem Tag im Forum der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig stattfinden wird. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen die alljährlich wiederkehrenden Grippe-Wellen und ihre Erreger, die verschiedenen Typen von Influenza-Viren. Der „Afternoon on flu“ (zu Deutsch: „Nachmittag zum Thema Grippe“) beginnt um 14 Uhr und endet gegen 19 Uhr. Das englischsprachige Symposium steht allen interessierten Besuchern offen. Neben Adolfo Garcia-Sastre werden weitere weltweit führende Grippeforscher aus Deutschland, den USA, Großbritannien und den Niederlanden unter den Vortragenden sein. Eines der ersten Referate hält beispielsweise der Marburger Virologe Hans-Dieter Klenk, der eines der wenigen Hochsicherheits-Virenlabors in Deutschland betreibt. Auch aktuelle Themen wie Vogelgrippe und die zügige Entwicklung neuer Impfstoffe werden in den Kurzvorträgen zur Sprache kommen.
Das Symposium findet im Rahmen des internationalen Doktoranden-Programms „Miditrain“ statt. Das EU-geförderte Nachwuchsprogramm Miditrain, das die GBF in Kooperation mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) umsetzt, bildet zwölf junge Wissenschaftler zu Infektionsforschern aus.

Einzelheiten
Das Symposium „Influenza Virus – An afternoon on flu“ beginnt am 2. März um 14 Uhr im Forum der GBF und endet gegen 19 Uhr. Sämtliche Vorträge werden in englischer Sprache gehalten. Das Symposium ist öf-fentlich, der Eintritt frei. Um eine vorherige Registrierung unter www.gbf.de/influenza wird gebeten. Dort fin-den Sie auch das vollständige Programm der Veranstaltung.

Nähere Auskünfte gibt Ihnen die Pressestelle der GBF (Telefon: 0531/6181-508).


Bildunterschrift:
Das Influenza-Virus, Erreger der Grippe (schematische Darstellung). Grafik: GBF/ Britta Mießen

08.02.2006

Symposium für die Suche nach den besten Köpfen

16./17. Februar: Elite der Infektionsforscher versammelt sich in Hannover

Malaria und Pilzinfektionen, Virenvermehrung und Bakterien-Gene: Eine breite Palette von Themen rund um Krankheitserreger und ihre Erforschung wird Gegenstand eines öffentlichen Symposiums sein, zu dem sich Experten aus dem In- und Ausland am 16./17. Februar in Hannover treffen. Hauptziel der hochrangigen Tagung: Die Auswahl führender Wissenschaftler für das neue Zentrum für experimentelle und klinische Infektionsforschung, das in diesem Jahr in Hannover gegründet wird. Das Forschungszentrum ist ein Gemeinschaftsprojekt der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig.
Mit dem Institut wollen MHH und GBF eine enge und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung und klinisch-medizinischer Anwendung in Gang bringen. Forscher und Ärzte sollen dort in Teams gemeinsam Projekte bearbeiten.

„Die Ärzte in den Kliniken kennen genau die Probleme, die bei der Behandlung von Patienten auftauchen“, erklärt Prof. Rudi Balling, wissenschaftlicher Geschäftsführer der GBF. „Die Grundlagenforscher haben die Methoden und die technische Ausrüstung, diese Probleme zu lösen.“ Das Zentrum wird in den bisherigen Räumen des Max-Planck-Instituts für Experimentelle Endokrinologie auf dem Gelände der MHH untergebracht sein. „Die über Jahre aufgebaute Exzellenz an der MHH auf dem Gebiet der Infektionskrankheiten – auf der Erregerseite wie der Wirtsabwehrseite – findet in dieser Zusammenarbeit mit der hervorragenden Grundlagenforschung der GBF einen vorläufigen Höhepunkt in dem neuen Zentrum“, betont MHH-Präsident Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann.
Interessenten und Bewerber für die leitenden Funktionen in dem interdisziplinären Zentrum präsentieren sich und ihre Arbeit mit Kurzvorträgen im Rahmen des Symposiums an der MHH. Jeder der 26 Referenten wird einen zwanzigminütigen Kurzvortrag halten, auf den etwa zehn Minuten Diskussion folgen.

Begutachtet werden die Referate von einem Experten-Gremium, dem neben Mitgliedern der GBF und der MHH weitere renommierte Infektionsforscher aus Deutschland, den USA und Schweden angehören. Die fachliche Leitung liegt bei MHH-Präsident Prof. Dieter Bitter-Suermann und dem wissenschaftlichen Geschäftsführer der GBF, Prof. Rudi Balling.

 

Einzelheiten
Das „Symposium on Experimental and Clinical Infectious Disease Research“ findet im Hörsaal R des Gebäu-des I 6 der Medizinischen Hochschule Hannover (Theoretisches Gebäude II) statt. Jeder der beiden Seminarta-ge beginnt um 9 Uhr. Die Veranstaltung endet am Donnerstag, 16. Februar, gegen 18 Uhr und am Freitag, 17. Februar, gegen 17.30 Uhr.

Sämtliche Vorträge werden in englischer Sprache gehalten. Das Symposium ist öffentlich, der Zutritt steht jedem interessierten Bürger frei. Das genaue Programm des Symposiums finden Sie unter www.mh-hannover.de/aktuelles_presse.html. Nähere Auskünfte geben Ihnen die Pressestellen der GBF (0531/6181-508) und der MHH (0511/5326771).

02.05.2006

Bakterien mit den Waffen anderer Bakterien schlagen

Neues Antibiotikum wirkt gegen gefürchtete multiresistente Keime

Neue Hoffnung im Kampf gegen besonders hartnäckige Krankheitserreger: Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig haben einen neuartigen natürlichen Wirkstoff entdeckt, der verschiedene Arten von Bakterien am Wachsen hindert. Unter anderem wirkt die Substanz namens „MMA“ – kurz für 7-O-malonyl-Macrolactin A – gegen einige so genannte multiresistente Keime. Solche Erreger sind gegen mehrere verschiedene Antibiotika unempfindlich geworden und können deshalb mit Medikamenten kaum mehr bekämpft werden. Zu ihnen zählt der berüchtigte Stamm des Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus oder MRSA. Bakterien dieses Typs können unterschiedlichste Körpergewebe infizieren und dabei schwere Entzündungen auslösen.
Der neue Stoff, der das Wachstum von MRSA stoppt, wird in der Natur ausgerechnet von anderen Bakterien hergestellt: Keime der Spezies Bacillus subtilis, die im Erdboden vorkommen, bilden MMA und scheiden es in ihre Umgebung aus – möglicherweise um sich bei der Konkurrenz um nährstoffreiche Lebensräume gegen benachbarte Bakterien durchzusetzen. Die Braunschweiger Wissenschaftler, die – gemeinsam mit Kollegen aus Indonesien – das MMA in Bacillus subtilis gefunden und untersucht haben, beschreiben ihre Entdeckung in der jüngsten Ausgabe des Fachmagazins Antimicrobial Agents and Chemotherapy.




Mit MMA gegen MRSA

Die zunehmende Resistenz vieler Bakterienstämme gegen Antibiotika gilt gegenwärtig als eines der drängendsten Probleme der Medizin. „Antibiotika sind unsere schärfste Waffe gegen bakterielle Krankheitserreger“, erklärt die GBF-Forscherin Dr. Gabriella Molinari. „Wenn Bakterien gleich gegen ein halbes Dutzend verschiedener Antibiotika resistent werden – wie das bei MRSA geschehen ist – dann schlagen sie uns diese Waffe aus der Hand.“ Die Suche nach neuen Wirkstoffen, die Bakterien töten oder ihr Wachstum hemmen, ist deshalb eine entscheidende Herausforderung für die medizinische Forschung.
Von MMA versprechen sich die Wissenschaftler einiges: Die Substanz wirkt nicht nur gegen den gefürchteten MRSA, sondern auch gegen Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE), die Darmkrankheiten auslösen können, sowie gegen besonders gefährliche Varianten des Krankenhaus-Keims Burkholderia cepacia, der immungeschwächte Personen befällt und sich chronisch in ihrem Körper festsetzt. Vermutlich stört MMA bei all diesen Bakterien gezielt die Zellteilung.
Bevor MMA einmal in der Klinik eingesetzt wird, dürften allerdings noch einige Jahre vergehen. „Die Substanz muss nun zuerst einmal näher untersucht und gründlich erprobt werden“, erklärt GBF-Bereichsleiter Prof. Kenneth Timmis. „Dann müssen klinische Tests zeigen, ob sie sich wirklich als Medikament zum Einsatz am Menschen eignet.“



Hinweis für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: M. Romero-Tabarez, R. Jansen, M. Sylla, H. Lünsdorf, S. Häußler, D. Santosa, K. Timmis, G. Molinari. 7-O-Malonyl Macrolactin A, a New Macrolactin Antibiotic from Bacillus subtilis Active against Methicillin-Resistant Staphylococcus aureus, Vancomycin-Resistant Enterococci, and a Small-Colony Variant of Burkholderia cepacia. Antimicrob. Agents Chemother. 2006 50: 1701-1709.



Bildunterschriften

MMA01:
GBF-Wissenschaftlerin Dr. Gabriella Molinari.
Foto: GBF/Bierstedt

MMA02:
Suche nach neuen Antibiotika: Ein Labortest, der die wachstumshemmende Wirkung von Substanzen auf Bakterien ermittelt.
Foto: GBF/Bierstedt

MMA03:
Gefährlich und zunehmend unempfindlicher gegen Antibiotika: Der Erreger Staphylococcus aureus.
Foto: GBF/Manfred Rohde

24.05.2006

Das schiefe Pisa-Bild gerade rücken

Am 30. Mai: Braunschweiger Schülerlabor BioS begeht sein Jubiläum

Feierstunde im Biotechnologischen Schülerlabor "BioS": In diesem Monat wird die Hightech-Bildungseinrichtung für Schüler und Lehrer vier Jahre alt. Zum Jubiläum wird Hartmut Saager, Staatssekretär im Niedersächsischen Kultusministerium, am kommenden Dienstag, 30. Mai, erwartet. Er wird den 6000. Kursteilnehmer im BioS begrüßen. Die Veranstaltung beginnt um 10.30 Uhr.


Seit 2002 steht BioS auf dem Campus der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) Schülern der höheren Jahrgangsstufen offen, die sich für anspruchsvolle biowissenschaftliche Experimente interessieren. In den BioS-Kursen können die Schüler gentechnisches und immunologisches Arbeiten kennen lernen, für die den Schulen die technische Ausstattung fehlt. Auch Lehrer nutzen diese Angebote - für seine Konzepte zur Weiterbildung von Lehrkräften wurde BioS vor kurzem vom Institut für die Pädagogik in den Naturwissenschaften (IPN) mit 25 000 Euro gefördert.


"BioS fördert naturwissenschaftliches Denken und Arbeiten in authentischer Umgebung", beschreiben die drei BioS-Leiterinnen Dr. Iris Eisenbeiser, Stephanie Holland und Arntraud Meyer ihre Arbeit und ihre Mission. "Damit wirkt BioS dem schiefen Bild entgegen, das in der Öffentlichkeit durch die bisherigen Pisa-Studien - die allerdings mit sehr viel jüngeren Schülern ausgeführt wurden - entstanden ist."




Ablauf und Hinweise


Zu der Jubiläumsveranstaltung sind Vertreter der Medien herzlich eingeladen.


Gelegenheit zu einem Foto-Termin besteht bei der Begegnung des Staatssekretärs Hartmut Saager mit dem Schüler-Kurs (Beginn: gegen 11 Uhr).


Gelegenheit zu einem Gespräch mit den Beteiligten - Vertretern des Kultusministeriums, der Landesschulbehörde Abteilung Braunschweig, den BioS-Leiterinnen und dem Vorsitzenden des BioS-Vereins, Prof. Dr. Ralf Mendel - besteht bei einer anschließenden Aussprache (Beginn gegen 11.30 Uhr).


Die Veranstaltung endet gegen 12 Uhr.


Nähere Auskünfte erteilt Ihnen gerne die Pressestelle der GBF unter der Telefon-Nummer 0531/6181-508.


Das Biotechnologische Schülerlabor BioS


BioS ist ein Kooperationsprojekt der Landesschulbehörde Niedersachsen, der Technischen Universität Braunschweig und der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF). Drei Lehrkräfte sind teilweise in Vollzeit abgeordnet, um die Kursangebote für Schüler und Lehrer zu betreuen. Informationen unter www.gbf.de/bio-s

19.05.2006

Shampoo als Leibgericht

Wie Pseudomonas-Bakterien Hygiene-Attacken überstehen

Der Krankheitserreger Pseudomonas aeruginosa kann sich in den Atemwegen des Menschen oder in Wunden festsetzen und dort schwere Entzündungen auslösen. Da das Bakterium außerdem ausgesprochen widerstandsfähig ist und oft sogar die Behandlung mit gebräuchlichen Hygiene- und Pflegeprodukten überlebt, ist es mit vorbeugenden Hygienemaßnahmen nur schwer zu bekämpfen.


Einen Grund für diese Widerstandsfähigkeit haben Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) jetzt entdeckt: Der Keim sondert ein SdsA genanntes Verdauungsenzym ab, welches das Molekül SDS spaltet. SDS – kurz für Sodiumdodecylsulfat – ist ein Grundbestandteil vieler schäumender Pflege- und Hygieneartikel wie Zahnpasten, Shampoos und Duschgels. SDS ist für viele Bakterien tödlich. Aufgrund seiner seifenähnlichen Eigenschaften löst es ihre Zellmembran auf - wenn sie es nicht wie Pseudomonas aeruginosa durch SdsA unschädlich machen können. Seine Erkenntnisse hat das Forscher-Team, dem auch Wissenschaftler aus Göttingen und Darmstadt angehören, jetzt in der angesehenen Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences USA (PNAS) beschrieben.


Mittels Röntgenstrukturanalyse haben die Wissenschaftler den räumlichen Aufbau von SdsA mit atomarer Genauigkeit untersucht und können dem Enzym jetzt bei der Arbeit regelrecht zusehen. Die Forscher fanden heraus, dass die Bakterien die molekularen Bruchstücke des von SdsA gespaltenen SDS aufnehmen und als Nährstoffe nutzen.


Die Widerstandsfähigkeit gegen SDS und die Fähigkeit es sogar als Nahrung verwerten zu können ist ein Grund dafür, dass sich der Erreger auch dort ansiedelt, wo er eigentlich gar nicht gern gesehen ist: Man findet Pseudomonas aeruginosa zum Beispiel in Waschbecken, Spülmaschinen und sogar Shampooflaschen. „Neben der damit einhergehenden Gesundheitsgefährdung ist auch der entstehende wirtschaftliche Schaden nicht zu unterschätzen“, sagt GBF-Arbeitsgruppenleiter Dr. Wolf-Dieter Schubert. „Rückrufaktionen sind nicht nur teuer, sondern beschädigen auch das Image der betroffenen Unternehmen.“


Hinweise für die Medien


Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: G. Hagelüken, T. M. Adams, L. Wiehlmann, U. Widow, H. Kolmar, B. Tümmler, D. Heinz, W.-D. Schubert: The crystal structure of SdsA1, an alkylsulfatase from Pseudomonas aeruginosa, defines a third class of sulfatases. Proceedings of the National Academy of Sciences, 2006, Vol. 103, N. 20, pp. 7631-7636.




Bildunterschriften


Sdsa_01
Die Raum-Struktur des SDS-abbauenden Enzyms SdsA des Krankheitserregers Pseudomonas aeruginosa. Die Darstellung ist als Bändermodell wiedergegeben. Im Hintergrund ist die Verteilung einzelner Atome im Kristall zu erkennen.


Sdsa_02
Eine schematische Darstellung der SdsA-Raumstruktur als Bändermodell. Die hellgelben Kugeln repräsentieren zwei Zink-Ionen die für die Spaltung des SDS wichtig sind. Die verschiedenen Regionen der Struktur, jeweils mit eigener Funktion, sind farblich gekennzeichnet: blau (Katalyse), orange (Einsammeln der zu spaltenden SDS-Moleküle) und grün (bindet zwei SdsA-Moleküle zu einer aktiven Einheit zusammen).


Sdsa_03 (Foto: GBF /Bierstedt)
Das katalytische Zentrum des Enzyms SdsA: Zwei Zink-Ionen (gelbe Kugeln) aktivieren zwei Wassermoleküle (rote Kugeln) damit letztere das SDS-Molekül (beige) – von den orange-farbenen Aminosäuren gehalten – angreifen und spalten können. Die Spaltprodukte des SDS (blass blau/grün) verbleiben zunächst noch im Enzym, bevor sie an die Umgebung abgegeben werden.

MWPI_2005_Lab19_dhs (Foto: GBF /Bierstedt)
GBF-Wissenschaftler Wolf-Dieter Schubert in seinem Labor.

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12.05.2006

Geld und Ehre für das Braunschweiger Schülerlabor

„BioS“ auf dem GBF-Gelände wird mit 25 000 Euro ausgezeichnet

Das Biotechnologische Schülerlabor BioS in Braunschweig zählt zu den besten in Deutschland – insbesondere, was die Leistungen bei der Lehrerfortbildung angeht. Zu diesem Schluss kam ein unabhängiges Gutachter-Gremium, das im Auftrag des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel (IPN) vorbildliche Schülerlabore auszeichnete. BioS erhält eine Förderung in Höhe von 25 000 Euro. Damit ist ein groß angelegtes Lehrerfortbildungsprojekt im kommenden Schuljahr gesichert.


Seit 2002 steht BioS auf dem Campus der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) Schülern der höheren Jahrgangsstufen offen, die sich für anspruchsvolle biowissenschaftliche Experimente interessieren. In den BioS-Kursen können die Schüler gentechnische und immunologische Arbeiten kennen lernen, für die den Schulen die technische Ausstattung fehlt. Vaterschafts-Tests per DNA-Unterschung, Typisierungen wie sie vor einer Knochenmark-Transplantation erforderlich sind, Analyse der Qualität von Lebensmitteln mit Methoden der Gentechnologie: Die bearbeiteten Fragestellungen sind praxisnah und erfordern den Umgang mit Hightech-Laborausrüstung.


Die Nachfrage ist gewaltig: „Weit mehr als 5000 Schüler haben seit Bestehen des BioS an unseren Experimentalkursen teilgenommen. Schülergruppen müssen etwa ein Jahr im Voraus angemeldet werden“, sagt Stephanie Holland, eine der drei BioS-Leiterinnen. Nicht nur Schüler zählen zur BioS-Klientel – auch Biologie-Lehrer nutzen Fortbildungsangebote des BioS, um ihre Kenntnisse in den sich schnell entwickelnden Lebenswissenschaften auf den neuesten Stand zu bringen. Das ausgezeichnete Projekt „Fortbildung macht Schule“ greift die starke Nachfrage nach Lehrerfortbildungskursen auf, die fächerübergreifend im Herbst 2006 angeboten werden. „Fast alle Lehrkräfte sind von unseren Fortbildungen so beeindruckt, dass sie zum selben Thema anschließend gleich auch mit ihren Schülern zu uns kommen wollen“, erklärt BioS-Leiterin Dr. Iris Eisenbeiser. Das war mit ein Grund für die Ehrung und das Preisgeld, das die IPN-Jury dem Braunschweiger Schülerlabor zusprach: Mit der Aktion „L³: Lehrerbildung am Lernort Labor“ fördert das IPN ausgewählte Schülerlabore, die auch bei der Weiterbildung von Lehrkräften Vorbildliches leisten.


„Um diese Förderung haben sich 85 Schülerlabor-Projekte aus ganz Deutschland beworben, und nur elf sind ausgewählt worden – unser Konzept für Lehrerfortbildungen hat die Jury überzeugt“, berichtet BioS-Leiterin Arntraud Meyer. Doch wichtiger als die Ehre ist den BioS-Lehrerinnen, dass sie mit dem Preisgeld ihre erfolgreiche Arbeit weiterführen können: „Mit diesen Mitteln sind der personelle und materielle Mehreinsatz für die Lehrerkurse sowie die nachfolgenden Schülerkurse gesichert“, freut sich Arntraud Meyer.



Über das Biotechnologische Schülerlabor BioS und das IPN

BioS ist ein Kooperationsprojekt der Landesschulbehörde Niedersachsen, der Technischen Universität Braunschweig und der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF). Drei Lehrkräfte sind von ihren Gymnasien abgeordnet, um das Labor zu leiten und die Kursangebote für Schüler und Lehrer zu betreuen. Das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften an der Universität Kiel (IPN) unterstützt zahlreiche Projekte, die sich um die praxisnahe und lebendige Vermittlung naturwissenschaftlichen Wissens bemühen und Schüler für die Forschung begeistern wollen.



Bildunterschriften

GBF-Schülerlab 2
Die geistigen "Zieheltern" des Biotechnologischen Schülerlabors BioS: Die Betreuerinnen Arntraud Meyer (links) und Dr. Iris Eisenbeiser sowie Professor Ralf Mendel von der TU Braunschweig.
Foto: GBF/Ammerpohl

GBF-Schülerlab 3
Jugend übt Forschen: Schüler von niedersächsischen Gymnasien erlernen im biotechnologischen Schülerlabor BioS den Umgang mit einem Photometer.
Sitzend: Ilka Vosteen (Gymnasium Sulingen), Elmar Schiertz (Roswitha-Gymnasium Bad Gandersheim), stehend: Alex Bayerle (Roswitha-Gymnasium Bad Gandersheim), Susanne Kastens (Gymnasium Sulingen).
Foto: GBF/Ammerpohl

Eroeffnung_BioS4
Eröffnungstag des Schülerlabors im Frühjahr 2002: Schüler beladen ein Agarose-Gel. Im Bild: Annika Schmidt, Svenja Albrecht und Benjamin Wille - Baumkauf.
Foto: GBF/Ammerpohl

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05.05.2006

Ein Mittel, das Krankheitserreger zähmt

Medikament AZM stört Informationsfluss zwischen Pseudomonas-Bakterien

Das Medikament Azithromycin (kurz: AZM) kann krankheitserregende Bakterien im Zaum halten: Es wirkt auf Keime der Gattung Pseudomonas aeruginosa, die besonders für lungenkranke Menschen gefährlich sind, und hindert sie daran, aggressiv und zerstörerisch zu werden. Das haben Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig jetzt herausgefunden. AZM blockiert den Mechanismus, mit dem die Bakterien „messen“, wie viele sie sind. Ergebnis: Die Erreger bekommen sozusagen gar nicht mit, wie zahlreich und stark sie bereits geworden sind – und schieben den großen Angriff weiter hinaus.
Pseudomonas aeruginosa kann lästige und hartnäckige Lungeninfektionen verursachen. Zur schweren, oft tödlichen Bedrohung wird das Bakterium vor allem für Menschen, die an der angeborenen Krankheit Mukoviszidose leiden. Bei der Mukoviszidose (englisch: Cystic Fibrosis oder CF) ist die Lungenfunktion beeinträchtigt; das Abhusten von Partikeln und Bakterien mit dem Bronchialschleim funktioniert nicht im erforderlichen Maß. Im zähflüssigen Lungensekret der Mukoviszidose-Patienten findet Pseudomonas aeruginosa günstige Lebensbedingungen und kann sich leicht festsetzen. „Viele Menschen mit dieser Erkrankung infizieren sich irgendwann mit Pseudomonas aeruginosa – und werden den Erreger dann nicht mehr los“, erklärt die GBF-Wissenschaftlerin Dr. Susanne Häussler. „Pseudomonas aeruginosa ist bei ihnen die häufigste Todesursache.“ Viele, die sich den Keim einfangen, müssen für längere Zeit damit leben: „Antibiotika helfen oft nicht, weil sich Pseudomonas im zähen Bronchialschleim der Kranken regelrecht verschanzt“, sagt Häussler.
Das Medikament AZM, das zur Klasse der Macrolide gehört, kann Pseudomonas aeruginosa zwar nicht abtöten, aber der Erreger bleibt vergleichsweise „gutartig“ und geht nicht dazu über, Lungengewebe massiv und großflächig zu zerstören, was bei Muskoviszidose-Kranken meist zum Tod führt.
Den zugrunde liegenden Mechanismus haben Susanne Häussler und ihre Forscherkollegen jetzt aufgeklärt; ihre Ergebnisse beschreiben sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Antimicrobial Agents and Chemotherapy. „AZM stört das so genannte Quorum Sensing der Bakterien“, erklärt Häussler, „also den Mechanismus, mit dem sie feststellen, wie dicht ihre Zellen bereits gewachsen sind.“ Erst ab einem gewissen Schwellenwert wird der Erreger „virulent“: Er setzt nicht mehr auf unbemerktes Wachstum im Verborgenen, sondern breitet sich aggressiv aus und lässt es auf die Konfrontation mit dem menschlichen Immunsystem ankommen. Die Erkenntnis, so glaubt Häussler, könnte langfristig bei der Suche nach neuen Wirkstoffen gegen chronische Infektionen mit Pseudomonas aeruginosa helfen: „In vielen Fällen ist es fast unmöglich, Pseudomonas in der Lunge von Mukoviszidose-Patienten ganz abzutöten“, sagt die GBF-Forscherin. „Aber wir können den Zustand der Patienten stabilisieren und ihre Chancen verbessern, wenn wir gezielt nach Substanzen suchen, die das Quorum Sensing der Erreger stören. Und wenn das Immunsystem lange genug Zeit hat, kann es in einigen Fällen sogar selbst wirkungsvoll gegen den Erreger vorgehen.“



Hinweise für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: Y. Nalca, L. Jänsch, F. Bredenbruch, R. Geffers, J. Buer, S. Häussler: Quorum Sensing antagonistic activities of Azithromycin in Pseudomonas aeruginosa PAO1: a global approach. Journal of Antimicrobial Agents and Chemotherapy., May 2006, volume 50, Issue 5.
Bildmaterial zum Thema finden Sie unter www.gbf.de/presseinformationen

 

Bildunterschriften

„Pseudom01“
Häufigste Todesursache bei Mukoviszidose-Kranken: Das Bakterium Pseudomonas aeruginosa.
Foto: GBF/Rohde

„QuorumTeam”
“Der Kommunikation zwischen Pseudomonas-Bakterien auf der Spur: Die GBF-Wissenschaftler Dr. Yusuf Nalca und Dr. Susanne Häußler.
Foto: GBF/Gramann”

 

13.12.2005

Zersetzendes aus dem Kuhmagen

Forscher entdecken vielversprechende neue Bakterien-Enzyme

Mit den Methoden der so genannten „Metagenomik“ haben Forscher jetzt die biochemischen Abläufe im Kuhmagen untersucht. Was sie dabei fanden, macht auch die Pharma-Industrie neugierig: Die Wissenschaftler entdeckten 22 bislang unbekannte Enzyme – Biomoleküle, die gezielt bestimmte chemische Reaktionen auslösen und beispielsweise für den Abbau von Pflanzenfasern wichtig sind. Einige dieser Enzyme, die von Mikroorganismen produziert werden, könnten für industrielle Verfahren genutzt und etwa in der Futtermittelproduktion oder der Medikamentenentwicklung eingesetzt werden. Seine Entdeckungen beschreibt das Forscherteam, zu dem neben Wissenschaftlern der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) und der Technischen Universität Braunschweig auch Kollegen aus Spanien und Neuseeland gehören, in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Environmental Microbiology.
Im Pansen, dem ersten und größten ihrer vier Mägen, beherbergen Wiederkäuer eine große Zahl verschiedenartiger Bakterien und Pilze. Deren Aufgabe ist es vor allem, lange, schwer verdauliche Pflanzenfasern zu zersetzen, was die Tiere ohne die Hilfe von Mikroorganismen nicht könnten. Welche Bakterien hier genau am Werke sind, ist allerdings nur zu einem kleinen Teil bekannt. Der Grund: Die meisten der Kleinstlebewesen im Kuhmagen lassen sich nicht im Labor züchten und folglich auch nicht studieren. „Als Lebensraum“, erklärt der Mikrobiologe und GBF-Bereichsleiter Prof. Kenneth Timmis, „ist der Pansen der Kuh ähnlich schwer zu untersuchen wie der Meeresboden.“

Metagenomik: Stöbern in Massen von DNA-Schnipseln

Seit die Forschung über gentechnische Methoden verfügt, kann sie jedoch zumindest die Erbinformation der Mikroorganismen näher unter die Lupe nehmen. Als Metagenomik bezeichnet man dabei das Vorgehen, die gesamte Erbsubstanz, die man in einer Probe aus einem bestimmten Lebensraum findet, zu isolieren. Die DNA, die man dabei erhält, stammt von den unterschiedlichsten Organismen, bekannten wie unbekannten. Diese gesammelte Erbsubstanz wird in Fragmente zerlegt, die man in „gezähmte“ Bakterien einschleust und von diesen ablesen lässt. Biochemische Testverfahren geben dann Aufschluss darüber, welche Gene auf den betreffenden DNA-Schnipseln liegen und was sie bewirken.
So verfuhren die GBF-Forscher und ihre Kollegen mit einer Probe, die sie dem Pansen einer Milchkuh entnommen hatten. Unter dem DNA-Material aus Dutzenden teilweise noch unbekannten Bakterien fanden sie dabei auch Gene für einige neuartige Enzyme, mit denen die Kleinstorganismen Pflanzenfasern auflösen können. Enzyme steuern chemische Reaktionen sehr spezifisch und mit wenigen Nebenwirkungen; manche von ihnen lassen sich deshalb gezielt für chemische Verfahren einsetzen. Die neu gefundenen Enzyme aus dem Pansen könnten möglicherweise genutzt werden, um Pflanzen besser in Rohmaterial für industrielle Prozesse umzuwandeln.
„Man nimmt an, dass Mikroorganismen 90 Prozent aller Lebensformen auf der Erde stellen“, erklärt GBF-Wissenschaftler Dr. Peter Golyshin. „Unsere Arbeit hat gezeigt, dass diese Mikroorganismen ein enormes Potenzial haben: Man kann in ihnen völlig neue Enzyme mit ungewöhnlichen Eigenschaften finden – und voraussichtlich auch Wirkstoffe, die sich für medizinische Anwendungen eignen.“
Für Prof. Timmis sind die Anwendungsmöglichkeiten der Metagenomik noch nicht einmal annähernd ausgeschöpft: „Auf der Oberfläche von Pflanzen und der Haut von Menschen und Tieren leben die verschiedensten mikrobiellen Gemeinschaften“, erklärt Timmis, „ebenso wie im Verdauungstrakt. Diese komplexen Lebensgemeinschaften spielen eine entscheidende Rolle für die Gesundheit und die Nahrungsmittelverwertung.“
Die Organismen in diesem bakteriellen Beziehungsgeflecht zu identifizieren und zu erforschen ist von höchstem Interesse für Medizin, Landwirtschaft und Ernährungswissenschaft. „Gegenwärtig planen Forschungszentren und Hochschulen aus mehreren Ländern, in einem internationalen Projekt das Metagenom des Menschen zu erforschen – also die DNA der Bakterien von Haut, Darmoberfläche, Atemwegen und so fort“, sagt Timmis. „Unsere Forschungen am Metagenom des Pansens hat wichtige Vorarbeiten für dieses Projekt geleistet.“

 

Hinweis für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: M. Ferrer, O. Golyshina, T. Chernikova, A. Khachane, V. Martins Dos Santos, C. Strompl, K. Elborough, G. Jarvis, A. Neef, M. Yakimov, K. Timmis, P. Golyshin. Novel hydrolase diversity retrieved from a metagenome library of bovine rumen microflora. Environmental Microbiology (2005), 7(12), 1996-2010.

 

Hintergrundinformation

Die beschriebenen Forschungen wurden ausgeführt von der GBF, der Technischen Universität Braunschweig, dem Institute of Catalysis (CSIC) in Madrid/Spanien und dem neuseeländischen Biotechnologieunternehmen ViaLactia Biosciences. Unterstützt wurde das Projekt aus Mitteln der Europäischen Union, des Spanischen Forschungsministeriums, des Fonds der Chemischen Industrie und von ViaLactia. Die patentrechtlichen Über-einkünfte zwischen ViaLactia Biosciences und den beteiligten Forschungsinstituten vermittelte die Ascenion GmbH, die Patentmanagement-Agentur mehrerer deutscher Forschungszentren.



Bildunterschrift

Elektronenmikroskopische Aufnahme einer abgebrochenen Pflanzenfaser. Die Bruchstelle, hier in der Draufsicht abgebildet, wimmelt von Pansenbakterien, die als kleine Knöllchen zu erkennen sind. Die Bakterien bauen das Pflanzenfaser-Material ab, so dass die Kuh dessen Nährstoffe verwerten kann.
Foto: GBF/ Heinrich Lünsdorf

 

02.11.2005

Bakterienforscher und Immunologen erklären ihre Arbeit

Die GBF lädt am Samstag zum Tag der offenen Tür

Wie man Gene ein- und ausschalten kann, wie man mit einem Elektronenmikroskop Bilder von Bakterien macht oder die Struktur von Molekülen enträtselt: All das können sich Wissbegierige am Tag der offenen Tür bei der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) genauer ansehen. Am Samstag, 5. November, von 9 bis 16 Uhr geben die GBF-Wissenschaftler in zahlreichen Führungen Einblick in die Arbeit des Braunschweiger Infektionsforschungszentrums.
Rundgänge werden zwischen 9 Uhr und 14 Uhr angeboten und beginnen zu jeder vollen Stunde. Dabei können sich die Besucher beispielsweise die Sequenzier-Roboter zeigen lassen, mit denen Forscher die Abfolge der menschlichen DNA-Bausteine untersuchen. Andere Führungen informieren über die Methoden, mit denen Mikrobiologen neue Wirkstoffe für Antibiotika in Bakterienkulturen aufspüren. Auch Verfahren, mit denen man die Rolle bestimmter Protein-Moleküle bei einer Infektion aufklärt, werden gezeigt.
Sonderführungen unter dem Motto „Kälte, Strom und Dampf“ finden in den Großanlagen des technischen Betriebes der GBF statt. Die Biologie- und Chemielaboranten des Instituts bieten einen ganz besonderen Einblick in die Ausbildung an: Wer Lust hat und interessiert ist, kann hier einmal selbst im Labor experimentieren. Auch das Biotechnologische Schülerlabor BioS stellt sich um 11 und um 14 Uhr vor.
Parallel zu den Führungen bieten Wissenschaftler den ganzen Tag im großen Saal des GBF-Forums Vorträge an, in denen sie allgemein verständlich ihre tägliche Arbeit erklären. Den Abschluss des Tages der offenen Tür bildet um 15 Uhr der Vortrag „Infektionsforschung der Zukunft: Vom Reagenzglas zum Computer“ von Professor Rudi Balling, dem wissenschaftlichen Direktor der GBF.


Hinweis


Nahezu sämtliche Parkplätze der GBF werden am Tag der offenen Tür für Besucher reserviert sein. Da die Parkfläche auf dem GBF-Campus aber insgesamt begrenzt ist, empfiehlt es sich – falls möglich – auf die öffentlichen Verkehrsmittel auszuweichen.

17.10.2005

Zu Gast im Forschungslabor

Die GBF lädt am Samstag, 5. November, zum Tag der offenen Tür

Infektionsforschern bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen: Dazu lädt die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung in Braunschweig (GBF) an ihrem Tag der offenen Tür alle interessierten Bürger ein. Am Samstag, 5. November, können sich Besucher von 9 bis 16 Uhr in den Laboren der GBF umfassend über die Projekte des Forschungszentrums in Stöckheim informieren.
Zu jeder vollen Stunde zwischen 9 und 14 Uhr beginnen Führungen zu sieben verschiedenen Schwerpunkten. Die Wissenschaftler zeigen dabei unter anderem, wie man unter sterilen Bedingungen mit Bakterien arbeitet, wie man spezielle Gene findet oder Wirkstoffe für klinische Tests in staub- und keimfreien Reinsträumen herstellt. Parallel dazu stellen GBF-Forscher ihre Forschungsprojekte im Vortragssaal des Forums für jedermann verständlich dar. Um 15 Uhr hält der wissenschaftliche Direktor der GBF, Professor Rudi Balling, einen Vortrag zum Thema „Systembiologie und Infektionsforschung“.

Selbst experimentieren


Sonderführungen unter dem Motto „Kälte, Strom und Dampf“ finden in den Großanlagen des technischen Betriebes der GBF statt. Die Biologie- und Chemielaboranten des Instituts bieten einen ganz besonderen Einblick in die Ausbildung an: Wer Lust hat und interessiert ist, kann hier einmal selbst im Labor experimentieren. Im Biotechnologischen Schülerlabor BioS erhalten Besucher um 11 und 14 Uhr sogar Gelegenheit, eigenhändig die Erbsubstanz DNA aus Früchten zu isolieren. Anmeldelisten für diese angeleiteten Versuche werden am Tag der offenen Tür im Forum der GBF ausliegen.



Hinweis


Nahezu sämtliche Parkplätze der GBF werden am Tag der offenen Tür für Besucher reserviert sein. Da die Parkfläche auf dem GBF-Campus aber insgesamt begrenzt ist, empfiehlt es sich, auf die öffentlichen Verkehrsmittel auszuweichen.

22.09.2005

Der Stoff, von dem das Leben abhängt

GBF-Wissenschaftler analysieren Enzym-Struktur für die Blutfarbstoffbildung

Häm heißt der rote Farbstoff, von dem das Leben abhängt. Er ist ein wichtiger Bestandteil menschlichen und tierischen Blutes und transportiert den lebenserhaltenden Sauerstoff von der Lunge in das Gewebe. Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) und der Technischen Universität Braunschweig (TU) haben jetzt die dreidimensionale Struktur des Enzyms aufgeklärt, das den ersten Schritt der Hämbildung im Körper katalysiert. „Mit unserem Projekt konnten wir ein Stück Wissenschaftsgeschichte abschließen“, erklärt GBF-Bereichsleiter Professor Dirk Heinz: Mit ALAS – so der wissenschaftliche Name des Moleküls – seien nun die Strukturen aller an der Häm-Bildung beteiligten Enzyme bekannt. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift EMBO Journal.
Die Herstellung von Häm ist im menschlichen oder tierischen Körper wie eine Fließbandarbeit organisiert: Insgesamt zehn Enzyme haben im Produktionsprozess jeweils eine bestimmte Aufgabe. Sie erhalten vom vorgeschalteten Enzym ein Zwischenprodukt, verändern es gezielt und reichen es dann an das nächste Enzym in der Kette weiter. ALAS (5-Aminolevulinat-Synthase) habe dabei eine besondere Bedeutung, stellt TU-Professor Dieter Jahn fest: „Da dieses Enzym im Syntheseweg an erster Stelle steht, stört eine defekte ALAS die Blutbildung entscheidend. Krankheiten wie Anämien sind die Folge.“
Ursache für eine beeinträchtigte ALAS ist ein Defekt auf dem X-Chromosom. Menschen, die davon betroffen sind, leiden an einer schweren Anämie: Obwohl sie keinen Eisenmangel haben – die häufigste Ursache für diese Krankheiten – bildet ihr Körper nur unzureichend roten Blutfarbstoff und wird schlechter mit Sauerstoff versorgt. Symptome reichen von blasser Haut, Müdigkeit oder Konzentrationsschwäche bis zu schweren Organschäden auf Grund einer toxischen Eisenanreicherung im Gewebe. Den Betroffenen können die Erkenntnisse der Wissenschaftler langfristig helfen: „Mit der nun bekannten ALAS-Struktur wird es möglich, die Ursachen dieser Anämie viel besser zu verstehen, die Symptome zu erklären und später die Therapie zu verbessern“, so Arbeitsgruppenleiter Dr. Wolf-Dieter Schubert.
Möglich gemacht hat die Strukturanalyse der ALAS ein Trick der Evolution: An einem biologischen Mechanismus, der sich als erfolgreich erwiesen hat, hält das Leben über Milliarden von Jahren hinweg fest. So auch bei der Biosynthese von Häm: ALAS findet sich schon bei evolutionär sehr alten Bakterien, den so genannten Proteobakterien, die das „Produktionsverfahren“ für die Farbstoffe, zu denen auch das Häm gehört, in der Frühzeit des Lebens vor 3,5 Milliarden Jahren entwickelt haben. Für Ihre Untersuchungen konnten die GBF-Wissenschaftler deshalb auf bakterielle ALAS zurückgreifen: Sie ähnelt dem menschlichen Enzym sehr stark – und ist so stabil, dass man es für die strukturanalytischen Untersuchungen aufbereiten kann.



Hinweis für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel:
Isabel Astner, Jörg O. Schulze, Joop van den Heuvel, Dieter Jahn, Wolf-Dieter Schubert and Dirk W. Heinz: Crystal structure of 5-aminolevulinate synthase, the first enzyme of heme biosynthesis, and its link to XLSA in humans. The EMBO Journal (2005) 24, 18, 3166-3177



Bildunterschriften

ALAS: Schematische Darstellung des Enzyms "ALAS" Es besteht aus zwei Untereinheiten: Eine Untereinheit ist farbig, die andere grau dargestellt.
ALAS mutiert: Jede Mutation (Änderung des Moleküls) des Enzyms ALAS, die zur Ausbildung einer schweren Anämie führt, ist als farbige Kugel dargestellt.

09.09.2005

Wenn Viren die menschliche Leber befallen

23. September: Öffentlicher Vortrag über Hepatitis und ihre Bekämpfung

Langjährige chronische Infektionen, Leberzirrhose, Leberkrebs: Die Folgen einer Hepatitis können gravierend sein. Dabei handelt es sich keineswegs um seltene Krankheitsbilder: Mehr als 400 000 Menschen, so schätzen Experten, leiden allein in Deutschland an chronischer Hepatitis C. Die verschiedenen Formen der Hepatitis, ihre Erreger sowie die Strategien von Forschung und Medizin zu ihrer Bekämpfung sind das Thema eines öffentlichen Vortrags, den Professor Michael Manns von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) am Freitag, 23. September, 20 Uhr halten wird. Manns leitet an der MHH die Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie. Sein Referat mit dem Titel „Infektiöse Lebererkrankungen als globales Problem“ wird im Kongresssaal der Industrie- und Handelskammer Braunschweig, Brabandtstraße 11 (Eingang über die Freitreppe am Altstadtmarkt) zu hören sein. Es richtet sich an ein breites Publikum ohne medizinische Fachkenntnisse, der Eintritt ist frei.
Fünf Erregertypen sind für die meisten entzündlichen Lebererkrankungen verantwortlich: Die Hepatitis-Viren A, B, C, D und E. Die ersten drei von ihnen gelten als besonders problematisch. Hepatitis A ist eine häufige Reisererkrankung, Hepatitis B eine schwere, weltweit verbreitete Infektion, die sich über Blut und durch Sexualkontakte überträgt. Gegen beide Virentypen gibt es heute wirksame Impfstoffe.
Nicht so bei der Hepatitis C: Hier konnten bislang keine Impfungen entwickelt werden, weil das Virus nur Menschen befällt. Die Erprobung eines Impfstoffs an Tieren ist deshalb noch nicht möglich. Hier wollen die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig und die MHH gemeinsam mit dem renommierten Pasteur-Institut in Frankreich und anderen internationalen Partnern mit einem neuen Forschungsansatz Abhilfe schaffen. Auch dieses Projekt, das die Bill and Melinda Gates-Stiftung mit neun Millionen Dollar fördert, wird Prof. Manns in seinem Vortrag erläutern.
Der öffentliche Vortrag findet im Rahmen der Tagung „Genetics of Infection“ statt, zu der sich zwischen 21. und 24. September Experten aus dem In- und Ausland an der GBF treffen. Der von der Gesellschaft für Genetik veranstaltete Kongress befasst sich vor allem mit den Zusammenhängen zwischen ererbten Faktoren und der Anfälligkeit für Krankheitserreger.



Hinweis für die Medien

Nähere Informationen erhalten Sie von der Pressestelle der GBF unter der Telefon-Nummer 0531/6181-508.

08.09.2005

Spannende Welt der Biomoleküle

Strukturbiologen aus aller Welt treffen sich in Murnau

Das idyllische Murnau im bayerischen Alpenvorland wird Gastgeber einer internationalen Konferenz: Von Donnerstag, 15. September, bis Samstag, 17. September, versammeln sich hier im „Blauen Land“ am Staffelsee Strukturbiologen aus aller Welt, um ihre neuesten Daten zur Vielfalt molekularer Wechselwirkungen in Lebensprozessen vorzustellen. Organisiert wird die „Murnau Conference in Structural Biology of Molecular Recognition“ von einem deutschen Wissenschaftler-Team unter der Leitung von Professor Dirk Heinz, Bereichsleiter der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig. Schauplatz der Tagung unter dem Motto „Molekulare Wechselwirkungen“ wird das Murnauer Konferenzzentrum sein.
Die Strukturbiologie gilt als eine der zentralen Säulen in den modernen Lebenswissenschaften. Über apparativ sehr aufwändige Messverfahren gelingt es den Wissenschaftlern, den dreidimensionalen Aufbau hochkomplexer Moleküle – etwa von Proteinen, den „Bausteinen des Lebens“, oder der Erbsubstanz DNA – mit hoher Präzision zu ermitteln. In der industriellen Forschung ermöglichen die Methoden der Strukturbiologie das so genannte „Rational Drug Design“: Dabei werden bekannte Strukturinformationen genutzt, um Wirkstoffmoleküle gezielt zu optimieren und sie so zum marktreifen Medikament zu entwickeln.
Trotz konkurrierender Veranstaltungen haben sich bereits fast 200 Wissenschaftler für die Murnau-Konferenz angemeldet. International bekannte Strukturbiologen und Biochemiker konnten für Plenarvorträge gewonnen werden. Neben den etablierten Wissenschaftlern wird auch jungen Forschern die Gelegenheit gegeben, ihre Ergebnisse auf dem großen Parkett zu präsentieren. Vervollständigt wird die Konferenz durch eine umfangreiche Industrieausstellung im Foyer des Konferenzzentrums, die über die neuesten Geräte, Methoden und Trends auf dem Feld der Strukturbiologie informiert.
Die Tagung soll kein einmaliges Ereignis bleiben: „Wir wollen in Murnau eine hochkarätige Strukturbiologiekonferenz etablieren“, erklärt Prof. Heinz. Sie soll alle zwei Jahre mit wechselndem Themenschwerpunkt stattfinden. „Damit wird ein Forum für die sehr erfolgreiche Strukturbiologie in Europa geschaffen - und im Vergleich zu ähnlichen Konferenzen in
Übersee eine wichtige Lücke geschlossen.“



Hinweise für die Medien

Prof. Dirk Heinz, der Leiter des Organisationsteams, steht während der Konferenz oder auch vorab für Interviews zur Verfügung. Terminabsprachen bitte unter Telefon 0531/6181-508.
Weitere Informationen zur Murnau-Konferenz finden sie über das Internet unter: www.murnauconference.de

05.09.2005

Terminhinweis: Geld und Ehrung für die Forscher von morgen

Die Sieger des BundesUmweltWettbewerbs werden an der GBF ausgezeichnet

Sind die Speisepilze im Wald vor unserer Haustür radioaktiv belastet? Wie plant und baut man eine Sonnenenergie-Anlage? Welche Libellenarten findet man noch am Dorfteich und welche sind bereits verschwunden? Mit Fragen wie diesen befassen sich Schülerinnen und Schüler im Alter ab 16 Jahren beim jährlichen „BundesUmweltWettbewerb“ (BUW). Die Sieger der Wettbewerbsrunde 2004/2005 werden jetzt in Braunschweig geehrt: Am Freitag, 16. September, nehmen sie ihre Auszeichnungen im Forum der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) entgegen. Die Veranstaltung beginnt um 10 Uhr.
Der BUW findet seit 1990 statt. Veranstalter ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung, organisiert werden Wettbewerb und Preisverleihung vom Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften (IPN) in Kiel. Einzelne Schüler oder kleine Gruppen, die sich gemeinsam einem Forschungsprojekt widmen, reichen ihre Arbeiten bis zum 15. März eines jeden Jahres in schriftlich ausgearbeiteter Form ein. In diesem Jahr werden drei Hauptpreise verliehen. Zwei davon in Höhe von je 1500 Euro stiftet das Bundesforschungsministerium, einen Hauptpreis in Höhe von 3000 Euro vergibt die Rütgers-Stiftung. Daneben verleiht die Jury noch mehrere Sonder- und Förderpreise. Damit es bis zum Schluss spannend bleibt, werden die Namen der Sieger und Siegerinnen erst am Tag der Preisverleihung bekannt gegeben.
Faszination Forschung
Zur Siegerehrung in den Räumen der GBF werden nicht nur Schülern aus ganz Deutschland erwartet, sondern auch Vertreter von Politik, Bildung und Forschung. Neben Corinna Brüntink, im Bundesforschungsministerium zuständig für die Begabtenförderung, werden Braunschweigs Bürgermeisterin Inge Kükelhan und der wissenschaftliche Geschäftsführer der GBF, Prof. Rudi Balling, Grußworte sprechen. Ein vieldiskutiertes Thema behandelt der GBF-Wissenschaftler Prof. Jan Buer in seinem Vortrag „Vogelgrippe und SARS – sind wir vorbereitet?“
„Wir freuen uns, dass wir als Gastgeber dieser Preisverleihung dazu beitragen können, Jugendlichen etwas von der Faszination der Forschung zu vermitteln“, sagt GBF-Leiter Rudi Balling. „Vielleicht ist ja manch einer der jungen Preisträger von heute ein Wissenschaftler-Kollege von morgen – das wäre ein schöner Erfolg.“

26.08.2005

Vitamin D macht aufgeputschte Fresszellen müde

Wie ein neu erforschter Mechanismus Entzündungen unter Kontrolle hält

Wenn die Fresszellen des Immunsystems besonders aktiv werden, beginnen sie einen Hemmstoff zu produzieren, der auf sie selbst wirkt und ihre Aktivität wieder dämpft. Das haben Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig jetzt gemeinsam mit Kollegen in Hannover und Münster herausgefunden. Der Hemmstoff ist für Forscher und Ärzte ein „alter Bekannter“: Das Vitamin D3, früher vor allem für seine Rolle beim Knochenaufbau bekannt. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Wissenschaftler jetzt in der Fachzeitschrift Blood.

Fresszellen oder Makrophagen sind im Immunsystem gleichsam die Kampftruppe fürs Grobe. Sie patrouillieren durch Blutbahn und Lymphgewebe und verleiben sich alles ein, was sie nicht kennen – ob Bakterien, Zerfallsprodukte oder Schmutzpartikel. Die Trümmer dessen, was sie gefunden haben, bringen sie dann zu anderen spezialisierten Immunzellen, die sie genauer untersuchen und feststellen, ob dem Organismus Gefahr droht.

Ist das der Fall, so setzt der Körper Interferon- γ frei – ein chemisches Alarmsignal, das die Makrophagen erst so richtig „scharf“ macht. Sie sammeln sich jetzt am Ort der Bedrohung und setzen das ganze Arsenal ihrer biochemischen Waffen gegen die Fremdkörper ein. Dazu gehört etwa ätzendes Peroxid, mit Hilfe dessen sie aufgefressene Eindringlinge verdauen und damit unschädlich machen. Das jeweilige Organ oder Gewebe, in dem die Abwehr-Zellen jetzt wimmeln, bezeichnet der Arzt als „entzündet“.

Doch schon während sie in den Kampf ziehen – das stellten die Braunschweiger Forscher jetzt fest – schütten die Makrophagen Vitamin D3 aus. Das zügelt sie nach einer Weile wieder und lässt ihre Aggressivität abklingen. Der mögliche Sinn dieses Mechanismus: „Es handelt sich wahrscheinlich um eine Selbstkontrolle des Immunsystems“, erklärt Dr. Laura Helming, die in ihrer Doktorarbeit an der GBF den neuen Mechanismus entdeckt hat und jetzt als Nachwuchswissenschaftlerin an der Universität Oxford arbeitet. „Damit sollen Entzündungsreaktionen eingedämmt werden, bevor sie überschießen und zu extrem verlaufen.“ Dann nämlich könnten sie dem Körper sogar gefährlicher werden als der Erreger selbst: Ungehemmt wütende Makrophagen verursachen schwere Schäden, schlimmstenfalls sogar das Absterben von Körpergewebe. Deshalb sorgt die eingebaute Vitamin D3 -Bremse dafür, dass die körpereigenen Krieger bald wieder müde werden.

Projektleiter Dr. Andreas Lengeling kann sich gut vorstellen, dass diese Erkenntnisse einmal medizinisch nutzbar gemacht werden: „Wenn man diese Mechanismen versteht, kann man neue Ansätze für die Therapie von schweren Entzündungen entwickeln.“



Hinweise für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: L. Helming, J. Böse, J. Ehrchen, S. Schiebe, T. Frahm, R. Geffers, M. Probst-Kepper, R. Balling und A. Lengeling: 1α,25-dihydroxyvitamin D3 is a potent suppressor of interferon-γ mediated macrophage activation. Der Artikel ist jetzt als Vorab-Publikation in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Blood erschienen (http://www.bloodjournal.org/papbyrecent.shtml).

Bildmaterial zum Thema finden Sie unter www.gbf.de/presseinformationen



Bildunterschrift

Das mikroskopische Foto zeigt infizierte Makrophagen im Kampf gegen Listerien. Diese bakteriellen Kranheitserreger können sich innerhalb der Zelle vermehren. Für die Infektionsabwehr ist eine ausgewogene Aktivierung der Makrophagen entscheidend. Hier spielen der Botenstoff Interferon-gamma und Vitamin D3 eine wichtige Rolle, wie die GBF-Forscher jetzt herausgefunden haben.

Foto: GBF

22.06.2005

Vielseitiges Bakteriengift

Wie Erreger die menschliche Zellmembran für ihre Zwecke manipulieren

Manchen aggressiven Bakterien gelingt es, in menschliche Körperzellen einzudringen und sie von innen heraus zu zerstören. Wie das zum Beispiel der Lebensmittel-Keim Listeria monocytogenes anstellt, hat ein Team von Wissenschaftlern der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig und der Universität Gießen untersucht. Ihr Ergebnis: Die Bakterien sondern ein Gift ab, das die Oberfläche menschlicher Zellen stark verändert. Die Keime können die Abwehrmechanismen der Zelle dann aushebeln und leichter in die Zellen eindringen. Ihre Erkenntnisse haben die Wissenschaftler im Fachmagazin Cellular Microbiology veröffentlicht.

Die Membran, die menschliche Zellen umgibt, hat eine dickflüssig-ölige Beschaffenheit. In bestimmten Regionen der Zelloberfläche – Wissenschaftler nennen sie „Rafts“, also Flöße – konzentrieren sich Fettmoleküle und spezielle Proteine. „Die Rafts sind entscheidend für viele biochemische Prozesse“, erklärt GBF-Arbeitsgruppenleiter Dr. Siegfried Weiß. „Hier verankern sich wichtige Steuerungs-Moleküle, und hier verarbeitet die Zelle Signale, die sie von außen erhält.“

Auf diese Schlüssel-Zonen hat es auch Listeria monocytogenes abgesehen: Das Bakterium produziert ein Zellgift, das bewirkt, dass mehrere kleine Raft-Regionen auf der Zelloberfläche zu einem großen „Super-Raft“ zusammenwachsen. „Dieser Vorgang aktiviert die Steuerungs-Moleküle an den Rafts“, erklärt GBF-Nachwuchsforscher Nelson Gekara. „Sie lösen jetzt in der Zelle unterschiedliche Wirkungen aus: Botenstoffe werden freigesetzt, Abwehrmechanismen der Zelle blockiert, ihr Stoffwechsel im Interesse des bakteriellen Eindringlings manipuliert.“ Außerdem dienen die Rafts dem Erreger als Einfall-Pforte: Hier kann das Bakterium die Zellmembran leicht durchlöchern und so in die Wirtszelle eindringen.

Listeria monocytogenes gelangt über verdorbene Lebensmittel in den menschlichen Körper und kann dort Darmerkrankungen auslösen. Gefürchtet sind die schwer wiegenden Komplikationen, die eine solche Infektion in einzelnen Fällen verursacht: Menschen mit einem geschwächten Immunsystem erkranken beispielsweise an Hirnhautentzündungen; schwangere Frauen erleiden Fehlgeburten.

„Der Mechanismus, mit dem Listeria die Oberflächen seiner Zielzellen angreift, kann uns viel über Grundprinzipien von Infektionen erklären“, sagt Weiß. „Wir vermuten, dass andere, medizinisch weit bedeutendere Erreger ähnlich vorgehen – zum Beispiel Streptokokken oder Bacillus anthracis, der Erreger von Milzbrand.“ Zudem hofft der GBF-Wissenschaftler: „Das Zellgift von Listeria könnte uns helfen, die Funktion und Bedeutung der Rafts auf unseren Zelloberflächen besser zu verstehen.“



Hinweise für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: Gekara, N., Jacobs, T., Chakraborty, T. and Weiss, S. The cholesterol dependent cytolysin Listeriolysin O aggregates rafts via oligomerization. Der Artikel ist jetzt als Vorab-Publikation in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Cellular Microbiology erschienen (http://www.blackwell-synergy.com/loi/cmi)

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Bildunterschriften:

Gekara_Weiss_02.jpg: Erforschen das bakterielle Listeriolysin O und seine Wirkungen auf menschliche Zellen: GBF-Arbeitsgruppenleiter Dr. Siegfried Weiß (links) und Nelson Gekara.
Foto: GBF/Hübner

Listeria_MZ_01-03.jpg: Stäbchenförmige Zellen des Bakteriums Listeria monocytogenes bei der Anheftung an eine menschliche Zelle.
Foto: GBF/ Rohde

LLO and ERMp picture1-2.jpg: Wirkung des Bakteriengifts Listeriolysin O (LLO), hier rot markiert, auf die Zellmembran: Das Protein ERM, das bei Transportvorgängen innerhalb der Zelle eine wichtige Rolle spielt, leuchtet bei diese Färbetechnik grün - aber nur dann, wenn es aktiv wird. Das Feuerwerk grüner Signale zeigt: LLO macht die Zellmembran bereit für Transportvorgänge über die Membran. Es schafft damit die Voraussetzung dafür, dass die Bakterien in die Zelle eindringen können.
Foto: GBF/Nelson Gekara

27.06.2005

Gates-Millionen für die Impfstoffforschung von GBF und MHH

Kampf gegen Hepatitis C: Stiftung fördert GBF-koordiniertes Projekt

Die amerikanische Bill und Melinda Gates-Stiftung wird ein internationales Wissenschaftler-Konsortium mit 9 Millionen Dollar unterstützen, an dem in Deutschland die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) und die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF, Braunschweig) beteiligt sind. Ziel des geförderten Projekts ist es, die Entwicklung von Impfstoffen gegen Hepatitis C voranzutreiben.

„Der Zuschlag ist für uns ein einzigartiger Erfolg“, erklärt Professor Rudi Balling, Wissenschaftlicher Geschäftsführer der GBF und Projektleiter. „Die Konkurrenz war enorm. Ursprünglich sind über 1500 Ideen aus 75 Ländern eingereicht worden. Den Zuschlag haben aber schließlich nur 43 Vorhaben erhalten.“ Besonders freue ihn, so Balling, dass Forschungseinrichtungen, die weltweit höchstes Renommee genießen, an dem Antrag beteiligt seien. Dazu gehörten neben den beiden deutschen Forschungseinrichtungen unter anderen das Pariser Pasteur-Institut und die Rockefeller-University in New York.

Mit dem Projekt soll eine der bedeutendsten Infektionskrankheiten weltweit angegangen werden. Insgesamt sind etwa 170 Millionen Menschen mit dem Hepatitis C-Virus (HCV) infiziert, die meisten von ihnen in den Entwicklungsländern. In Deutschland sind bis zu 600.000 Menschen an einer chronischen HCV-Infektion erkrankt. Die Betroffenen sterben oft als Folge der Infektion an Leberzirrhose oder Leberkrebs. „Das zeigt, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um einen Impfstoff gegen Hepatitis C zu entwickeln“, sagt Professor Dr. Michael P. Manns, Direktor der MHH-Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie.

Am effizientesten im Kampf gegen HCV wäre der flächendeckende Einsatz eines leicht handhabbaren und wirksamen Impfstoffs. Seiner Entwicklung stehen aber grundsätzliche Hindernisse entgegen. So muss jeder Impfstoff, bevor er Menschen verabreicht wird, an Versuchstieren überprüft werden. Dies ist bei HCV nur schwer möglich: Das am besten zu handhabende Versuchstier, die Maus, ist immun gegen das Virus – nur in menschlichen Leberzellen vermehrt sich der Erreger. Deshalb können Mäuse auch nicht gegen HCV geimpft werden; ihre Reaktion auf die Vakzine lässt sich nicht testen.

Dem Manko will das Konsortium abhelfen: Es wird Methoden erforschen, um im Körper von Mäusen menschliche Leberzellen und Immunzellen anzusiedeln. Dann lässt sich an den Tieren sowohl die Infektion mit HCV als auch die Reaktion auf potenzielle Impfstoffe studieren. Damit eröffnet sich die Chance, das Leben von Millionen Menschen vor den tödlichen Folgen einer Hepatitis C-Infektion zu retten.

Die Bill und Melinda Gates-Stiftung und die Kooperationspartner

Die Bill und Melinda Gates-Stiftung (www.gatesfoundation.org), ins Leben gerufen von Microsoft-Gründer Bill Gates und seiner Ehefrau, will Probleme der Gesundheitsvorsorge von Entwicklungsländern lösen helfen. An dem geförderten Hepatitis C-Projekt beteiligen sich neben GBF, der MHH und dem Institut Pasteur auch das Necker Hospital (Paris, Frankreich), die Universität Amsterdam (Niederlande) und die Rockefeller University (New York, USA).

*Kostenfreies TV-Footage sofort verfügbar*

Professionell erstelltes Footage für die Berichterstattung kann über die GBF-Pressestelle bezogen werden. Das Videomaterial zum Hepatitis C-Projekt schickt Ihnen die GBF-Pressestelle gerne per Kurier zu. Bitte melden Sie sich telefonisch unter +49 (0) 531 6181 508


Bildunterschriften

GC1+2.jpg: Grünfluoreszierende Leberzellen, die in die Leber einer Empfängermaus transplantiert wurden. Die rote Anfärbung entspricht einem Protein, das auf Leberzellen exprimiert wird.
Foto: MHH/Ott

GC3.jpg: Humane Leberzellen in Kultur.
Foto: MHH/Ott

Zusätzliche Dateien

GCGH Release final.doc: Presseinformation der Gates-Stiftung (englisch)

GCGH Grants Backgrounder final.doc: Informationsmaterial der Gates-Stiftung (englisch)

22.07.2005

Abwehr mobilisiert – Kräfte geschwächt

Die Anregung des Immunsystems kann paradoxe Folgen haben

Substanzen, die unsere Erregerabwehr aktivieren, können gleichzeitig zu einer vorübergehenden Schwächung der Abwehrkräfte führen. Diesen paradoxen Effekt haben Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig am Beispiel des Moleküls TLR7 beobachtet, eines wichtigen Bestandteils des Immunsystems. Wird TLR7 durch einen Wirkstoff künstlich gereizt, verstärkt es zwar Abwehrreaktionen in der Haut, führt aber zugleich für mindestens 24 Stunden zu einer gravierenden Immunschwäche. Seine Ergebnisse beschreibt das Forscher-Team, dem neben GBF-Wissenschaftlern auch Kollegen aus Basel, Münster und Essen angehören, demnächst in der Fachzeitschrift Blood.
„Das Immunsystem hat bestimmte angeborene Antennen-Moleküle. Sie erkennen Strukturen, die für Bakterien und Viren typisch sind“, erklärt der Projektleiter, GBF-Forscher Dr. Matthias Gunzer. „Sie versetzen den Körper in einen Alarmzustand, sobald sie diese Erreger-Komponenten vorfinden.“

Vom Blut ins Gewebe: Immunzellen wandern ab


Wesentliche Bestandteile dieser angeborenen Grundausstattung des Immunsystems sind die Toll-like-Rezeptoren oder TLR: Proteine auf den Oberflächen bestimmter Zellen, die nach Erreger-Bestandteilen „Ausschau halten“. Einen dieser Rezeptoren, den TLR7, nahmen Gunzer und seine Kollegen ins Visier. Sie stimulierten den TLR7 von Mäusen mit einem chemisch hergestellten Wirkstoff, den sie den Tieren in die Blutbahn injizierten. Ihr Ergebnis: „Immunvorgänge in der Haut der Tiere wurden verbessert und beschleunigt“, berichtet Gunzer. „Dafür fand man im Blut der Mäuse für 24 Stunden kaum Abwehrzellen. Sie erlitten eine vorübergehende Immunschwäche.“ Zwei Effek-te, die auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen, sich aber beide durch die Stimulierung von TLR7 erklären lassen.
Die Forscher entdeckten nämlich, dass TLR7 nicht nur auf Immunzellen, sondern auch auf den Zellen von Blutgefäßen sitzt. Bei Stimulierung werden die Wände der Adern an den betreffenden Stellen durchlässig; Abwehrzellen können hier die Blutgefäße durchdringen und in das Körpergewebe gelangen. „Das ist bei lokal begrenzten Infektionen sinnvoll“, erklärt Gunzer. „Normalerweise befinden sich, wenn TLR7 auf Blutgefäßen ein Signal empfängt, im Gewebe dahinter die Erreger, gegen die die Abwehrzellen vorgehen müssen. Aber wenn diese Wirkung überall im Körper auftritt, wie bei unserem Versuch, dann verlassen fast alle Immunzellen die Blutbahn. Die Festung ist sozusagen unbewacht und das Immunsystem auf gefährliche Weise geschwächt – jedenfalls zeitweilig.“
Weil TLR-stimulierende Wirkstoffe für medizinische Zwecke geeignet sind, etwa zur Bekämpfung von Infektionen oder um die Wirkung von Impfstoffen zu verstärken, sieht Gunzer praktische Konsequenzen aus seiner Arbeit: „Wenn man TLR7-Stimulanzien systemisch verabreicht, also ins Blut spritzt und damit im ganzen Körper verteilt, muss man wissen, dass die Patienten dann erst einmal ein erhöhtes Infektionsrisiko haben könnten. Man muss ihren Zustand also sorgfältig überwachen und, falls nötig, gezielt gegensteuern.“


Hinweise

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: M. Gunzer, H. Riemann, Y. Basoglu, A. Hillmer, C. Weishaupt, S. Balkow, B. Benninghoff, B. Ernst, M. Steinert, T. Scholzen, C. Sunderkotter, and S. Grabbe. Systemic administration of a TLR7 ligand leads to transient immune incompetence due to peripheral blood leukocyte depletion. Der Artikel ist als Vorab-Publikation in der Online-Ausgabe von Blood erschienen (http://www.bloodjournal.org/cgi/content/abstract/2005-01-0342v1)


Bildunterschrift:

Mensch und Maus: Das Immunsystem der beiden Säuger ist sehr ähnlich. An Mäusen haben Wissenschaftler jetzt entdeckt, dass es zwiespältige Wirkungen haben kann. (Foto: GBF/Frank Bierstedt)

20.06.2005

Motivationsspritze für den Forscher-Nachwuchs

23. Juni: GBF-Arbeitskreis vergibt Förderpreise an junge Wissenschaftler

Angriffsstrategien von Bakterien, clevere Methoden zum Züchten von Zellen, die Regelkreise unserer Gene: An diesen Themen arbeiten die jungen Wissenschaftler, die jetzt mit dem Förderpreis 2005 des Arbeitskreises Zellbiologie und Biomedizinische Forschung an der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) geehrt werden. Martin Klar, Tobias May und Nelson Gekara nehmen die Auszeichnung am Donnerstag, 23. Juni, 15 Uhr, im Forum der GBF entgegen. Der Förderverein versteht seine mit je 1000 Euro dotierten Preise als unbürokratische Motivationsspritze für Nachwuchswissenschaftler, die erstklassige Leistungen in der Grundlagenforschung erbracht haben.

Unsterbliche Zellen

In Nährlösungen kultivierte Zellen sind ein wichtiges Instrument für viele biologische Experimente. Das Problem dabei: Zellen, die aus dem menschlichen oder tierischen Körper stammen, lassen sich entweder kaum vermehren und sterben bald wieder ab – oder sie vermehren sich im Gegenteil völlig unkontrolliert und verhalten sich dabei „unnatürlich“, das heißt wie Krebszellen, nicht aber wie gesunde Körperzellen. Tobias May hat im Rahmen seiner Doktorarbeit eine Methode entwickelt, wie man bei bestimmten Zellen in Kultur die Vermehrung an- und abschalten kann. Ein Verfahren, das, wenn es ausgereift ist, viel über Alterungsprozesse und über die Entstehung von Krebs verraten könnte – und dabei helfen, manche Tierversuche durch die Arbeit mit Zellkulturen zu ersetzen.

Ferngesteuerte Gene

Ein Schritt zum besseren Verständnis des Zusammenspiels menschlicher Gene ist dem GBF-Nachwuchsforscher Martin Klar in seiner Doktorarbeit gelungen. Er fand Neues darüber heraus, wie der Körper zur Verteidigung gegen Krankheitserreger Gene aktiviert, die zur Produktion des Abwehrstoffs Interferon führen. Klar konnte zeigen, dass dabei genau jene DNA-Abschnitte im menschlichen Chromosom eine Schlüsselrolle spielen, die zuvor schon ein Computermodell als mögliche Regulations-Elemente vorausgesagt hatte. Verblüffend daran: Die Orte der Regulation liegen teilweise weit von den eigentlichen Interferon-Genen entfernt – ein Beispiel für komplexe Wechselwirkungen auf Distanz.

Giftige Bakterien


Wie das Bakterium Listeria monocytogenes, ein mit verdorbenen Lebensmitteln aufgenommener Krankheitserreger, in menschliche Zellen eindringt, das erforscht der aus Kenia stammende junge GBF-Wissenschaftler Nelson Gekara. Seine Erkenntnis: Listeria sondert ein Gift ab, das die Oberfläche menschlicher Zellen so verändert, dass der Keim ungehindert eindringen kann. Zu diesem Zweck löst das Gift, das den Kurznamen „LLO“ trägt, eine erstaunliche Vielzahl von Wirkungen in der Zielzelle aus; es verändert einen großen Teil ihres Stoffwechsels. Fernziel der Forschung ist es, durch das Blockieren des LLO die ganze Angriffs-Strategie von Listerien zu vereiteln – und dabei vielleicht Erkenntnisse für den Kampf gegen andere, medizinisch noch bedeutsamere Keime gewinnen, wie etwa Salmonella oder den Milzbrand-Erreger Bacillus anthracis.

 


Hinweise für die Medien

Interessierte Journalisten sind herzlich zu diesem Termin eingeladen. Um eine kurze Anmeldung unter 0531/6181-508 wird gebeten.

10.05.2005

Vom Reagenzglas in die Apotheke

GBF veranstaltet Workshop zum Thema GMP und Arzneimittelrecht

Was müssen Wissenschaftler tun, damit aus dem Wirkstoff, an dem sie forschen, einmal ein Medikament wird? Darüber informiert ein Fach-Workshop zum Thema „GMP“, den die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig veranstaltet. Der zweitägige Kurs, mitorganisiert von der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, findet am 13./14. Juni statt. Die Teilnahme ist kostenlos, die Zahl der verfügbaren Plätze jedoch beschränkt.

„Immer mehr medizinische Forschungsprojekte gehen mittlerweile über die reinen Grundlagen hinaus in die Anwendung und haben ganz konkret die Entwicklung neuer Wirkstoffe im Visier“, erklärt Dr. Holger Ziehr, Bereichsleiter an der GBF. „Ziel der Wissenschaftler ist dabei die Translation, also die Umsetzung ihrer Forschungsergebnisse in klinische Prüfungen. Aber die Rahmenbedingungen des Arzneimittelrechts dafür sind bereits jetzt umfangreich – und sie werden immer komplexer.“

Schwerpunkt des zweitägigen Seminars ist der Weg, den neue Therapiekandidaten nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften Good Manufacturing Practice (GMP), Good Laboratory Practice (GLP) und Good Clinical Practice (GCP) zu beschreiten haben. Neben Biowissenschaftlern werden dabei vor allem Vertreter der Zulassungsbehörden wie des Bundesamts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) referieren.

Anmeldungen zum GMP-Workshop sind noch bis zum 1. Juni möglich.



Fakten zum Veranstalter

Die GBF befasst sich seit mehr als zehn Jahren mit der Entwicklung von Herstellungsverfahren für biopharmazeutische Wirkstoffe. Sie hat mittlerweile für verschiedene Produktkandidaten Herstellungsverfahren entwickelt und GMP-Material für klinische Prüfungen hergestellt. Seit 1997 hat die GBF eine Herstellungserlaubnis gemäß § 13 Arzneimittelgesetz.



Nähere Informationen

Mehr zum GMP-Workshop an der GBF erfahren Sie unter der Telefon-Nummer 0531-6181-601 oder der Email-Adresse hgfworkshop@gbf.de



Bildunterschrift

gmp_groß: Mit ihrem GMP-Technikum ist die GBF in der Lage, Herstellungsverfahren für Biotech-Produkte nach arzneimittelrechtlichen Regeln - den Vorschriften für die Gute Herstellungspraxis (Good Manufacturing Practice oder GMP) - für klinische Studien am Menschen zu entwickeln.
Foto: GBF

26.04.2005

Neue Strategien gegen lebensbedrohliche Pneumokokken

8. bis 11. Mai: Experten treffen sich zum Kongress „Europneumo“ an der GBF

Sie verursachen knapp die Hälfte aller Lungenentzündungen, häufig auch Blutvergiftung und Entzündungen der Hirnhaut, des Herzmuskels oder des Mittelohrs. Jedes Jahr machen sie weltweit rund 20 Millionen Menschen krank – und 50 000 sterben an der Infektion: Pneumokokken-Bakterien sind verbreitete und gefährliche Krankheitserreger. Sie stehen im Mittelpunkt des Wissenschaftler-Kongresses „Europneumo“, der vom 8. bis zum 11. Mai im Forum der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig stattfinden wird. Zu der Tagung, die die GBF gemeinsam mit der Universität Würzburg veranstaltet, werden rund 120 Experten aus Europa und den USA erwartet.

Pneumokokken – eine geläufige Abkürzung für Bakterien der Spezies Streptococcus pneumoniae – finden sich bei fast jedem zweiten Menschen in den Schleimhäuten der Atemwege. „Meist kann das Immunsystem die Bakterien leicht in Schach halten“, erklärt Professor Singh Chhatwal, Abteilungsleiter an der GBF und Hauptorganisator des Kongresses. „Doch wenn der Organismus geschwächt ist oder die Pneumokokken in die Blutbahn gelangen, wird es gefährlich.“ Vor allem bei Kindern und alten Menschen können die Erreger dann ernsthafte, manchmal tödliche Erkrankungen auslösen.

Besonders problematisch: „Obwohl sich die Behandlungsmethoden ständig verbessern, sind die Sterblichkeitsraten bei Pneumokokken-Infektionen in den zurückliegenden Jahrzehnten fast gleich geblieben“, sagt Chhatwal. „Das liegt an der hohen Anpassungsfähigkeit dieser Bakterien: Sie entwickeln schnell Widerstandsfähigkeit gegen die Antibiotika, die wir gegen sie einsetzen.“ Auch die bisher verfügbaren Impfstoffe gegen Pneumokokken führen bei vielen Patienten nicht zur angestrebten Immunität.

Die Entwicklung neuer Impfstrategien und neuer Medikamente gegen die Erreger wird daher einer der Schwerpunkte bei den Vorträgen und Workshops des Braunschweiger Pneumokokken-Kongresses sein.



Hinweise für die Medien

Das vollständige Programm der Tagung „Europneumo – 7th European Meeting on the Molecular Biology of the Pneumococcus“ finden Sie unter www.gbf.de/europneumo

Interessierte Journalisten sind herzlich eingeladen, am Kongress teilzunehmen. Um eine kurze Anmeldung unter 0531/6181-508 wird gebeten.



Bildunterschrift

Gefürchtete Erreger: Die kugelförmigen Pneumokokken wachsen zu langen, knotigen Ketten. Im Bild: Zwei solche Bakterienketten auf menschlichen Epithelzellen.
Foto: Manfred Rohde, GBF

21.04.2005

Mädchensache Forschung

Die GBF beteiligt sich am bundesweiten Girls’ Day

Dass Forschung auch Frauensache und weibliche Kompetenz in der Wissenschaft gefragt ist, davon können sich interessierte Schülerinnen am Donnerstag, 28. April, überzeugen. An diesem Tag lädt die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) anlässlich der bundesweiten Aktion „Girls’ Day“ weiblichen Nachwuchs ein. Mädchen im Alter ab 15 Jahren erhalten dabei Gelegenheit, sich ausführlich über die vielfältigen Berufswege zu informieren, die ein großes Forschungszentrum jungen Frauen bietet. Von der Schule werden die Mädchen für diesen Tag freigestellt.
Das Programm beginnt um 9 Uhr und enthält Führungen, Vorträge und kleine Experimente in Arbeitsgruppen. Dabei können die Schülerinnen erste Einblicke in die Genforschung oder die Arbeit mit Immunzellen gewinnen oder erfahren, wie man den Aufbau von Molekülen untersucht. Für Mädchen, die kurz vor dem Schulabschluss stehen und sich für eine Berufsausbildung interessieren, berichtet GBF-Ausbildungsleiter Detlef Hanisch über die Berufsbilder der Biologie- und Chemielaborantin.
Vor allem in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen ist der Frauenanteil noch immer gering – obwohl viele Arbeitgeber aus den betreffenden Branchen inzwischen lebhaftes Interesse an weiblichem Nachwuchs bekunden. Der Mädchen-Zukunftstag soll den jungen Frauen daher helfen, ihr Berufswahlspektrum zu erweitern und frühzeitig Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern zu knüpfen. Dieser Aktionstag wird gemeinsam von verschiedenen Bundesministerien, von Berufsverbänden und den Tarifparteien veranstaltet. Die GBF beteiligt sich seit 2002 mit einem eigenen Informationsangebot am „Girls’ Day“.

Für Informationen steht Ihnen die Gleichstellungsbeauftragte der GBF, Evelyn Rohn-Stenzel, unter der Telefonnummer 0531/6181-550 oder der Email-Adresse ero@gbf.de zur Verfügung.



Hinweis für die Medien

Das vollständige Programm für den Girls’Day an der GBF finden Sie im Internet unter www.gbf.de/girlsday.
Informationen zu den bundesweiten Aktionen am Mädchen-Zukunftstag bietet die Seite www.girlsday.de.



Bildunterschriften:

zu "Girlsday_1"
Buntes Laborleben: Die beiden Laboranten Sandra Berger (rechts, mit Erlenmeyer-Kolben) und Patrick Duwe (rechts im Hintergrund) erklären Schülerinnen verschiedene chemische Reaktionen.
Foto: GBF/Ammerpohl, Girls`Day 2003

zu "Girlsday_2":
Gut erklärt: Die Azubis Tanja Becker, Carolin Schaper, Anna Link und Anna Klockmann geben den Schülerinnen Julia, Laura und Rebekka einen Einblick in ihren Arbeitsalltag.
Foto: GBF/Ammerpohl, Girls`Day 2004

31.03.2005

Der pflanzlichen Selbstverteidigung auf der Spur

GBF und TU Braunschweig verleihen Inhoffen-Medaille an Jenaer Forscher

Wie Pflanzen sich mit Hilfe von Signalstoffen vor Schädlingen und Krankheitserregern schützen: Dazu hat der Chemiker Prof. Wilhelm Boland, Leiter des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in Jena, zahlreiche Erkenntnisse gesammelt. Für seine wissenschaftlichen Leistungen wird er jetzt in Braunschweig mit der Hans-Herloff-Inhoffen-Medaille geehrt. Boland wird die Auszeichnung am kommenden
Mittwoch, 6. April, 15 Uhr,
im Forum der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) entgegennehmen.

Der vom Förderverein der GBF gestiftete Preis ist mit 2500 Euro dotiert. Er wird im Rahmen der öffentlichen Inhoffen-Vorlesung verliehen, einer gemeinsamen Veranstaltung der GBF und der Technischen Universität Braunschweig. Der Preisträger spricht dabei zum Thema „Überleben mit Duft: Pflanzen contra Herbivore“. Anschließend wird Prof. Joachim Klein, Vorsitzender des Fördervereins der GBF und der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, die Hans-Herloff-Inhoffen-Medaille überreichen.


Herausragende Doktorarbeiten an GBF und TU gewürdigt

Im Rahmen der Preisverleihung zeichnet der Förderverein der GBF zudem herausragende Doktorarbeiten der TU Braunschweig und der GBF aus. Träger der mit 2000 Euro dotierten Förderpreise sind Dr. Oliver Goldmann und Dr. Jibin Sun. Goldmann promovierte über krankheitserregende Bakterien der Gattung Streptococcus und die Abwehrreaktionen des Immunsystems gegen sie. Sun arbeitete an verbesserten Methoden für den Vergleich von Genomen mit den Techniken der Datenverarbeitung.

Neben den Förderpreisen wird auch der Fritz-Wagner-Preis zur Förderung der Biotechnologie verliehen. Die Auszeichnung und die damit verbundenen 500 Euro erhält in diesem Jahr Verena Thiel. Sie befasste sich in ihrer Diplomarbeit mit den Signalmechanismen, die Bakterien einsetzen, um miteinander zu kommunizieren.


Hans Herloff Inhoffen und die gleichnamige Medaille

Zum Gedenken an den 1992 verstorbenen Chemiker Prof. Hans Herloff Inhoffen veranstalten die TU Braunschweig und die GBF seit 1994 regelmäßig die Inhoffen-Vorlesung, bei der der gleichnamige Preis vergeben wird. Inhoffen lehrte von 1946 bis 1974 an der TH Braunschweig und amtierte dort von 1948 bis 1950 als Rektor. Inhoffen gründete darüber hinaus im Jahr 1965 das „Institut für Molekulare Biologie, Biochemie und Biophysik“ (IMB), das Vorläufer-Institut der GBF.

 

Hinweise für die Medien

Bei einem Pressetermin um 14.45 Uhr – unmittelbar vor der Inhoffen-Vorlesung – besteht Gelegenheit zum Fotografieren der Preisträger.
Nähere Auskünfte zu den ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeiten geben wir gerne unter der Telefon-Nummer 0531/6181-508.

 

08.03.2005

Auf Knopfdruck bösartig

"Molekularer Schalter" macht Lebensmittel-Keim gefährlich

Wie aus harmlosen Bakterien gefährliche Krankheitserreger werden können, haben Forscher am Beispiel des Lebensmittel-Keims Listeria monocytogenes untersucht. Der Mechanismus: Unter bestimmten Bedingungen schaltet ein Steuerungs-Molekül – ein Protein namens PrfA – all jene Gene an, die das Bakterium aggressiv machen. Listeria monocytogenes dringt dann in die Zellen der menschlichen Darmschleimhaut ein und vermehrt sich dort. Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig haben jetzt erstmals die dreidimensionale Struktur des Proteins PrfA aufgeklärt. Aus ihren Untersuchungen folgern sie: Auch PrfA selbst kann biochemisch an- und abgeschaltet werden – Listeria wird also „auf Knopfdruck“ bösartig.

Das Bakterium, das mit verdorbenen Lebensmitteln in den menschlichen Körper gelangt, kann dort Darmerkrankungen auslösen. Gefürchtet sind die schwer wiegenden Komplikationen, die eine solche Infektion in manchen Fällen verursacht: Bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem kann der Erreger weitere Organe befallen und sich im ganzen Körper ausbreiten. Die Patienten erleiden dann beispielsweise Hirnhautentzündungen oder – bei schwangeren Frauen – Fehlgeburten. Vielfach verlaufen solche schweren Folgeerkrankungen tödlich.

Die ersten Schritte der Erkrankung sind stets die Anheftung der Listerien an die Oberfläche der menschlichen Darmschleimhaut und ihr Eindringen in die Darmzellen. Für das Eindringen und das Überleben in den Wirtszellen muss Listeria monocytogenes spezielle Gene aktivieren. Dafür sorgt das Protein PrfA, der „Hauptschalter“ für die Aggressivität des Bakteriums. „Bei den meisten Listeria-Stämmen wird PrfA nur unter bestimmten Bedingungen aktiv – beispielsweise Bedingungen, wie sie im menschlichen Darm vorherrschen“, erklärt GBF-Bereichsleiter Professor Dirk Heinz. Einige wenige haben allerdings ein leicht verändertes PrfA. Die Mutation bewirkt, dass diese Bakterien ständig „in Angriffsstimmung“ sind und Proteine produzieren, die ihnen das Eindringen in menschliche Zellen erleichtern. Proteine, die letztlich auch den Bakterien selbst schaden – deshalb setzen sich die daueraggressiven Listerien in der Natur nicht durch.

„Wir haben jetzt die Struktur des normalen PrfA und die der veränderten, ständig aktivierten Variante untersucht und beide miteinander verglichen“, sagt die GBF-Forscherin Marina Eiting. Daraus und aus dem Vergleich mit ähnlichen Proteinen bei anderen Bakterien schließen die Forscher: PrfA wird wahrscheinlich durch ein kleines Signal-Molekül, das man noch nicht kennt, in seine aktive Form umgewandelt – eine Form, die der daueraktiven Variante des PrfA sehr ähnlich ist.

„Vielleicht stammt das Signal-Molekül aus menschlichen Zellen“, sagt Heinz. Für den GBF-Forscher eine Frage, der nachzugehen sich lohnt: „Wenn wir den Anschalt-Mechanismus für die Aggressivität dieses Bakteriums verstehen, dann können wir es in Zukunft auch gezielt abschalten“, hofft er. Denkbar sei beispielsweise, die Bindungsstelle für das Signal-Molekül durch ein ähnliches, aber wirkungsloses Molekül zu blockieren. Heinz: „Diese Erkenntnisse kann man sicher auch auf andere, medizinisch noch bedeutendere Krankheitserreger anwenden.“



Hinweis

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: Eiting, M., Hagelüken, G., Schubert, W.-D., Heinz, D.W.: The mutation G145S in PrfA, a key virulence regulator of Listeria monocytogenes, increases DNA-binding affinity by stabilizing the HTH-motif. Der Artikel ist jetzt als Vorab-Publikation in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift Molecular Microbiology erschienen (http://www.blackwell-synergy.com/links/doi/10.1111/j.1365-2958.2005.04561.x/full/)

 

21.06.2006

Europäische Fachwelt ehrt Forscherin

GBF-Wissenschaftlerin Theresia Stradal wird in Istanbul ausgezeichnet

Für ihre Arbeiten über ein Signal-Molekül in Säugetierzellen ist Dr. Theresia Stradal aus Braunschweig mit einem europaweit ausgeschriebenen Preis ausgezeichnet worden. Am Montag, 26. Juni, wird die Arbeitsgruppenleiterin der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in der türkischen Metropole Istanbul den mit 10 000 Euro dotierten „FEBS Letters Young Investigator Award“ entgegennehmen. Diesen Preis vergibt die Federation of European Biochemical Societies (FEBS) alljährlich für den besten wissenschaftlichen Fachartikel eines Nachwuchsforschers im Verbandsorgan FEBS-Letters. Er wird bei der Jahrestagung des Verbands überreicht, die diesmal in der Türkei stattfindet.

 

In dem preisgekrönten Artikel hatte Theresia Stradal gemeinsam mit Forscher-Kollegen Erkenntnisse über die molekularen Signalwege beschrieben, die der Beweglichkeit von Zellen zugrunde liegen. „Wir haben ein Molekül identifiziert, das eine wichtige Rolle als Schaltstelle zwischen Signalen von außen und dem Befehl zur Zellwanderung spielt“, erklärt die Nachwuchsforscherin. Das Protein, von Stradal und ihrem Team auf den Namen „PREL1“ getauft, könnte zum Verständnis mancher komplexer und vielschichtiger Probleme der Biologie und Medizin beitragen, hofft die Preisträgerin.

 

Die Ehrung durch FEBS ist für Theresia Stradal und ihr Team ein großer Erfolg und ein Ansporn zum Weitermachen. „Ich freue mich sehr, dass unsere Arbeit diese Aufmerksamkeit findet“, sagt die Wissenschaftlerin.

Über die FEBS
Die Federation of European Biochemical Societies, zu Deutsch: Europäische Vereinigung Biochemischer Gesellschaften, ist eine Dachorganisation für biowissenschaftliche Fachverbände. Die FEBS umfasst mehr als 40 000 Mitglieder in 36 Mitgliedsverbänden sowie sechs assoziierten Organisationen aus ganz Europa. Deutschland ist durch die Gesellschaft für Biochemie und Molekularbiologie in der FEBS vertreten. Die FEBS veranstaltet Kurse, Austauschprogramme und wissenschaftliche Kongresse und gibt mit den FEBS-Letters eine anspruchsvolle Fachzeitschrift für Biochemie, Molekularbiologie und molekulare Biophysik heraus.

 

Die Preisträgerin
Dr. Theresia Stradal wuchs in der Nähe von Köln auf, ist aber aufgrund der Herkunft ihrer Eltern österreichische Staatsbürgerin. Nach Studium und Promotion an der Universität Salzburg kam die Biologin im Jahr 2001 nach Braunschweig zur GBF. Sie untersucht die Mechanismen der Zellwanderung und Zellbeweglichkeit. Seit 2005 leitet Theresia Stradal eine unabhängige Arbeitsgruppe.

 

Literaturnachweis
Titel des ausgezeichneten Artikels: A. Jenzora, B. Behrendt, J.V. Small, J. Wehland, T. Stradal: PREL1 provides a link from Ras signalling to the actin cytoskeleton via Ena/VASP proteins. FEBS Letters 579 (2005), pp.455-463.
 

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16.06.2006

Hilfreiche Zellen für die moderne Medizin

19./20. Juni: Fachkongress über zelluläre Therapien im Forum der GBF

Heilverfahren mit lebenden Zellen sind das Thema eines Fachkongresses, zu dem sich Ärzte und Forscher aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland am kommenden Montag und Dienstag, 19./20. Juni, auf dem Campus der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) treffen werden. Veranstalter der Tagung mit dem Titel „Innovative zelluläre Therapien auf dem Weg in die Klinik“ sind die GBF und der Berufsverband deutscher Transfusionsmediziner (BDT), vertreten durch Mediziner des Klinikums Braunschweig. Anlass ist der Abschluss eines von der GBF koordinierten InnoNet-Projekts, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie gefördert wird und die einfache Gewinnung von Immunzellen für die Tumortherapie mit Hilfe zum Ziel hat.
Besonders häufig kommen bei Zelltherapien Blutzellen zum Einsatz. Aber auch die regenerative Therapie von Knochen, Knorpeln und Herzklappen hat in jüngster Zeit beträchtliche Fortschritte gemacht. „Die Stammzellforschung eröffnet derzeit viele neue interessante Optionen für die zelluläre Therapie“, erklärt der GBF-Wissenschaftler Dr. Werner Lindenmaier, einer der Organisatoren der Tagung.


Hinweise für die Medien

 

Das vollständige Tagungsprogramm finden Sie im Internet unter www.gbf.de/izt
Nähere Auskünfte erteilen Ihnen gerne die Pressestellen der GBF (Telefon-Nummer 0531/6181-508) oder des Klinikums Braunschweig (0531/595-1599).

14.06.2006

Vorhang auf für das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

GBF präsentiert bei den „Tagen der Forschung“ ihren neuen Namen

Bei den Tagen der Forschung stellt die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) ihren neuen Namen vor. Die Forschungseinrichtung wird sich Mitte Juli in „Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung“ umbenennen. Bei der Wissenschaftsshow im Braunschweigischen Landesmuseum, die vom 16. bis zum 18. Juni dauert, präsentieren die Wissenschaftler das neue Logo und das neue Erscheinungsbild ihres Zentrums zum ersten Mal der Öffentlichkeit.


Mit dem Namen Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung wird die wissenschaftliche Ausrichtung der Forschungseinrichtung in Zukunft auf den ersten Blick erkennbar: Dort untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionskrankheiten und ihrer Abwehr. Die Ergebnisse der Grundlagenforschung entwickeln sie in Richtung medizinischer Anwendung weiter.


Ein zusätzlicher Aspekt der Umbenennung: Die Marke „Helmholtz-Gemeinschaft“ soll in Deutschland und in der Welt bekannter werden. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist die größte deutsche Wissenschaftsorganisation. In ihr sind die GBF und 14 weitere Forschungszentren mit insgesamt 25.000 Mitarbeitern – darunter 8.500 Wissenschaftlern und Ingenieuren – zusammengeschlossen. „Die international anerkannte Spitzenqualität der Forschung in der Helmholtz-Gemeinschaft spiegelt sich derzeit noch nicht in ihrem Bekanntheitsgrad wider“, schätzt Prof. Rudi Balling, wissenschaftlicher Geschäftsführer der GBF, die Lage ein. Um dies zu ändern, werden in der kommenden Zeit zahlreiche Zentren in der Helmholtz-Gemeinschaft ebenso wie die GBF ihren Namen ändern und „Helmholtz“ in die Zentrenbezeichnung aufnehmen.


Doch nicht nur die Umbenennung, sondern auch spannende Themen rund um die Infektionsforschung prägen den Auftritt der GBF. So stehen die Wissenschaftler während der Öffnungszeiten der Ausstellung zu aktuellen Aspekten der Infektionsforschung Rede und Antwort. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, sich während zweier Vorträge umfassend zu informieren:


Samstag, 17. Juni 2006, 11 Uhr im Hörsaal des Braunschweigischen Landesmuseums
Vortrag von Prof. Rudi Balling, wissenschaftlicher Geschäftsführer der GBF:

08.06.2006

Ein Bündnis für die Antikörper-Produktion

Roche und GBF wollen gemeinsam Herstellungsverfahren optimieren

Neue, verbesserte Produktionsverfahren für Antikörper zu entwickeln: Das ist das Ziel einer Kooperation, die die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) jetzt mit dem international agierenden Healthcare-Unternehmen Roche vereinbart hat. Im Auftrag und in Zusammenarbeit mit Roche werden die GBF-Wissenschaftler die tierischen Produktionszellen untersuchen, die man für die Herstellung von Antikörpern einsetzt. Eine Vielzahl von Testläufen soll ermitteln, in welchen Kulturmedien und unter welchen Bedingungen diese Zellen am besten und ertragreichsten wachsen. Dabei sollen Wirtschaftlichkeit und Ausbeute der Produktion verbessert werden. „Die Zusammenarbeit gilt zunächst für drei Jahre, ist aber weit langfristiger angelegt“, erklärt Dr. Holger Ziehr, Leiter des Forschungsbereichs Bioverfahrenstechnik der GBF.
Antikörper finden in der Medizin breite Anwendung. Es handelt sich dabei um Proteinmoleküle, die dem menschlichen Körper als „Waffe“ gegen eingedrungene Krankheitserreger dienen. Weil ihr Bindungsverhalten sehr spezifisch ist, kann man sie dafür einsetzen, um gezielt andere Moleküle zu finden und zu neutralisieren. Auch lassen sich mit ihnen bestimmte Strukturen, etwa die Oberflächen von Zellen, so markieren, dass das Immunsystem auf sie „aufmerksam wird“ und sie bekämpft.

 

Große Zukunft

Der medizinische Einsatz von Antikörpern, davon ist Ziehr überzeugt, hat eine große Zukunft: „In den vergangenen sechs Jahren ist ihr Einsatz im Schnitt jährlich um 50 Prozent gestiegen. Antikörper stellen die am stärksten wachsende Produktklasse in der pharmazeutischen Industrie dar.“ Fachleute sagen für das Jahr 2010 einen weltweiten Umsatz in Höhe von bis zu 20 Milliarden US-Dollar voraus. Weil man jedoch von Antikörpern größere Mengen benötigt als bei vielen anderen auf Proteinen basierenden Wirkstoffen, bestehen auch andere Anforderungen an den Herstellungsprozess: „Die therapeutischen Dosen erstrecken sich teilweise in den Gramm-Bereich“, erklärt Ziehr. „In Zeiten begrenzter Gesundheitsbudgets ist es da dringend nötig, neue Herstellungsverfahren zu entwickeln, wenn man wirtschaftlich arbeiten will.“
Eine Herausforderung, für die die GBF aufgrund langjährig erworbener Expertise gerüstet ist: Im zurückliegenden Jahrzehnt entwickelten Experten des Braunschweiger Forschungszentrums Herstellungsverfahren für zehn verschiedene biopharmazeutische Wirkstoffe so weit, dass sie anschließend klinisch getestet werden konnten. „Diese besondere Qualifikation“, sagt Holger Ziehr, „macht die Bioverfahrenstechnik der GBF zu einem gefragten Partner für industrielle Prozessentwicklungen.“

 

Hinweise für die Medien

Nähere Auskünfte erteilt Ihnen gerne die Pressestelle der GBF Braunschweig unter der Telefon-Nummer 0531/6181-508.

03.07.2006

Immunzellen mit eingebauter Bremse

Das Molekül GPR83 kann Killerzellen zu Friedensstiftern machen

Einem natürlichen Bremsmechanismus des Immunsystems sind Braunschweiger Forscher jetzt auf die Spur gekommen. Ein Molekül namens GPR83, so fanden Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) heraus, kann überschießende Reaktionen der körpereigenen Abwehr rechtzeitig blockieren, bevor sie das eigene Gewebe schädigen. GPR83 erreicht das, indem es Abwehrzellen von einem aggressiven Zustand in einen  friedfertigen „umschaltet“. Störungen dieses Mechanismus könnten sowohl bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma oder Typ I-Diabetes als auch bei schweren Entzündungsreaktionen eine Rolle spielen. Ihre Erkenntnisse beschreiben die Wissenschaftler in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift Journal of Immunology.
Ein stetes Wechselspiel von anfeuernden und hemmenden Signalen lenkt die Aktivität der menschlichen Immunabwehr. Gelangen Bakterien oder Viren in den menschlichen Organismus, müssen Abwehrzellen schnell und effektiv gegen sie vorgehen: Deshalb haben Immunreaktionen die Tendenz, sich auch bei kleinen Anlässen durch selbstverstärkende Mechanismen rasch hochzuschaukeln. Im Fall eines falschen Alarms kann das dazu führen, dass das eigene Körpergewebe angegriffen wird und verheerende Schäden erleidet. Deshalb sind spezifische Hemm-Mechanismen, die die Immunreaktion dämpfen, unverzichtbar.
Dabei spielt die umfangreiche Klasse der T-Zellen, die unter anderem infizierte Zellen abtöten können, eine entscheidende Rolle. „Einige T-Zellen besitzen offenbar eine Art eingebauter Bremse auf ihrer Oberfläche“, erklärt die GBF-Wissenschaftlerin Dr. Wiebke Hansen. „Das Molekül GPR83 dient ihnen als Rezeptor – als Antenne, die auf heftige, entzündliche Reaktionen des Immunsystems reagiert.“ Wird GPR83 aktiviert, wandelt sich die kriegerische T-Zelle zu einer friedfertigen „regulatorischen T-Zelle“, kurz: TREG. Sie bewirkt fortan Immuntoleranz, indem sie andere T-Zellen inaktiviert. „Wer allerdings im Körper auf diese Bremse tritt – und unter welchen Umständen – das muss noch genauer geklärt werden“, sagt Hansen.
Von der Erforschung der Funktion und Wirkungsweise der T-Zell-Bremse GPR83 versprechen sich die Braunschweiger Wissenschaftler langfristig viel: „Sollte es der Medizin künftig einmal gelingen, GPR83 mit Medikamenten gezielt zu stimulieren, könnte man das bei der Bekämpfung von Über- oder Fehlreaktionen des Immunsystems einsetzen – etwa gegen Autoimmunerkrankungen und Entzündungen“, sagt GBF-Arbeitsgruppenleiter Prof. Jan Buer. Das gezielte Blockieren von GPR83 würde im Gegensatz dazu das Immunsystem „schärfer“ und angriffslustiger machen. Buer: „Das könnte einmal für schwere Infektionen oder für die Tumor-Therapie interessant werden.“


Hinweise für die Medien:

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: W. Hansen, K. Loser, A. Westendorf, D. Bruder, S. Pförnter, C. Siewert, J. Huehn, S. Beissert and J. Buer: GPR83-overexpression in naїve CD4+CD25- T cells leads to the induction of Foxp3+ regulatory T cells in vivo. Journal of Immunology 2006, Vol. 177, pp. 209-215.

Bildmaterial zum Thema finden Sie unter ...

Bildunterschriften

Nrp_Team:
Den Immunzellen und ihren Oberflächen-Strukturen auf der Spur: Forscher der GBF-Abteilung "Mucosale Immunität".
Im Bild von links: Prof. Dr. Jan Buer, Dr. Wiebke Hansen, Dr. Dunja Bruder.
Foto: GBF/ Ammerpohl.

DC mit T_Zellen:
Immunabwehr: T-Zellen (rot) tauschen Informationen mit dendritischen Zellen aus.
Foto: GBF/ Manfred Rohde

 

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10.07.2006

Hochleistungs-Zellen für die Gentherapie

Forscher entwickeln neues Verfahren zur Herstellung von Gen-Vektoren

Ein neuer Typ von Zellen, den Forscher jetzt entwickelt haben, kann schnell und kontinuierlich große und definierte Mengen von retroviralen Viruspartikeln herstellen. Der Trick dabei: Man lässt die für die Virusproduktion erforderlichen Gen-Vektoren nicht an einer beliebigen Stelle in das Chromosom der Zelle integrieren, sondern an einem bestimmten, vorher markierten und zugänglich gemachten Ort, der besonders vorteilhafte Bedingungen für die Ablesung der Gene bietet. Ihr Verfahren zur Herstellung der Hochleistungs-Produktionszellen beschreiben die Wissenschaftler der Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) und ihre Kollegen aus Frankreich und Portugal jetzt in der Fachzeitschrift Molecular Therapy.

Retroviren zählen zu den gebräuchlichsten „Gen-Fähren“ in der Grundlagenforschung und bei der Erprobung gentherapeutischer Methoden. Man nutzt sie vor allem, um Gene in Blutstammzellen einzuschleusen. Um das in therapeutischem Maßstab tun zu können, benötigt man eine größere Zahl solcher Viren – mitsamt der Gene, die sie übertragen sollen. Zur Herstellung dieser größeren Menge muss man die Vektoren in so genannte Produktionszellen einbringen: Sie lesen das Vektor-Konstrukt ab, komplementieren mit Virusproteinen und erzeugen dann zahlreiche Virus-Partikel.

Problemloser Austausch

Diese Art der Virenproduktion ist mühselig und aufwändig: „Im Prinzip verwendet man dazu noch immer die Methoden von vor 25 Jahren“, erklärt GBF-Wissenschaftlerin Dr. Dagmar Wirth. Gegenwärtige Verfahren beruhen darauf, die Vektoren in die Produktionszellen einzuschleusen, wo sie sich dann unkontrolliert in die Chromosomen einbauen. Dann wählt man diejenigen Zellen aus, die diese „Gen-Fracht“ am besten vervielfältigen. „Diese Zellen muss man dann noch für die Produktion in größerem Maßstab optimieren“, sagt Wirth.

Die praktischere Lösung: Man identifiziert statt dessen vorher die Stellen des Genoms, an denen eingebaute Gen-Vektoren besonders intensiv abgelesen werden, und platziert dort spezifische Schnittstellen, an denen die Vektoren leicht eingefügt werden können. Dazu dienten Dagmar Wirth und ihren Forscherkollegen so genannte „Rekombinase-Erkennungs-Sequenzen“. Man gewinnt so einen vielseitig nutzbaren Integrations-Ort, an dem man immer wieder neue, verschiedene Gen-Vektoren samt Fremdgenen einfügen und vervielfältigen kann.

„Die Vorteile des Verfahrens sind beträchtlich“, erklärt Dr. Hansjörg Hauser, Leiter des Forschungsbereichs Molekulare Biotechnologie der GBF. „Man erzielt höchstmögliche Virusproduktion. Außerdem kennt man die Eigenschaften der Produktionszelle – und diese ändern sich nicht bei jeder neuen Produktion. Man muss nicht jedes Mal von neuem nach Zellen mit brauchbaren Integrations-Stellen suchen. Das spart Zeit, und es spart die aufwändigen Screening-Systeme, die man für diese Suche sonst jedes Mal einsetzen muss.“ Besonders wichtig, so Hauser, sei gerade beim Thema Gentherapie der Aspekt der Sicherheit: „Wenn man weiß, an welcher Stelle des Chromosoms der Vektor sitzt, hat man nicht mehr das Risiko, dass er an einem gefährlichen Ort gelandet sein könnte. Zum Beispiel neben einem Krebsgen, das dann bei der Gentherapie ganz oder teilweise mit übertragen werden könnte.“

 

Originalartikel: R. Schucht, A.S. Coroadinha, M.A. Zanta-Boussif, M. Carrondo, H. Hauser and D. Wirth. A new generation of retroviral producer cells: Predictable and stable virus production by Flp mediated site-specific integration of retroviral vectors. Molecular Therapy, Vol. 14, Issue 2 , August 2006, Pages 285-292

 

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12.07.2006

Der neue Name der GBF: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Umbenennung am 18. Juli 2006 / Presse-Einladung für 13 Uhr

Die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig gibt sich einen neuen Namen: Von 18. Juli an heißt sie Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Damit wird die wissenschaftliche Ausrichtung der Forschungseinrichtung in Zukunft auf den ersten Blick erkennbar sein. Ein zweiter Aspekt der Umbenennung: Die Marke „Helmholtz-Gemeinschaft“ soll in Deutschland und in der Welt bekannter werden. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist die größte deutsche Wissenschaftsorganisation. In ihr sind das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und 14 weitere Forschungszentren mit insgesamt 25.000 Mitarbeitern zusammengeschlossen.

„In den Laboren unseres Zentrums untersuchen Wissenschaftler die Mechanismen von Infektionskrankheiten und ihrer Abwehr“ , erklärt Prof. Rudi Balling, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. „Die Ergebnisse der Grundlagenforschung entwickeln sie systematisch in Richtung medizinischer Anwendung weiter. Den Inhalt unserer Forschungsarbeit bringt der neue Name weitaus besser zum Ausdruck.“

Positive Erwartungen knüpft auch der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Prof. Jürgen Mlynek, an die Umbenennung: „Die international anerkannte Spitzenqualität der Forschung in der Helmholtz-Gemeinschaft soll sich in Zukunft auch in ihrem Bekanntheitsgrad spiegeln“, wünscht sich Mlynek. „Um dies zu erreichen, werden in naher Zukunft zahlreiche Zentren der Gemeinschaft ihren Namen ändern und „Helmholtz“ in die Zentrenbezeichnung aufnehmen.“ Dabei hat er vor allem den internationalen Wettbewerb im Blick, in dem die Forschungszentren stehen: „Wir wollen die Zentren besser im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe und um Fördermittel positionieren.“

Verbunden mit der Namensänderung ist auch ein neues Design. Die drei Bögen im neuen Logo stehen für die drei Kernelemente der Helmholtz-Strategie: wesentliche Beiträge zur Lösung drängender Fragen, Forschung mit Hochtechnologie und komplexer Infrastruktur sowie Transfer der Ergebnisse in eine gesellschaftliche und wirtschaftliche Anwendung.

Einladung für die Medien


Bei einem kleinen Empfang werden die beiden Geschäftsführer der GBF, Prof. Rudi Balling (Wissenschaft) und Dr. Georg Frischmann (Administration), von 13 Uhr an geladene Gäste und Vertreter der Presse persönlich begrüßen. Um eine kurze Voranmeldung unter Telefon 0531/6181-508 wird gebeten.

Gelegenheit zu einem Fototermin – voraussichtlich das Aufziehen unserer neuen Flagge – besteht unmittelbar im Anschluss daran gegen 14 Uhr.

Anfahrt

Am 18. Juli 2006 nimmt das Helmholtz-Zentrum auch ein neues Empfangsgebäude in Betrieb. Sie erreichen unseren Campus in Zukunft über die Inhoffenstraße 7. Eine Anfahrtsskizze finden Sie unter www.gbf.de oder www.helmholtz-hzi.de.

28.07.2006

Tanker-Leck als Nahrungsquelle

Forscher entziffern erstmals die Gene eines Erdöl abbauenden Bakteriums

Wenn nach Tankerunglücken gewaltige Mengen Öl ins Meerwasser auslaufen, ist das für sie ein gefundenes Fressen: Erdöl abbauende Bakterien können sich von dem energiereichen schwarzen Brennstoff ernähren – und säubern dadurch nebenbei den verseuchten Ozean. Forscher aus Braunschweig und Bielefeld haben jetzt – gemeinsam mit Kollegen  aus Italien und Spanien – erstmals das Genom eines solchen Erdöl abbauenden Mikroorganismus entschlüsselt. 

 

 

Ihre Erkenntnisse veröffentlichten die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und ihre Kollegen in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology. Das Verständnis der Biochemie des Bakteriums Alcanivorax borkumensis, so hoffen die Forscher, könnte neue Wege für die effektive und umweltfreundliche Reinigung ölverseuchter Gewässer aufzeigen.
Alcanivorax borkumensis kann sich ausschließlich von den Kohlenwasserstoffen ernähren, aus denen das Erdöl besteht“, erklärt Dr. Vitor Martins dos Santos, Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Jetzt, wo wir sein Erbmaterial sequenziert haben, wollen wir herausfinden, wie ihm das gelingt.“

 


„Man kennt bereits eine Reihe von Öl abbauenden Meeresbakterien“,  sagt Dr. Peter Goly­shin, der Koordinator dieses gemeinsamen Forschungsprojektes, an dem auch die Technische Universität Braunschweig beteiligt ist. „Aber mehrere Studien haben gezeigt, dass das in Braunschweig entdeckte Alcanivorax borkumensis weltweit zu den wichtigsten von ihnen gehört. Nach der  Genomsequenzierung wissen wir, wieso: Dieses Bakterium produziert ein ganzes Arsenal von sehr wirkungsvollen Öl oxidierenden Enzymen.“


Erkenntnisse über Biofilm-Bildung


Das könnte für den Umweltschutz von großer Bedeutung sein: Die biochemischen Tricks des Bakteriums, angelegt in seinen Genen, lassen sich möglicherweise vom Menschen gezielt für die Reinigung verseuchter Gewässer nutzen. Aber auch zum grundlegenden Verständnis bakterieller Überlebensstrategien dürfte die Auswertung des Alcanivorax-Genoms einiges beitragen: „Das Erdöl abbauende Bakterium bildet einen so genannten Biofilm an der Grenzschicht zwischen Öl und Wasser“, erklärt Prof. Kenneth Timmis, leitender Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum. „Und da Biofilme auch bei der Besiedelung des menschlichen Körpers durch Krankheitserreger eine wichtige Rolle spielen, könnte ein tieferes Verständnis dieses Prozesses auch für die Medizin von Nutzen sein.“

Hintergrund

 


Die Entschlüsselung des Alcanivorax-Genoms fand im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten und von der Universität Bielefeld koordinierten  Kompetenznetzwerks "Genomforschung an Bakterien für den Umweltschutz, die Landwirtschaft und die Biotechnologie" statt. Die Annotation des Alcanivorax borkumensis Genoms durch das internationale Wissenschaftlerteam erfolgte mittels der in Bielefeld entwickelten GenDB-Software komplett über Internetkommunikation, wie der Netzwerkkoordinator Prof. Alfred Pühler erklärt.

Originalartikel


S. Schneiker, V.A.P. Martins dos Santos, D. Bartels, Th. Bekel, M. Brecht, J. Buhrmester, T.N. Chernikova, R. Denaro, M. Ferrer, C. Gertler, A. Goesmann, O.V. Golyshina, F. Kaminski, A. Khachane, S. Lang, B. Linke, A. McHardy, F. Meyer, T.Y. Nechitaylo, A. Pühler, D. Regenhardt, O. Rupp, J.S. Sabirova, W. Selbitschka, M.M. Yakimov, K.N. Timmis, F.-J. Vorhölter, S. Weidner, O. Kaiser, P.N. Golyshin: Genome sequence of the ubiquitous hydrocarbon degrading marine bacterium Alcanivorax borkumensis sheds light on marine oil degradation. Nature Biotechnology 2006.

Der neue Name der GBF


Zum 18. Juli 2006 hat sich die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig den neu-en Namen „Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung“ gegeben. Die Umbenennung soll den Hauptfor-schungsschwerpunkt des Zentrums ebenso verdeutlichen wie die Zugehörigkeit zur Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

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15.08.2006

Zügel und Sporen für das Immunsystem

Wie Störungen des T-Zell-Gleichgewichts schwere Darmentzündungen auslösen

Ein fein balanciertes Gleichgewicht zwischen aggressiven und hemmenden Immunzellen sorgt dafür, dass die Darmschleimhaut gesund und funktionsfähig bleibt. Was geschehen kann, wenn das Zusammenspiel dieser Zellen aus den Fugen gerät, haben Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig jetzt bei Mäusen beobachtet: schwere Darmentzündungen, deren Symptome menschlichen Autoimmun-Erkrankungen wie etwa Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa sehr ähnlich sind.

„Die Darmoberfläche bildet eine Grenzlinie zwischen dem Inneren des menschlichen Körpers und der Außenwelt – und sie stellt das Immunsystem des Körpers vor immens schwere Aufgaben“, erklärt Dr. Astrid Westendorf,  Forscherin am Helmholtz-Zentrum. „Bakterien  und andere Krankheitserreger, die in den Körper einzudringen versuchen, müssen hier energisch bekämpft werden. Andererseits dürfen Nahrungsbestandteile, aber auch Zellen und Moleküle des eigenen Körpers keine Immunreaktionen auslösen. Sonst kann es zu heftigen Entzündungen kommen, die auf Dauer schwere Schäden verursachen. Unter Umständen wird die Darmschleimhaut dann sogar selbst zerstört.“

 

 

Dramatisches Krankheitsbild

Genau dies geschieht bei so genannten Villin-HA-Mäusen, die Westendorf und ihre Kollegen untersuchten: „Diese Tiere gehören zu einem genetisch veränderten Stamm und haben auf den Zellen ihrer Darmschleimhaut ein Molekül namens Hämagglutinin, kurz HA“, erklärt die Wissenschaftlerin. Die Forscher verabreichten den Tieren Immunzellen aus dem Blut eines anderen Mäusestamms, der speziell gegen das HA gerichtete Immunzellen produziert. Die Folge: Die Immunzellen griffen die Darmoberfläche an und erzeugten ein dramatisches Krankheitsbild, wie man es ähnlich bei Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen findet.

 

 

Verblüffende Toleranz

Wenn man die beiden Mäusestämme kreuzt, zeigt sich jedoch Erstaunliches: „Die Nachkommen haben dann zwar sowohl das HA auf der Darmoberfläche als auch die speziell gegen HA gerichteten Immunzellen im Blut. Trotzdem bleiben sie gesund.“ Die Ursache dieses als „Immuntoleranz“ bezeichneten Phänomens sind vermutlich die so genannten regulatorischen T-Zellen, kurz TREG – spezifische „Bremsen“ des Immunsystems, die andere Abwehrzellen hemmen und lahm legen, bevor sie ihre Attacken zu weit treiben und damit im eigenen Körper Schaden anrichten. „Diese TREG müssen sich bei den Tieren im Lauf ihres Lebens entwickelt haben“, sagt Dr.Westendorf. Sie halten die Abwehrzellen, die meist dem Typ der CD4+ - oder CD8+-T-Zellen angehören, im Zaum, da diese sonst gegen einen ständig vorhandenen Bestandteil der eigenen Darmoberfläche vorgehen würden.

 

 

Komplexes Wechselspiel

„Ein ständiges Wechselspiel zwischen aggressiven T-Zellen und hemmenden TREG erhält das immunologische Gleichgewicht an unserer Darmschleimhaut“ erklärt Prof. Jan Buer, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Viele chronisch entzündliche Darmerkrankungen entstehen, weil dieses Gleichgewicht nicht mehr funktioniert.“ Buer hofft: „Ein besseres Verständnis dieser Prozesse könnte uns künftig Möglichkeiten eröffnen, die Reaktionen des Immunsystem gezielt anzuheizen oder zu dämpfen. Das könnte Behandlungsansätze für Autoimmunerkrankungen wie Morbus Crohn liefern, aber auch für Infektionen oder Tumore, bei denen man die Immunreaktion gezielt aktivieren müsste.“

 

 

Quelle

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: Westendorf A.M.,  Fleissner D., Deppenmeier S., Gruber A.D., Bruder D., Hansen W., Liblau R., Buer J. (2005). Autoimmune mediated intestinal inflammation – impact and regulation of antigen specific CD8+ T cells. Gastroenterology 131(2):510-24

 

 

Hintergrund: Der neue Name der GBF

Zum 18. Juli 2006 hat sich die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) in Braunschweig den neuen Namen „Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung“ gegeben. Die Umbenennung soll den Hauptforschungs­­­­schwerpunkt des Zentrums ebenso verdeutlichen wie die Zugehörigkeit zur Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

 

 

Bildunterschrift:

Darmbakterien (orange) an der Oberfläche von Darmschleimhautzellen.

Rechts: Feinstruktur der Mikrovilli auf der Darmoberfläche.

Foto: Helmholtz-hzi/ Kurt Dittmar

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05.09.2006

Hoher Besuch

Niedersächsisches Landeskabinett tagt im Twincore

Das Niedersächsische Landeskabinett hat am 5. September im neuen Forschungsinstitut in Hannover – dem „Twincore“ getagt. Dieses Zentrum für experimentelle und klinische Infektionsforschung wird gemeinsam vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) gegründet und betrieben.

Die Ministerinnen und Minister wurden durch den Präsidenten der MHH, Prof. Dieter Bitter-Suermann, und den Wissenschaftlichen Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums, Prof. Rudi Balling begrüßt.

 

Die Wissenschaftler des Twincore werden sich einem Thema widmen, das immer mehr an Bedeutung gewinnt: Infektionen haben gewaltige soziale und wirtschaftliche Bedeutung. Sie verursachen ein Drittel aller Todesfälle weltweit. Gegen zahlreiche globale Epidemien wie beispielsweise AIDS oder Hepatitis C gibt es nach wie vor weder Impfungen noch Möglichkeiten der Heilung. Neue Krankheiten wie Sars können die Gesundheit von Millionen Menschen bedrohen. Ergebnisse aus der Infektionsforschung müssen deshalb schnell den Weg in die klinische Anwendung finden – als vorbeugende Impfung oder als heilendes Medikament.

 

Hier setzt das Twincore an. Denn dort werden zukünftig Teams aus Grundlagenforschern und klinischen Wissenschaftlern in gemeinsamen Projekten arbeiten. Der Vorteil: Die Ärzte der MHH kennen ganz genau die Probleme, die bei der Behandlung von Patienten auftauchen. Die Grundlagenforscher – sowohl der MHH als auch des HZI – verfügen über die Methoden und die technische Ausrüstung, um diese Probleme zu lösen. Außerdem kann das HZI Plattformtechnologien zur Verfügung stellen, über die eine Universität nicht verfügt.

 

Das Institut kombiniert also die infektionsbiologische Grundlagenforschung des HZI mit der klinischen Infektionsforschung der MHH. In Deutschland ist es ein einmaliges Modell und beispielhaft für die Zusammenarbeit von universitärer und außeruniversitärer Forschung. Anspruch des Forschungszentrums ist es, international an der Spitze der Infektionsforschung zu stehen. Es wird eine treibende Kraft bei der Übertragung von Ergebnissen der Grundlagenforschung in neue Impfstoffe, Diagnostika und Therapien sein.

 

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27.09.2006

Beim DNA-Transfer ist weniger mehr

"Minicircles" ohne bakterielle Elemente eröffnen neue Horizonte

Die Hürden für die Gentherapie sind hoch: Gene, die man zusätzlich zum
vorhandenen DNA-Bestand in eine Zelle einbringen will, werden schnell
als fremd erkannt und inaktiviert. Winzige Unterschiede zwischen der
eigenen und der fremden DNA rufen zelluläre Abwehrmechanismen hervor,
und nach wenigen Teilungen der Wirtszelle ist jede therapeutische
Wirkung stillgelegt.

Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung ist es
nun gelungen, die einzubringende DNA auf das Allernötigste zu
reduzieren. Ihr viel versprechendes System der "Minicircles" beschreiben
die Braunschweiger Wissenschaftler in der neuesten Ausgabe der
Fachzeitschrift Gene Therapy and Molecular Biotechnology.


Viren als Vorbilder



"Die bisher verwendete Standardtechnik basiert auf der Verankerung der
eingebrachten DNA im Genom der Wirtszelle", erklärt Professor Jürgen
Bode, Leiter der Arbeitsgruppe "Epigenetische Regulationsmechanismen" im
Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. "Ihre Wirksamkeit, die so
genannte Expression, hängt von der Integrationsstelle ab."

Von Viren übernahmen die Genforscher das Prinzip der "Episomen": kleine
ringförmige DNA-Moleküle, die sich locker an die Chromosomen anheften
und ihnen bei der Zellteilung in die Tochterzellen folgen. "Im Gegensatz
zu viralen Episomen brauchen wir als Haftmechanismus allerdings keine
viralen - und damit potenziell gefährlichen - Proteine", erklärt die
Helmholtz-Wissenschaftlerin Dr. Kristina Nehlsen, "sondern lediglich
kurze DNA-Haftsequenzen."



Bakterien entfernen Bakterien-Gene



Diese Episomen konnten nun, nachdem man Bakterien für ihre Produktion
benutzt hatte, nachträglich auch noch von allen bakteriellen Sequenzen
befreit werden. Der Clou dabei: Ein durch Hitze aktivierbares Enzym
sorgt dafür, dass das Bakterium selbst nach getaner Produktions-Arbeit
die Markierungs- und Selektionsgene entfernt, die für die
Vervielfältigung zu Beginn noch nötig waren. "Alle Elemente bakteriellen
Ursprungs haben wir auf diese Weise aus den DNA-Elementen
herausgeschnitten", erklärt Sandra Broll, Biologin in Bodes
Arbeitsgruppe. "Bei den dabei entstehenden so genannten Minicircles
fällt der tierischen Zelle gar nicht mehr auf, dass es sich um fremde
DNA handelt."

Um bei jeder Zellteilung vererbt zu werden, muss die einzubringende DNA
zunächst vorsichtig in die Zelle geschleust werden: Die DNA-Minicircles
werden in kleine Lipidtröpfchen verpackt, die dann mit der äußeren Hülle
der Wirtszelle verschmelzen. Im Zellinneren können sich die Mini-Ringe
dann dank spezieller Elemente, der so genannten S/MARs, am Zellkern
anheften. S/MAR steht für scaffold/matrix attachment region - kurze
DNA-Stücke, die an die Zellkern-Matrix binden und aktive DNA-Bereiche
von inaktiven isolieren. Einmal im Zellkern angeheftet, werden die
DNA-Minicircles bei jeder Zellteilung weiter vererbt und gleich bleibend
abgelesen. Der therapeutische Effekt ist also nachhaltiger als bei
herkömmlichen Systemen und ist auch für schnell teilende Zellen, wie
solche des blutbildenden Systems gut geeignet.

Die Methode wurde zunächst für Minicircles ausgearbeitet, die nur ein
einzelnes Gen tragen. "Je größer die übertragene DNA ist, desto
instabiler wird sie leider", sagt Prof. Bode. "In den nächsten Schritten
sollen mindestens zwei Gene auf getrennten Circles übertragen und in
ihrem Expressionsverhältnis angeglichen werden. Ein solcher, neuartiger
Ansatz eignet sich zunächst für die Herstellung von Antikörperketten im
optimalen Verhältnis."



Hinweis für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: K. Nehlsen, S.
Broll, J. Bode: Replicating minicircles: Generation of nonviral episomes
fort the efficient modification of dividing cells. Gene Therapy and
Molecular Biology, 2006, Vol. 10.

Das Inhaltsverzeichnis des demnächst erscheinenden Bandes 10 B von Gene
Therapy and Molecular Biology ist im Internet über

http://www.gtmb.org/TOC_volume10B.html zugänglich.

Die Publikation kann direkt über
http://www.gtmb.org/volume10/25_Nehlsen/25_Nehlsen_233-244.pdf

abgerufen werden. Informationen zum Journal selbst gibt es unter
http://www.gtmb.org/index_gtmb.html


Dokumente (Download)

11.10.2006

Den Mechanismen der Virusproduktion auf der Spur

Multifunktionelles Protein moduliert die Produktion von Retroviren

Entscheidend für den Lebenszyklus eines Retrovirus ist vor allem die Vermehrung des Virus in der Wirtszelle. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung konnten nun die Beteiligung des Proteins Caveolin-1 an der retroviralen Reifung nachweisen. Ihre Ergebnisse präsentieren sie in der aktuellen Ausgabe des Virology Journal.

Das Leukämie-Virus der Maus (MLV) gehört zu den Gamma-Retroviren, die einzelsträngige RNA als Erbsubstanz tragen. Wird eine Zelle von einem solchen Virus befallen, wird zunächst die RNA in DNA umgeschrieben und in das Genom des Wirtes eingebaut. Nun ist die Zelle gezwungen, nicht nur die fremde RNA zu vervielfältigen, sondern auch die entsprechenden Virushüllen zu produzieren. Schließlich werden neue infektiöse Viruspartikel nach und nach von der Wirtszelle freigesetzt.

Bedeutung für die Therapie von Erkrankungen

„Die Erforschung dieser so genannten „späten Prozesse“ hat in den letzten Jahren aufgrund neuer Erkenntnisse auf der viralen als auch der zellulären Seite einen besonderen Aufschwung erlebt“, so Dr. Manfred Wirth aus der Arbeitsgruppe „Epigenetische Regulationsmechanismen“. Hier sind vor allem die zellulären Targets für therapeutische Zwecke in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt. „In diesem Zusammenhang konnten wir zeigen, dass Caveolin-1, ein multifunktionelles, membranassoziiertes, zelluläres Protein, eine entscheidende Rolle bei der Reifung des Maus-Leukämievirus spielt.“, so Wirth. „Es stellte sich heraus, dass Caveolin-1 einem viralen Protein das Andocken an der Zellmembran erleichtert. Von dort aus verlassen dann neu zusammengesetzte Viren die Zelle.“ Die Orte an denen diese Knospung stattfindet, schwimmen als cholesterinreiche Flöße in der Plasmamembran. Interessanterweise gilt das nicht nur für die Gruppe der Gamma-Retroviren. „Es scheint sich hier um einen generellen Mechanismus zu handeln, den auch Vertreter anderer viraler Familien für ihre Zwecke ausnutzen, darunter auch einige Viren, die beim Menschen Krankheiten auslösen.“

Das Verständnis dieser grundlegenden Vorgänge während der Vermehrung von Retroviren – ihr Eintritt in die Zielzelle, ihre Integration in das Wirtsgenom, die Vermehrung der viralen Bestandteile, der Zusammenbau und ihr Austritt aus der Wirtszelle - ist sowohl für die Entwicklung therapeutischer Ansätze als auch für die Weiterentwicklung retroviraler Vektoren für den Gentransfer von entscheidender Bedeutung. Maus-Retroviren werden häufig in ungefährlicher Form in der Gentherapie eingesetzt.


Hinweis für die Medien

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: Z. Yu, C. Beer, M. Koester and M. Wirth: Caveolin-1 interacts with the Gag precursor of murine leukaemia virus and modulates virus production. Virology J. 3: 73 2006. http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=16956408

16.10.2006

Preis für verständliche Wissenschaft geht an Helmholtz-Forscher

Dr. Florian Bredenbruch analysiert das geheimnisvolle Teamwork der Bakterien

Florian Bredenbruch vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig hat jetzt den Klaus-Tschira-Preis für verständliche Wissenschaft 2006 gewonnen. Dieser mit 5000 Euro dotierte Preis wird an junge Naturwissenschaftler vergeben, die ihr Promotionsthema der Öffentlichkeit besonders verständlich darstellen können. Der Artikel, mit dem Bredenbruch dies gelungen ist, wird in einer Beilage zur November-Ausgabe der Zeitschrift „Bild der Wissenschaft“ publiziert.

 

Bredenbruch untersuchte ein kürzlich bei P. aeruginosa entdecktes Signalmolekül, das „Pseudomonas Quinolon Signal“, kurz PQS: „PQS ist offenbar weniger ein Signal- als vielmehr ein Stressmolekül. Die Bakterien bringen damit ihre Artgenossen um – unter Stressbedingungen opfern sich Teile der Gemeinschaft und stellen damit Ressourcen für die Überlebenden bereit.“ Die Bakterien setzen ihre Erbsubstanz (DNA) frei, die als Nährstoff und für das Aneinanderheften der Bakterien in Biofilmen verwendet wird. „Bakterien, die in ihrer PQS-Bildung beeinträchtigt sind, begehen zwar keinen Brudermord, setzen aber auch keine DNA frei. Sie können dann die enorme genetische Vielfalt in Biofilmen nicht mehr aufbauen, die eine wichtige Rolle für das Überleben der Pseudomonaden und die Aufrechterhaltung der chronischen Infektion im Patienten spielt.“

 

In seiner Promotion hat Bredenbruch sich mit Pseudomonas aeruginosa beschäftigt, einem Bakterium, das für Mukoviszidose-Patienten das Todesurteil bedeuten kann. Mukoviszidose ist eine Erbkrankheit, bei der die Körperorgane einen zähen Schleim produzieren, der nur schlecht abgebaut und abtransportiert wird. Besonders dramatisch sind die Folgen in der Lunge – sie verschleimt bei Mukoviszidose-Patienten regelrecht. Dr. Bredenbruch weiß: „In diesem Schleim fühlt sich P. aeruginosa wohl. Eigentlich handelt es sich um harmlose Umweltbakterien, aber sie vermehren sich stark und bilden einen gefährlichen Biofilm. In diesem Stadium ist die Lungeninfektion mit den derzeit verfügbaren Antibiotika nicht mehr zu bekämpfen.“ Um den Biofilm bilden zu können, arbeiten die Bakterien koordiniert zusammen: „Die Bakterien haben aber weder Ohren noch einen Mund – sie scheiden kleine Signalmoleküle aus. Die Konzentration dieser Signalstoffe registrieren die Bakterien. Sie spüren, wenn sie in sehr großer Zahl beisammen sind und bilden einen Biofilm.“ Für eine effektive Bekämpfung muss man den richtigen Ansatzpunkt, die Achillesferse des Biofilms, finden. Bredenbruch vermutet: „Damit nicht alle Bakterien dem Selbstmord zum Opfer fallen, gibt es wahrscheinlich einen an die PQS-Produktion gekoppelten Schutzmechanismus. Könnte man diesen Schutzmechanismus lahm legen, wäre es wahrscheinlich, dass sich die Population ungebremst selbst umbringt. Mit solch einer Substanz hätten wir zusätzliches medizinisches Handwerkszeug, um chronische Pseudomonas-Infektionen von Mukoviszidose-Patienten zu bekämpfen.“

 

04.11.2006

Tag der offenen Tür am Helmholtz-Zentrum

Spannender Einblick in die Welt der Wissenschaft - Das Helmholtz-Zentrum lädt am 4. November zum Tag der offenen Tür

Beim Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung können interessierte Bürger auch in diesem Jahr wieder einen Einblick in die Welt der Wissenschaft gewinnen. Am Tag der offenen Tür - dem Samstag, 4. November, zwischen 9 und 16 Uhr - werden ausgewählte Forschungsprojekte vorgestellt sowie wissenschaftliche Präsentationen, Filmvorträge und Diskussionen angeboten.

In stündlichen Führungen zeigen Forscher aus den einzelnen Bereichen des Helmholtz-Zentrums ihre Laboratorien. Dabei können wissbegierige Besucher unter anderem erfahren, wie die Wissenschaftler Bakterien im Kampf gegen Tumore einsetzen wollen, wie ein Elektronenmikroskop funktioniert oder wie man nach neuartigen Antibiotika sucht. Außerdem präsentieren sich die Ausbildungsberufe des Zentrums und der technische Betrieb. Studierende sind eingeladen, sich bei der Doktorandeninitiative über unsere Ausbildung im Rahmen von Diplom- und Doktorarbeiten zu informieren. Das biotechnologische Schülerlabor BioS bietet Experimente zum Mitmachen an.



Vorträge und Infos zur "Stadt der Wissenschaft 2007"



Für ein umfassendes Rahmenprogramm ist gesorgt: Filmbeiträge zu verschiedenen Forschungsthemen ermöglichen einen Blick hinter die Kulissen und in den Arbeitsalltag der Forscher. Nach den Filmvorführungen stehen die Wissenschaftler für Diskussionen zur Verfügung.

Um 14 Uhr hält Braunschweigs Kulturdezernent Wolfgang Laczny einen Vortrag zum Thema "Europas heißeste Forschungsregion - Braunschweig ist Stadt der Wissenschaft 2007". Um 15 Uhr erklärt Dr. Siegfried Weiß, Leiter der Arbeitsgruppe "Molekulare Immunologie" am Helmholtz-Zentrum, "Das Immunsystem des Menschen".



Hinweis



Die neue Zufahrt zum Helmholtz-Zentrum liegt im Gewerbegebiet Stöckheim in der Inhoffenstraße, zwischen dem Möbelzentrum und der Bezirkssportanlage. Parkmöglichkeiten befinden sich auf dem Gelände. Nahezu sämtliche Parkplätze werden am Tag der offenen Tür für Besucher reserviert sein. Da die Parkfläche auf dem Campus aber insgesamt begrenzt ist, empfiehlt es sich, auf die öffentlichen Verkehrsmittel auszuweichen.



Information: Der neue Name der GBF



Zum 18. Juli 2006 hat sich die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) den neuen Namen "Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung" gegeben. Er verdeutlicht  den Hauptforschungsschwerpunkt sowie die Zugehörigkeit zur Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

 

Für alle Wissbegierigen, die sich schonmal einen Überblick verschaffen wollen - hier unsere Broschüre zum Download.

10.11.2006

Neue Kunststoffe für bessere Zellen-Zucht

Bund unterstützt ein in Braunschweig koordiniertes Forschungsprojekt

Neuartige Kunststoff-Oberflächen zu entwickeln, auf denen menschliche und tierische Zellen besser und kontrollierbarer wachsen sollen als bislang: Mit diesem Ziel haben sich neun Projektpartner zur Forschungskooperation „Innosurf“ zusammengeschlossen. Koordiniert wird das Projekt von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hat das Vorhaben jetzt für sein Förderprogramm „InnoNet“ ausgewählt und will die Kooperationspartner mit insgesamt einer Million Euro unterstützen.


„Wenn man Zellen in Kultur züchtet, wachsen sie gegenwärtig in Form eines einfachen Rasens am Kulturgefäß fest – oder sie schwimmen in der  Nährlösung“, erklärt Innosurf-Koordinator Dr. Kurt Dittmar, Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Künftig wollen wir Zellen von verschiedenen Gewebetypen in komplexen dreidimensionalen Strukturen wachsen lassen.“ Dazu benötige man aber erst geeignete Werkstoffe für die Oberflächen. „An solchen Strukturen“, so erläutert Dittmar das Fernziel der Technologie, „könnte man natürlich viel mehr erforschen als an einfachen Zellkulturen, weil sie große Ähnlichkeit mit menschlichen oder tierischen Organen hätten.“ Neben den neuen Oberflächen sollen auch Messgeräte zur berührungsfreien Überprüfung der Funktion der Zellen oder Gewebsstrukuren entwickelt werden.


Neben dem Helmholtz-Zentrum gehören zum Innosurf-Verbund auch die Klinik für Onkologie und Hämatologie und das Institut für Klinische Transfusionmedizin am Städtischen Klinikum Braunschweig, das Institut für Elektrische Messtechnik und Grundlagen der Elektrotechnik an der Technischen Universität Braunschweig, das Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik in Braunschweig sowie die Universität Tübingen. Darüber hinaus beteiligen sich – forschend und finanziell – vier privatwirtschaftliche Unternehmen.

Hintergrund: InnoNet – Wettbewerb und Förderprogramm

Mit dem groß angelegten Förderprogramm InnoNet will das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie innovative Netzwerke stärken und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit mittelständischer Unternehmen erhöhen. Gefördert werden dabei stets Verbundprojekte, an denen sich mindestens zwei rechtlich selbstständige Forschungseinrichtungen und mindestens vier kleine und mittlere Unternehmen beteiligen. Das Programm ist als Ideenwettbewerb konzipiert: Die Netzwerke bestimmen eine der Forschungseinrichtungen zum Koordinator und reichen ihr Projekt gemeinsam als Ideenskizze ein. Eine Jury wählt aus den Bewerbungen die förderungswürdigen Vorhaben aus. Mit der Projektträgerschaft für InnoNet hat das Ministerium die VDI/VDE Innovation + Tech¬nik GmbH beauftragt.

Information: Der neue Name der GBF

Zum 18. Juli 2006 hat sich die Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF) den neuen Namen „Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung“ gegeben. Er verdeutlicht den Hauptforschungsschwerpunkt sowie die Zugehörigkeit zur Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands.

17.11.2006

Mehr Sicherheit für Trinkwasser – europaweit

Helmholtz-Zentrum koordiniert EU-Projekt zur Trinkwasser-Forschung

Trinkwasser ist unser wichtigstes Lebensmittel – jeder nimmt es täglich zu sich. Umso bedeutender ist es, genau zu wissen, welche Mikroorganismen sich darin befinden und welche Erkrankungen des Menschen sie auslösen, wenn ihre Zahl zu groß ist. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig koordinieren jetzt ein EU-Projekt, das diesen Fragen nachgeht. Die EU verspricht sich von dem „Healthy Water“ genannten Vorhaben wesentliche Erkenntnisse zur Verbesserung ihrer Trinkwasserrichtlinien. Über drei Jahre fördert sie das Projekt mit insgesamt 2,4 Millionen Euro.

„In Deutschland hat Trinkwasser hervorragende Qualität“, stellt Projektleiter Dr. Manfred Höfle fest. Diese Sicherheit gibt jedoch nicht überall in Europa – deshalb wird ein Schwerpunkt des Projekts auf risikobehafteten Trinkwasserquellen und Verteilungssystemen in Europa liegen. Zudem ist die Messung der Verunreinigung mit Krankheitserregern derzeit nicht ganz unproblematisch. Höfle: „Wir bestimmen nur die Zahl einer Bakterienart – Escherichia coli – über den Gehalt an anderen Bakterien, an Viren oder so genannten Protozoen, also tierischen Einzellern, wissen wir damit aber gar nichts.“

Deshalb wollen die Helmholtz-Wissenschaftler mit ihren neun EU-Partnern aus Industrie und Forschung nun einen Chip testen und weiterentwickeln. Er soll bisher nicht erfasste Mikroorganismen nachweisen. Höfle und seine Kollegen können auf große Erfahrung zurückgreifen, denn einen „Aqua-Chip“ zum Nachweis bakterieller Erreger haben sie bereits erfolgreich entwickelt.

„Jetzt wollen wir die Zahl der erfassbaren Erreger erhöhen und den Chip auch empfindlich für Viren machen“, erklärt die am Projekt beteiligte Wissenschaftlerin Dr. Ingrid Brettar. Dies sei sehr anspruchsvoll, weil bei Bakterien und Protozoen die Erbsubstanz DNA als Nachweis diene. Manche Viren speicherten ihre genetischen Informationen jedoch auf einer anderen Substanzklasse, den RNA-Molekülen. „Die muss der Chip genauso wie DNA erkennen“, so Brettar.

Mit dem neuen Chip werden sich also bisher unbeachtete Keime im Trinkwasser nachweisen lassen. Damit ergeben sich ganz neue Chancen für den Schutz der Menschen vor Infektionskrankheiten. „Wir gehen davon aus, dass kontaminiertes Trinkwasser mehr Krankheiten verursacht, als man bisher vermutet hat“, so Projektleiter Höfle. Um herauszufinden, welche Infektionskrankheiten in Europa durch unhygienisches Wasser ausgelöst werden, setzt das wissenschaftliche Konsortium aber nicht nur auf den Chip. „Wir werden eine Reihe so genannter epidemiologischer Studien, sowie Befragungsaktionen bei Ärzten durchführen und Faktoren identifizieren, die auf Zusammenhänge von Infektionen und unsauberem Trinkwasser hinweisen“, beschreibt Höfle das Vorgehen. „Solche strukturierten Daten liegen in Europa bisher noch nicht vor. Wir versprechen uns davon Hinweise darauf, auf welche Erreger wir bei der Chip-Entwicklung ein besonderes Augenmerk legen müssen. Damit hoffen wir, einen wesentlichen Beitrag für sicheres Trinkwasser in Europa leisten zu können.“

mehr zum Projekt "Healthy-Water" unter www.helmholtz-hzi.de/healthy-water

21.11.2006

Wenn Bakterien sich hartnäckig festsetzen

Forscher zeigen: Bei Dauerinfektionen bleiben viele Gegenmittel wirkungslos

Manche Menschen erkranken periodisch immer wieder an Streptokokken-Infektionen, leiden dabei unter schweren Mandelentzündungen, Scharlach oder Erisypel, einer schmerzhaften Hauterkrankung. Warum ihnen die medikamentöse Behandlung nur vorübergehend hilft, haben Forscher aus Braunschweig gemeinsam mit Kollegen in Minneapolis jetzt herausgefunden: Die Patienten erhalten nicht das richtige Antibiotikum.

 

„Mediziner verabreichen bei Streptokokken-Infektionen meist Penicillin“, sagt Prof. Singh Chhatwal, Bereichsleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Das ist, wie neuere Erkenntnisse vermuten lassen, nicht die optimale Wahl. „Seit Kurzem weiß man, dass die klinisch bedeutsamen Gruppe A-Streptokokken dauerhaft in menschlichen Zellen überleben können“, erklärt Helmholtz-Wissenschaftler Dr. Manfred Rohde. „Sie verstecken sich beispielsweise in den Zellen des Mandelgewebes.“ Lange Zeit machen sich die Bakterien dann nicht bemerkbar – irgendwann allerdings kommen sie wieder zum Vorschein und dringen in andere Körpergewebe vor, der Patient erkrankt aufs Neue.

 

Eine solche so genannte persistierende Infektion lässt sich mit Penicillin nicht dauerhaft besiegen. Der Grund: „Das Penicillin kann gar nicht in die Epithelzellen der Mandeln eindringen“, sagt Rohde. „Folglich stört es die dort überdauernden Streptokokken auch nicht.“ Eine mögliche Lösung sieht der Mikrobiologe darin, auf andere Antibiotika auszuweichen: „In unseren Zellkulturen zeigte sich, dass Medikamente wie Erythromycin oder Azithromycin sehr wohl in die Epithelzellen gelangen. Sie entfalten dort auch ihre Wirkung und töten die Keime, die sich im Zellinneren festgesetzt haben.“

 

„Natürlich muss die klinische Praxis erst noch zeigen, ob für den menschlichen Organismus dasselbe gilt wie für Zellkulturen im Labor“, schränkt Prof. Chhatwal ein. „Aber wir halten es für sehr wahrscheinlich, dass in Zukunft Penicillin nicht mehr das Mittel der Wahl sein wird, wenn man persistierende und wiederkehrende Streptokokken-Infektionen behandelt. Man wird Antibiotika einsetzen, die in Epithelzellen vordringen können, und so verhindern, dass sich eine hartnäckige Dauer-Infektion festsetzt.“

 

Über Streptokokken

Die Streptokokken, vor allem die besonders aggressiven Gruppe A-Streptokokken, sind in der Umwelt weit verbreitet und in vielen menschlichen Hals-, Rachen- oder Mundabstrichen zu finden. Nicht jeder Träger dieser Bakterien wird krank, eine vorübergehende Schwächung des Immunsystems muss hinzukommen. Je nach Bakterien-Stamm und Infektionsort können die Keime sehr verschiedene Krankheitsbilder auslösen. Dazu gehören Scharlach, Erisypel und die nekrotisierende Fasziitis, bei der großflächig Gewebe abstirbt. Auch kariöse Zahnfäule wird von einer Streptokokken-Art ausgelöst. Gelangen sie über die Blutbahn an andere Stellen des Körpers, verursachen die Erreger Abszesse in Hals, Lunge und Leber, sogar lebensbedrohliche Herzklappenentzündungen.

 

Quelle

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: E. L. Kaplan, G.S. Chhatwal, M. Rohde: Reduced Ability of Penicillin to Eradicate Ingested Group A Streptococci from Epithelial Cells: Clinical and Pathogenic Implications.  Clinical Infectious Diseases.2006:43 (1 December), pp. 1398-1405

 

 

Bild 1 („PEN_Azi-live_dead”)

 

Unterschiedliche Erfolge im Kampf gegen die verborgene Gefahr:

Mikroskopische Aufnahmen von mit Penicillin (Pen) und Azithromycin (AZI) behandelten Streptokokken im Inneren einer menschlichen Zelle. Das Bild zeigt eine so genannte „Live/Dead-Markierung“ mit einem Farbstoff, der abgetötete Bakterien rot erscheinen lässt, lebende, intakte Bakterien dagegen grün.

Foto: Helmholtz-HZI / Rohde

 

 

Bild 2 („Pen_Azi-Schnitte“)

 

Ultradünnschnitte von mit Penicillin (Pen) und Azithromycin (AZI) behandelten Streptokokken im Inneren einer menschlichen Zelle. Man erkennt sehr deutlich die massive Schädigung der Bakterien durch Azithromycin, während das häufig eingesetzte Antibiotikum Penicillin hier wirkungslos bleibt.

Foto: Helmholtz-HZI / Rohde

 

 

Bild 3 („Umschlag2_A_Opti_dhs“)

 

Elektronenmikroskopische Aufnahme von Streptokokken-Bakterien, die gerade an Kollagenfasern binden.

Foto: Helmholtz-HZI / Rohde

 

 

Bild 4 („chhatwal_rohde_x1“)

 

Ketten als Bedrohung: Infektiöse Streptokokken werden im Rasterelektronenmikroskop sichtbar. Im Bild: Prof. Singh Chhatwal (links), Dr. Manfred Rohde.

Foto: Helmholtz-HZI

 

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03.01.2007

Eisennieten in den Zellbausteinen

In Schwefelsäure leben Einzeller mit einzigartiger biochemischer Ausstattung

Dass der einzellige Organismus Ferroplasma acidiphilum in Schwefelsäure leben kann – und das sogar ohne Zellwand – ist ungewöhnlich genug. Seine Einzigartigkeit jedoch besteht in seiner besonderen Beziehung zum Eisen: Wie Forscher aus Braunschweig und Madrid jetzt herausgefunden haben, gewinnt Ferroplasma acidiphilum nicht nur seine Energie aus der Umwandlung von Eisen – es „frisst“ das Metall sozusagen und lässt Rost zurück – sondern nutzt es vor allem als wesentliches Strukturelement für die meisten Proteine seiner Zelle. Damit zeigt der Einzeller eine biochemische Ausstattung, die ihn von allen anderen bislang bekannten Lebewesen unterscheidet. Möglicherweise hat der Mikroorganismus dabei eine urtümliche Eigenheit aus den Frühzeiten der Evolution konser-viert. Ihre Erkenntnisse beschreiben die Forscher in der jüngsten Ausgabe der Zeitschrift Nature.
„Ferroplasma acidiphilum gehört zu den Archaebakterien – Mikroorganismen, die in sehr unge-wöhnlichen, extremen Lebensräumen existieren können“, erklärt Dr. Olga Golyshina, die Wissenschaftlerin vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, die den Keim vor wenigen Jahren aus Pyrit-Erzen isoliert und zum ersten Mal beschrieben hat. Ferroplasma lebt an Standorten mit eisenhaltigen Erzen oder in säurehaltigen Abflüssen aus dem Bergbau. „Da der Energiegewinn aus Eisenoxidation sehr gering ist, muss Ferroplasma tonnenweise eisenhaltige Gesteine umwandeln“,  sagt Professor Ken Timmis, leitender Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Es leistet durch seine Stoffwechselaktivitäten eine enorme biochemische und geologische Arbeit.“ Gemeinsam mit Kollegen von der Technischen Universität Braunschweig und dem CSIC Institute of Catalysis in Madrid hat Timmis die Molekül-Bausteine des Organismus, die Proteine, untersucht. Das Ergebnis: „Mehr als 80 Prozent der Proteine von Ferroplasma acidiphilum enthalten Eisenatome “, sagt Dr. Peter Golyshin, der sowohl an der TU als auch am Helmholtz-Zentrum forscht. „ In allen anderen untersuchten Organismen, auch bei anderen Archaebakterien, sind eisenhaltige Proteine nur in geringen Mengen vertreten.“ In den meisten Fällen dienen die Ei-senatome als Stabilisatoren, die die räumliche Struktur der Proteine in Ferroplasma aufrecht erhal-ten. Die Forscher nennen diese Eisenatome in Ferroplasma „iron rivets“, zu Deutsch eiserne Nieten.
Die Entdeckung der einzigartigen, durch „Eisennieten“ verstärkten Protein-Maschinerie von Ferro-plasma regt die Wissenschaftler zu Schlussfolgerungen über die Frühzeit der Evolution an. „Eine derzeit viel diskutierte Theorie über die Entstehung des Lebens besagt, dass die frühesten biologischen Moleküle auf Oberflächen mit viel Eisen und Schwefel entstanden sein müssen“, erklärt Timmis. Erze wie etwa Pyrit, in dessen Nähe Ferroplasma acidiphilum gut wächst, hätten als Katalysator für die Entstehung der frühesten Bausteine des Lebens gedient. Die ersten Zellen könnten viele che-mische Prozesse mit Eisen-Schwefel-Katalyse beibehalten haben; vielleicht benutzten sie Eisen auch als Proteinstruktur-stabilisierendes Element. Später musste die Evolution auf andere Baupläne für die Proteine ausweichen, um eisenarme Habitate besiedeln zu können. „Eine absolute Ausnahme bildet da der Lebensraum, in dem Ferroplasma acidiphilum bis heute zu finden ist“, sagt Timmis. „Hier gibt es gelöstes Eisen weiterhin in Hülle und Fülle. Möglicherweise gehört Ferroplasma zu einem evolutionären Zweig des Lebens, der diese Umwelt nie verlassen hat und deshalb die eisernen Nieten nicht ersetzen musste.“

 

Quelle


Originalartikel: M. Ferrer, O.V. Golyshina, A. Beloqui, P.N. Golyshin, K. N. Timmis. The cellular machinery of Ferroplasma acidiphilum is iron-protein-dominated. Nature 2007

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10.01.2007

Die molekularen Waffen des Grippe-Erregers

Wie ein kleines Viren-Molekül Zellen zum Absterben bringt

Das Influenza A-Virus, kurz IAV, löst immer wieder weltweite Grippe-Epidemien aus und tötet dabei Zehntausende, manchmal sogar Millionen von Menschen. Eine der molekularen „Waffen“, die der Erreger auf uns richtet, haben Forscher jetzt gründlich untersucht. Ihre Analyse des IAV-Moleküls PB1-F2 zeigte, dass dieses nur sehr kleine Protein für die verheerende Wirkung des Erregers zumindest mitverantwortlich sein könnte. PB1-F2 scheint Membranen der Wirtszelle zu schädigen und kann so wahrscheinlich das Absterben der Zelle auslösen. Was möglicherweise besonders bedeutsam ist: Auch bei anderen krankheitserregenden Viren gibt es Proteine mit sehr ähnlicher Funktion. Unter Umständen beruhen die gefährlichen Auswirkungen verschiedener Virus-Infektionen also auf ganz ähnlichen molekularen Grundlagen. Neue Erkenntnisse dazu haben Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig und der Universität Erlangen-Nürnberg sowie Forscher-Kollegen aus Hamburg, Berlin und Norwegen jetzt in der Fachzeitschrift Journal of Biological Chemistry veröffentlicht.

 

Der Grippeerreger IAV bringt eine denkbar spartanische Molekül-Ausstattung mit: Nur zehn verschiedene Proteine, so glaubte man bis vor kurzem, sind als Baupläne in seinen Genen angelegt – höher entwickelte vielzellige Organismen wie der Mensch verfügen dagegen über mehrere zehntausend, Bakterien immerhin über einige hundert. So viele braucht das Virus allerdings nicht, da es sich bei der Vermehrung und Verbreitung einfach der biochemischen Maschinerie der befallenen Wirtszelle bedient. Mittlerweile haben Forscher ein elftes Protein des Influenza A-Virus gefunden, eben das PB1-F2. Seine mutmaßliche Funktion ist es, Zellen zu töten – wahrscheinlich als Teil der „Konter-Maßnahmen“ des Virus im Kampf gegen das Immunsystem des Wirtsorganismus.

Hinweis auf gemeinsame Viren-Strategie

Mit aufwändigen spektroskopischen, biochemischen und molekularbiologischen Methoden haben Wissenschaftler jetzt die Struktur des PB1-F2-Moleküls analysiert. Ihr Ergebnis: „Der Aufbau des Proteins lässt darauf schließen, dass es Membranen zerstört, besonders die Membranen der Mitochondrien, die die Zelle mit Energie versorgen“, erklärt Dr. Victor Wray, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. „Interessanterweise kennt man sehr ähnliche Proteine beim AIDS-Erreger HIV und beim HTLV-Virus, das Leukämien auslösen kann“, sagt Prof. Ulrich Schubert, Virologe an der Uni­versität Erlangen-Nürnberg. „Wenn sich diese Viren tatsächlich gemeinsamer Mechanismen bedienen, dann könnten Medizin und Pharmazie vielleicht eines Tages auch mit sehr ähnlichen Strategien gegen sie vorgehen.“

Quelle

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: K. Bruns, N. Studtrucker, A. Sharma, T. Fossen, D. Mitzner, A. Eissmann, U. Tessmer, R. Röder, P. Henklein, V. Wray, U. Schubert: Structural characterization and oligomerization of PB1-F2, a pro-apoptotic influenza A virus protein. Journal of Biological Chemistry, 2007, Vol. 282, No. 1, pp. 353–363.

Eine Online-Version des Artikels ist unter www.jbc.org/cgi/doi/10.1074/jbc.M606494200 verfügbar.

 

Bild:

Das Influenza-Virus, Erreger der Grippe (schematische Darstellung).
Grafik: Helmholtz-HZI/ Britta Mießen

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12.01.2007

Niedersächsische Nachwuchsschmiede für die Wissenschaft

Internationales Helmholtz-Kolleg bildet in Braunschweig und Hannover Infektionsforscher aus

Hervorragenden wissenschaftlichen Nachwuchs aus dem In- und Ausland  für die biomedizinische Spitzenforschung ausbilden: Diesem Ziel dient das „Helmholtz-Kolleg für Infektionsbiologie“, ein Doktoranden-Programm, das jetzt in Braunschweig beginnt. Bis Ende März 2007 können sich Absolventen naturwissenschaftlicher und medizinischer Studiengänge noch für das Programm bewerben. Von den insgesamt 20 Teilnehmern, die die beteiligten Institutionen dann auswählen werden, sollen mindestens zehn aus dem Ausland kommen. Die anspruchsvolle Ausbildung junger Akademiker wird vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) und der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo) organisiert. Das Trainingsprogramm wird aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft mit 1,8 Millionen Euro innerhalb einer Laufzeit von sechs Jahren unterstützt.

 

Der Sprecher des Helmholtz-Kollegs, Dr. Hansjörg Hauser, betont, dass von den Bewerbern nicht nur eine überdurchschnittliche Qualifikation verlangt wird, sondern auch besonderer Einsatz. Neben der Ausbildung im Labor sowie der Arbeit am Promotionsthema sollen sie in einem spezifisch entworfenen Vortragsprogramm mit Symposien, Vorlesungen und Summer Schools sowie in Wochen­end-Klausurtreffen Spezialthemen bearbeiten. Zusätzlich erwerben die Teilnehmer Schlüsselkompetenzen wie zum Beispiel wirtschaftliche, patentrechtliche und Management-Kenntnisse. Sämtliche Lehrveranstaltungen finden in englischer Sprache statt.

 

„Kompetente Infektionsforschung ist heute wichtiger denn je – das zeigt das Aufflammen von Krankheiten wie SARS, ebenso wie die Besorgnis erregende Entwicklung von AIDS und Vogelgrippe“, sagt Dr. Siegfried Weiß, Mitinitiator des Helmholtz-Kollegs für Infektionsbiologie und Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Aber die molekularen Zusammenhänge, die man mittlerweile kennt, sind sehr komplex. Auch die Forschungsmethoden in der Infektiologie sind so spezialisiert, dass ein Universitätsstudium allein sie nicht mehr vermitteln kann.“

 

Doch die ausgezeichnete Expertise, die junge Forscher an Einrichtungen wie Helmholtz-Zentrum, TiHo und MHH erwerben können, ist nicht der einzige Nutzen eines solchen Ausbildungsprogramms: „Die Doktoranden kommen regelmäßig zusammen, bilden eine Gemeinschaft, schließen Freundschaften“, erklärt  Dr. Sabine Kirchhoff, Koordinatorin des Helmholtz-Kollegs. „So entsteht ein Netz von guten Kontakten, das in viele Teile der Welt reicht und bei der späteren wissenschaftlichen Laufbahn von großem Nutzen sein kann.“

 

Bereits seit 2004 bildet das Helmholtz-Zentrum zusammen mit der MHH und der TiHo hoch­qualifizierte junge Infektionsforscher aus  – im Rahmen des EU-Programms „Marie Curie Actions“. Zwölf Doktoranden aus aller Welt kamen dazu nach Braunschweig, um molekulare Wechselwirkungen bei Infektionsprozessen zu erforschen. Sie werden ihre Promotionen voraussichtlich im Lauf des Jahres 2007 abschließen.

18.01.2007

Was Mäuse-Gene über Krankheitsanfälligkeiten verraten

Braunschweiger Forscher koordinieren virtuelles Institut GeNeSys

Gemeinsam mit Partnern aus ganz Deutschland wollen Braunschweiger Wissenschaftler künftig auf einem neuen Feld Spitzenforschung leisten. Im Kooperationsprojekt „GeNeSys“ untersuchen Experten des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung jetzt mit Kollegen von anderen Forschungszentren und Universitäten medizinisch bedeutsame Fragen zur komplexen Genetik von Krankheiten. Bei „GeNeSys“ handelt es sich um ein so genanntes virtuelles Institut, eine Einrichtung, die auf mehrere Standorte verteilt ist, aber über eine eigene Führungs- und Managementstruktur verfügt. Die Helmholtz-Gemeinschaft – Deutschlands größte Wissenschaftsorganisation, der auch das Braunschweiger Zentrum angehört – fördert dieses virtuelle Institut mit insgesamt 900 000 Euro. Die Mittel stammen aus dem Impuls- und Vernetzungsfonds der Helmholtz-Gemeinschaft.

 

Im Projekt GeNeSys (German Network for Systems Genetics) sollen in nahe verwandten Mausfamilien die Zusammenhänge zwischen den genetischen Grundlagen, dem Genotyp, und den tatsächlich auftretenden Eigenschaften – dem sogenannten Phänotyp – analysiert werden. Die bioinformatische Datenauswertung erlaubt dann Rückschlüsse auf die genetischen Ursachen von Erkrankungen mit komplexen Vererbungsmustern. Man will vor allem die Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten untersuchen. Prof.  Klaus Schughart, Leiter der Arbeitsgruppe „Experimentelle Mausgenetik“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und Koordinator des virtuellen Instituts, sieht für das Projekt eine große Zukunft: „Dieses Konsortium ist für Deutschland einmalig. Alle an GeNeSys beteiligten Forschergruppen haben die Möglichkeit, mit denselben Mausfamilien zu arbeiten und ihre Daten in einer gemeinsamen Datenbank zusammen zu tragen. So können wir gemeinsam mit Partnern in Europa und den USA enorme Datenmengen sammeln und auswerten. Unsere Ergebnisse können entscheidend dazu beitragen, ein besseres Verständnis komplexer genetischer Erkrankungen und Prädispositionen beim Menschen zu erlangen.“

 

Projektpartner


Neben dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig beteiligen sich an GeNeSys Wissenschaftler folgender Einrichtungen: Tierärztliche Hochschule Hannover, Max Delbrück-Zentrum Berlin, Ludwig-Maximilians-Universität München, Technische Universiät München, Universität Lübeck, Humboldt-Universität Berlin, Forschungszentrum Borstel, Universität Bonn, Universität Amsterdam.

 

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30.01.2007

Fleißiger Schimmelpilz mit böser Verwandtschaft

Europäisches Forscher-Team entziffert das Genom von Aspergillus niger

Ein europaweites Netzwerk von Forschergruppen hat jetzt das Genom des Schimmelpilzes Aspergillus niger entziffert. Die Wissenschaftler aus den Niederlanden, England, Dänemark, Belgien, Frankreich, Österreich, Ungarn und Deutschland veröffentlichten ihre Erkenntnisse in der angesehenen Fachzeitschrift Nature Biotechnology. Von deutscher Seite waren vier Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung an dem Großprojekt beteiligt, dazu die Firmen Quiagen und Biomax. Von der genauen Analayse der Buchstaben-Folge in der Erbinformation von Aspergillus niger versprechen sich Experten neue, verbesserte Ansätze für die biotechnologische Lebensmittelproduktion, aber auch Erkenntnisse von direktem Nutzen für die Medizin.


Die Zitronensäure in Lebensmitteln und im Supermarkt-Regal stammt nicht etwa aus Zentnern ausgepresster Südfrüchte. Sie wird zum Großteil biotechnologisch hergestellt, und zwar von dem fadenförmigen Pilz Aspergillus niger: Ihn können Biologen und Lebensmitteltechniker besonders leicht dazu bringen, die Säure, die von vielen Organismen als Zwischenprodukt ihres Stoffwechsels gebildet wird, in großen Mengen in das Kulturmedium abzusondern. "Auch Glucoamylase, das wichtigste Enzym in der Backindustrie wird durch diesen Pilz erzeugt", erklärt Helmholtz-Forscherin Dr. Ursula Rinas. "Hier kann Aspergillus niger so riesige Mengen wie 20 Gramm Enzym pro Liter Kulturbrühe bilden."


So sehr ihn die Lebensmittelindustrie dafür schätzt - im  häuslichen Alltag sieht man Aspergillus niger nicht immer so gern. Er gehört zu den verbreitetsten Schimmelpilzen und wächst beispielsweise auf Brot. Die schwarzen Sporen, nach denen er benannt ist (lat. niger = schwarz), hat wohl jeder schon einmal gesehen.


Trotzdem: "Aspergillus niger ist ein sehr nützlicher Pilz", erklärt  Helmholtz-Forscher Prof. Dr. An-Ping Zeng, "ganz im Gegensatz zu seinem nahen Verwandten Aspergillus fumigatus der als Krankheitserreger die Lunge befallen und schwere Infektionen auslösen kann." Die jetzt vollendete Sequenzierungs-Arbeit, so hoffen Zeng, Rinas und ihre Kollegen Jibin Sun und Xin Lu, liefert auch eine Grundlage für künftige verbesserte Therapien von Aspergillus fumigatus. Zeng: "Wenn wir die Gene dieser beiden engen Verwandten systematisch vergleichen, können wir vielleicht die spannende Frage lösen: Was macht den einen so nützlich und den anderen so gefährlich für den Menschen?"


Quelle


Orignalartikel: Pel, H.J., de Winde, J.H., Archer, D.B., Dyer, P.S., Hofmann, G., Schaap, P.J., Turner, G., de Vries, R.P., Albang, R., Albermann, K., Andersen, M.R., Bendtsen, J.D., Benen, J.A.E., van den Berg, M., Breestraat, S., Caddick, M.X., Contreras, R., Cornell, M., Coutinho, P.M., Danchin, E.G.J., Debets, A.J.M., Dekker, P., van Dijck, P.W.M., van Dijk, A., Dijkhuizen, L., Driessen, A.J.M., D'Enfert, C., Geysens, S., Goosen, C., Groot, G.S.P., de Groot, P.W.J., Guillemette, T., Henrissat, B., Herweijer, M., van den Hombergh, J.P.T.W., van den Hondel, C.A.M.J.J., van der Heijden, R.T.J.M., van der Kaaij, R.M., Klis, F.M., Kools, H.J., Kubicek, C.P., van Kuyk, P.A., Lauber, J., Lu, X., van der Maarel, M.J.E.C., Meulenberg, R., Menke, H., Mortimer, A.M., Nielsen, J., Oliver, S.G., Olsthoorn, M., Pal, K., van Peij, N.N.M.E., Ram, A.F.J.,Rinas, U., Roubos, J.A., Sagt, C.M.J., Schmoll, M., Sun, J., Ussery, D., Varga, J., Vervecken, W., van de Vondervoort, P.J.I., Wedler, H., Wösten, H.A.B., Zeng, A.P., van Ooyen, A.J.J., Visser, J. and Stam, H. (2007) Genome sequence of  Aspergillus niger strain CBS 513.88: a versatile cell factory. Nature Biotechnol.


Die Publikation ist online einsehbar.

02.02.2007

Wo der AIDS-Erreger herkommt

Viren, Bakterien und gefährliche Pilze: Symposium mit Experten aus aller Welt

Woher kommt eigentlich die tödliche Immunschwächekrankheit AIDS? Wie ist ihr Erreger, das Virus HIV, ursprünglich entstanden? Wann und wo sind zum ersten Mal Menschen infiziert worden? Den aktuellen Kenntnisstand der Forschung zu diesen Fragen wird ein international renommierter Fachmann am Donnerstag, 1. März in Braunschweig erläutern: Paul Sharp von der University of Nottingham, Großbritannien, der seit Jahren über HIV und seine Ausbreitung forscht.

 

Sharp gehört zu den Experten, die sich an diesem Tag zum Symposium  „A Day on Host-Pathogen Interaction“ im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, der Stadt der Wissenschaft 2007, versammeln werden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stehen die biologischen Wechselwirkungen zwischen Krankheitserregern, in der Medizin auch „Pathogene“ genannt, und dem von ihnen befallenen menschlichen oder tierischen Körper.

 

Der „Day on Host-Pathogen Interaction“ (zu Deutsch: „Ein Tag zum Thema Wirt-Erreger-Wechselwirkung“) beginnt um 11 Uhr und endet gegen 19 Uhr. Das englischsprachige Symposium steht allen interessierten Besuchern offen. Neben Paul Sharp werden weitere weltweit führende Infektionsforscher aus Deutschland, den USA, Großbritannien und Island zu hören sein, unter ihnen Eric Pamer, ein weltweit geschätzter Experte für Pilzinfektionen am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center in New York.

 

Auch Themen wie die Ausbreitung von Epidemien und die „Tricks“ der Bakterien beim Eindringen in den menschlichen Körper sollen in den Referaten zur Sprache kommen.

 

Das Symposium findet im Rahmen der internationalen Doktoranden-Programme „Miditrain“ und „HIRSIB“ statt, die vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)  gemeinsam organisiert werden. HIRSIB steht dabei für „Helmholtz International Research School for Infection Biology“ (zu Deutsch: Helmholtz-Kolleg für Infektionsbiologie), Miditrain für „Molecular Interactions during Infection“ („Molekulare Wechselwirkungen während der Infektion“).

 

 

Einzelheiten

Das Symposium „A Day on Host-Pathogen Interaction “ beginnt am 1. März um 11 Uhr im Forum des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und endet gegen 19 Uhr. Sämtliche Vorträge werden in englischer Sprache gehalten. Das Symposium ist öffentlich, der Eintritt frei. Um eine Registrierung unter  http://www.helmholtz-hzi.de/en/pathogen wird gebeten. Dort finden Sie auch das vollständige Programm der Veranstaltung.

Nähere Auskünfte gibt Ihnen gerne die Pressestelle des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung unter der Telefon-Nummer 0531/6181-1402.

 

Abbildung: Der AIDS-Erreger HIV. Grafik: Helmholtz-HZI/Britta Miessen

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09.02.2007

Direkter Draht zwischen Gehirn und Immunsystem

Forscher finden Verknüpfungen zwischen Nerven- und Abwehrzellen bei Mäusen

Zwischen Gehirn und Immunsystem gibt es einen direkten „Draht“ – jedenfalls bei Mäusen. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig haben den Mäusedarm und die ihn umgebenden Blut- und Lymphgefäße mit ausgefeilten Mikroskopier- und Markierungstechniken gründlich untersucht. Ihr Ergebnis: Zahlreiche Immunzellen im Gewebe rund um den Darm sind unmittelbar mit Nervenfasern und Nervenzellen verknüpft. „Man kennt bereits viele Hinweise darauf, dass die Immunabwehr teilweise unter dem Einfluss des Nervensystems steht“, sagt der Helmholtz-Wissenschaftler Dr. Kurt Dittmar. „Wir haben diese Verbindung jetzt unter dem Mikroskop sehen können.“ Vermutlich, so Dittmar, lägen die Verhältnisse beim Menschen nicht viel anders als bei der Maus: Auch hier geht man davon aus, dass Gehirn und Psyche auf das Immunsystem einwirken. „Für viele Infektions- und Autoimmunkrankheiten ist im klinischen Alltag ein Zusammenhang zwischen der Psyche und der Schwere der Krankheit bekannt.“

 

Über Einzelheiten dieses Wechselspiels wollen die Helmholtz-Forscher auf der Basis ihrer Arbeit dennoch nicht spekulieren: „Wir wissen noch nicht, wie das Nervensystem die Immunabwehr steuert“, sagt Dittmar. „Die Erforschung dieser Wechselwirkungen steht erst ganz am Anfang.“ Eher schon, so glaubt Dittmar, könnten die erforschten Zellkontakte in naher Zukunft Aufschluss über manche Infektionsprozesse geben: „Krankheitserreger wie etwa die Prionen, die den Rinderwahn auslösen, gelangen über den Darm in das Nervensystem. Vielleicht zeigt sich, dass sie den Weg über die Lymphknoten des Darms nehmen – und dabei die Nerven-Lymphgefäß-Verbindungen nutzen, die wir gefunden haben.“

 

Neuartige Färbemethoden für Gewebe

Bei ihren Untersuchungen bedienten sich die Wissenschaftler der Immunhistochemie: Gegen Moleküle der Zelloberflächen, die jeweils nur in einem bestimmten Gewebetyp vorkommen, werden Antikörper hergestellt, die man farbig markieren kann. Unterschiedliche Gewebe erscheinen dann im Lichtmikroskop in unterschiedlichen Farben. „Diese Methoden haben wir weiter entwickelt. Jetzt können wir bis zu sieben Zelltypen gleichzeitig in histologischen Schnitten charakterisieren“, erklärt der Helmholtz-Gastforscher Bin Ma aus China. „Dabei haben wir erstaunlich viele Kontakte zwischen Immun- und Nervenzellen sichtbar gemacht. B-Lymphozyten, T-Lymphozyten, dendritische Zellen – das sind einige der wichtigsten Immunzell-Klassen – sie alle bilden Kontakte zu Nerven aus.“ Dazu passt der Befund, dass in Lymphknoten rund um den Darm wie etwa den Peyerschen Plaques, wo sich solche Abwehrzellen sammeln, etliche Nervenfasern enden. Die Wissenschaftler fanden auch Hinweise darauf, dass Immunzellen die Botenstoffe des Nervensystems, die Transmitter, wahrnehmen können.

 

 

Quelle

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel: B. Ma, R. von Wasiliewski, W. Lindenmaier, K.E.J. Dittmar. Immunohistochemical Study of the Blood and Lymphatic Vasculature and the Innervation of Mouse Gut and Gut-Associated Lymphoid Tissue. Anat. Histol. Embryol. Volume 36, issue 1 (2007).

 

Bilder

 

ma_01: Helmholtz-Wissenschaftler Bin Ma. Foto: Helmholtz-HZI / Hübner

dittmar_01: Dr. Kurt Dittmar. Foto: Helmholtz-HZI / Hübner

lindenmaier_01: Dr. Werner Lindenmaier. Foto: Helmholtz-HZI / Hübner

neuroimmun: Dem „direkten Draht“ zwischen Nerven- und Abwehrzellen auf der Spur: Die Helmholtz-Wissenschaftler Dr. Werner Lindenmaier (links), Bin Ma, Dr. Kurt Dittmar (rechts). Foto: Helmholtz-HZI / Hübner

Nerven_01, Nerven_02: In Kontakt: Nervenfasern (rot) zwischen grün und blau angefärbten Immunzellen. Foto: Helmholtz-HZI/Dittmar

 

 

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22.02.2007

Immunzellen gegen Pilze: Auf die Dimension kommt es an

An ihrer natürlichen Einfallpforte lassen sich Erreger am besten bekämpfen

Die Fresszellen der körpereigenen Abwehr arbeiten offenbar am besten, wenn sie einen eingedrungenen Krankheitserreger dort vorfinden, wo er am häufigsten auftritt. Dieser Ort, so fanden Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig, kann von Erreger zu Erreger sehr unterschiedlich sein. Die Forscher nahmen für ihre Untersuchungen die menschliche Immunabwehr gegen zwei krankheitserregende Pilze, Aspergillus fumigatus und Candida albicans, unter die Lupe.

 

So gelangt der Pilz Aspergillus fumigatus in der Regel durch Einatmen in die Lunge. Er bleibt an der Oberfläche der Lungenbläschen hängen. „Dort kann ihn ein gesundes, funktionierendes Immunsystem leicht beseitigen“, erklärt Dr. Matthias Gunzer, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz-Zentrum. Gunzer und seine Forscherkollegen konnten zeigen: In zweidimensionalen Umgebungen wie eben auf den Lungenbläschen-Oberflächen erweisen sich die Immun-Fresszellen als besonders „tüchtig“, wenn es an das Vernichten von Aspergillus-Pilzen geht. In der dritten Dimension, wie etwa zwischen den Zellschichten eines Körpergewebes, tun sie sich wesentlich schwerer und scheitern vielfach bei dem Versuch, den Krankheitserreger zurückzudrängen.

 

Bei Candida albicans verhält es sich genau umgekehrt: Dieser Schadpilz siedelt sich bevorzugt in Schleimhäuten an. Gefährlich wird Candida, wenn er in das darunterliegende Gewebe einwächst und sich dort festsetzt. Das gelingt ihm bei gesunden Menschen kaum, denn in der dreidimensionalen Umgebung des Gewebes wird Candida albicans von den Immunzellen schnell erkannt und beseitigt. Dafür haben die körpereigenen Fresszellen wiederum Probleme, in einer zweidimensionalen Umgebung, auf einer Oberfläche, mit Candida albicans fertig zu werden. „Es scheint, als hätte die Evolution die Immunzellen so optimiert, dass sie Erreger wie Candida albicans und Aspergillus fumigatus am besten an ihrer natürlichen Einfallspforte zurückschlagen können“, sagt Gunzer.

 

Der Nachteil dieser natürlichen Optimierung: Nistet sich der tückische Pilz an einem für ihn untypischen Ort ein, können ihn die Immunzellen nicht effektiv bekämpfen. Das könnte der Grund dafür sein, warum zum Beispiel Aspergillusfumigatus sich rasant und aggressiv ausbreitet, wenn er in das Blut gelangt und von dort aus in Körpergewebe einwandert. „Die Folgen sind manchmal dramatisch“, sagt der Helmholtz-Forscher. „Mäuse zum Beispiel, bei denen sich dieselben Krankheitsbilder zeigen wie beim Menschen, werden mit zweihundert Millionen Konidien – das sind die sporenähnlichen Dauerformen von Aspergillus fumigatus – leicht fertig, wenn sie sie einatmen. Gelangen
aber nur zweieinhalb Prozent dieser Menge in ihr Blut, dann sterben die Tiere.“

 

Gunzer hofft, dass seine Erkenntnisse helfen werden, wirksamere Behandlungsmethoden gegen Pilzinfektionen zu entwickeln – etwa durch gezielte Stimulation von Immunzellen, wenn sie unter erschwerten Bedingungen arbeiten und einen Erreger am „falschen“ Ort bekämpfen müssen.

 

Quelle

 

Orignalartikel: Behnsen J, Narang P, Hasenberg M, Gunzer F, Bilitewski U, Klippel N, Rohde M, Brock M, Brakhage AA, Gunzer M: The Dimensionality of the Environment Controls the Capability of Phagocytes to Interact with the Human-pathogenic Fungi Aspergillus fumigatus and Candida albicans. PLoS Pathog. 2007 Feb 2;3(2):e13 [Epub ahead of print]PloS. Link auf den Volltext 

 

Bildunterschriften

 

A_fumigatus_01: Eine Immunzelle vom Typ der neutrophileen Granulozyten bindet die Konidien - sporenartige Dauerformen - des krankheitserregenden Schadpilzes Aspergillus fumigatus.
Foto: Helmholtz-HZI / Manfred Rohde, Matthias Gunzer

 

NB_Helmholtz_Dr_Gunzer_1:  Er macht Immunreaktionen sichtbar: Helmholtz-Forscher Dr. Matthias Gunzer. Foto: Helmholtz-HZI / Ammerpohl

 

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06.03.2007

Schnelltest soll gefährdete Kinder vor Herzkrankheit schützen

Tödliche Streptokokken enttarnen: Ein europäisch-indisches Forschungsprojekt

Eine Streptokokken-Infektion kann mit einer harmlosen Halsentzündung ausgestanden sein – sie kann aber auch tödliche Gefahr oder lebenslange Schädigung bedeuten. Entscheidend ist dafür meist der jeweilige Bakterienstamm, häufig auch die individuelle Anfälligkeit des Patienten. Wissenschaftler wollen jetzt einen Test entwickeln, mit dem sich die Gefährdung im Einzelfall schnell ermitteln lässt. Dazu werden sie Patientenproben aus Indien auswerten, wo vor allem Kinder sehr häufig an bedrohlichen Streptokokken-Infektionen erkranken. Das Forschungsprojekt ASSIST, an dem sich Partner aus Europa und Indien beteiligen, wird vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig koordiniert. Die EU fördert es mit 1,5 Millionen Euro.


Experten schätzen, dass Streptokokken-Infektionen jedes Jahr bei rund 600 Millionen Menschen auftreten. Die Mehrzahl kommt mit einer kurzen entzündlichen Erkrankung in Hals oder Rachenraum davon. Fast zwei Millionen Menschen jedoch erleiden alljährlich eine der gefürchteten Komplikationen. Dazu zählen so genannte invasive Erkrankungen, bei denen großflächig Gewebe abstirbt, sowie rheumatisches Fieber, das oft Herzschäden nach sich zieht.


„Die rheumatische Herzerkrankung als Spätfolge einer Streptokokken-Infektion verläuft sehr dramatisch“, erklärt Prof. Singh Chhatwal, Bereichsleiter am Helmholtz-Zentrum und Koordinator des ASSIST-Projekts. „Sie befällt vor allem Kinder, und häufig kann nur eine Herzklappen-Transplantation ihr Leben retten.“ Von den 15 Millionen Kindern weltweit, die an dieser Krankheit leiden, leben 6 Millionen allein in Indien. „Dort fehlt es oft an geeigneten Diagnose-Methoden und an Antibiotika, mit denen man die Krankheit gut auskurieren kann“, sagt Chhatwal, der als gebürtiger Inder die Verhältnisse aus eigener Anschauung gut kennt. Anlass zur Hoffnung bietet es, dass nur weniger als zehn Prozent der vielen Streptokokken-Untertypen in der Lage sind, die schweren Komplikationen auszulösen. „Wenn man in einem unkomplizierten Test schnell erkennen könnte, ob jemand mit dem gefährlichen Erreger-Typ befallen ist, dann könnte man sich auf diese Fälle konzentrieren“, meint Chhatwal. Und hofft: „Weil das weit weniger sind als die Gesamtzahl der an Streptokokken Erkrankten, wäre vielfach auch in ärmeren Gegenden eine intensive Antibiotika-Therapie möglich.“


Die ASSIST-Forscher wollen in den kommenden Jahren Erkenntnisse über die in Indien verbreiteten Streptokokken-Stämme sammeln. Auch angeborene Dispositionen, die Menschen besonders anfällig für die gefährlichen Erreger machen, werden sie dabei untersuchen. Auf der Basis dieser Erkenntnisse soll dann der Schnelltest entwickelt werden. Denkbar wäre etwa ein Verfahren zum Nachweis bestimmter Oberflächen-Moleküle oder Gene, die nur bei den gefährlicheren Keimen auftreten. Die Datengrundlage liefert Patientenmaterial von der gefährdetsten Altersgruppe in der meistbetroffenen Gegend der Welt: „Die indischen Projektpartner“, erklärt Chhatwal, „werden Rachenabstriche von 25 000 indischen Schulkindern nehmen und auswerten.“

 

Das Forschungsprojekt ASSIST


ASSIST ist eine Abkürzung und setzt sich aus einigen Anfangsbuchstaben des vollen Projektnamens zusammen: „Comprehensive approach to understand streptococcal diseases and their sequelae to develop innovative strategies for diagnosis, therapy, prevention and control“.  Projektpartner sind neben dem Helmholtz-Zentrum das Karolinska Institut Stockholm (Schweden), die University of St. Andrews (Großbritannien) sowie drei indische Einrichtungen: Das Postgraduate Institute of Medical Education in Chandigarh, das Christian Medical College in Vellore und das All Indian Institute of Medical Sciences in New Delhi. Die EU unterstützt ASSIST im Rahmen ihres Programms „Specific measures in support of international cooperation“ (INCO).

 

Fotos:

Chhatwal_2006_04:
Prof. Singh Chhatwal, leitender Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.
Foto: Helmholtz-HZI


Poster_indisch:
Ein indisches Plakat, das vor den Gefahren einer Streptokokken-Infektion warnt.
Foto: Helmholtz-HZI


Indien_Halsabstrich:
Indisches Mädchen bei einer Reihenuntersuchung.
Foto: Helmholtz-HZI

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28.02.2007

Dem Schwarzen Tod auf der Spur

Neues Analysegerät identifiziert Pest-Erreger auch ohne Labor

Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung haben gemeinsam mit Kooperationspartnern aus Wissenschaft und Industrie ein Diagnosegerät entwickelt, mit dem Pest-Bakterien auch außerhalb von Laboren zuverlässig identifiziert und mengenmäßig bestimmt werden können. Der schwarze Tod war der Schrecken des Mittelalters. Im 14. Jahrhundert starben etwa 20 Millionen Menschen in Europa an der Pest. Epidemien solch gigantischen Ausmaßes verursacht der Pest-Erreger heute dank guter Antibiotika zwar nicht mehr. Doch vor allem in Entwicklungsländern kommt es immer wieder zu begrenzten Ausbrüchen der Seuche. Um sie schnell einzudämmen, ist eine frühzeitige und exakte Diagnose direkt vor Ort überlebenswichtig.

 

Yersinia pestis, so der lateinische Name des Pest-Bakteriums, benutzt ein ganz spezifisches Eiweiß, um die Immunabwehr seiner Wirtstiere oder des Menschen zu umgehen: Ein Protein mit der Bezeichnung YPF1 verhindert an der Oberfläche des Bakteriums, dass die Fresszellen des Immunsystems den Eindringling aufnehmen und damit unschädlich machen. Yersinia pestis kann sich dann ungehindert im Körper vermehren und verursacht schwere Krankheitssymptome.

 

Die Braunschweiger Wissenschaftler haben nun ein anderes Molekül – einen Antikörper, der an YPF1 bindet – nutzbar gemacht, um das Pest-Bakterium in einem einfachen und handlichen
Analysegerät nachzuweisen. Der Trick: Sie veränderten den Antikörper derart, dass er zusätzlich zu seiner Verbindung mit dem Protein YPF1 auch noch an winzige magnetische Perlen andockt.

 

Bei einem Verdachtsfall auf Pest entnimmt der Arzt dem Patienten Körperflüssigkeit wie zum Beispiel Blutserum. Wie er das gefährliche Bakterium nachweist, beschreibt Projektleiter Professor Mahavir Singh vom Helmholtz-Zentrum: „Nachdem alle in der Probe enthaltenen Zellen zerstört worden sind, gibt der Arzt die modifizierten Antikörper und die Magnetperlen hinzu. Dadurch entstehen im Gemisch Gebilde aus drei Teilen: Pestprotein – Antikörper – Magnetperle. Im Diagnosegerät koppeln sich diese Komplexe an eine speziell beschichtete Oberfläche an und werden einem Magnetfeld ausgesetzt. Ein Detektor misst anschließend nicht nur, ob Pestproteine in der Lösung vorhanden sind, sondern kann auch ihre Konzentration bestimmen. Damit lässt sich die Schwere der Erkrankung diagnostizieren.“

 

Das neue Verfahren verspricht Hilfe dort, wo sie am nötigsten ist: Die meisten Pest-Erkrank­ungen treten in Ländern mit schlechter medizinischer Infrastruktur wie beispielsweise Indien auf. Bisher waren für eine eindeutige Diagnose aufwändige Laborarbeiten notwendig – in ländlichen Gebieten des Subkontinents undenkbar. Singh: „Das neue System soll direkt vor Ort eingesetzt werden. Dafür werden unsere Kooperationspartner das Gerät in den kommenden Monaten bis zur Serienreife weiterentwickeln.“ Dann lässt sich auch in abgelegenen Landstrichen ein Ausbruch der Pest schnell feststellen – und mit Antibiotika eine Epidemie verhindern.

 

Quelle

 

Originalartikel: Martin H.F. Meyer, Matthias Stehr, Sabin Bhuju, Hans-Joachim Krause, Markus Hartmann, Peter Miethe, Mahavir Singh and Michael Keusgen: Magnetic biosensor for the detection of Yersinia pestis. Journal of Microbiological Methods, Volume 68, Issue 2. February 2007, Pages 218-224 Die Publikation ist online einsehbar unter www.sciencedirect.com

02.03.2007

Biochemiker baut die Messfühler der Zelle nach

Am 9. März: Helmholtz-Zentrum und TU verleihen die Inhoffen-Medaille

Botenstoffe, chemische Signale oder die Anwesenheit von gefährlichen Krankheitserregern: All das spürt die Zelle mit Hilfe von Rezeptoren auf. So nennt die Wissenschaft Moleküle auf der Zelloberfläche, die mit hoher Genauigkeit jeweils eine ganz bestimmte Substanz erkennen können. Wie solche Rezeptoren – es gibt eine unerschöpfliche Vielzahl von ihnen – genau funktionieren, das untersucht Prof. François Diederich von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) in Zürich seit Jahren eingehend. Sein Trick: Er baut vereinfachte Varianten solcher Rezeptoren künstlich im Chemielabor nach und studiert ihr Verhalten unter Modellbedingungen.

Seine Forschung kann wichtige Erkenntnisse für zahlreiche biologisch-medizinische Prozesse liefern, unter anderem für das Verständnis von Krankheiten. Für seine Arbeit wird Diederich jetzt in Braunschweig mit der Inhoffen-Medaille geehrt. Der Forscher wird die Auszeichnung am kommenden Freitag, 9. März, 15 Uhr, im Forum des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung entgegennehmen.

Der vom Förderverein des Helmholtz-Zentrums gestiftete Preis ist mit 2500 Euro dotiert. Er wird im Rahmen der öffentlichen Inhoffen-Vorlesung verliehen, einer gemeinsamen Veranstaltung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und der Technischen Universität Braunschweig. Nach einer Ansprache des Preisträgers wird Prof. Joachim Klein, Vorsitzender des Fördervereins und der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft, die Medaille überreichen.

Herausragende Doktorarbeiten gewürdigt

Im Rahmen der Preisverleihung zeichnet der Förderverein zudem herausragende Doktorarbeiten der Technischen Universität Braunschweig und des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung aus. Träger der mit 2000 Euro dotierten Förderpreise sind Dr. Roland Adden und Dr. Raimo Franke. Adden erforschte in seiner Dissertation chemisch abgewandelte Formen des nachwachsenden Rohstoffs Cellulose; Franke befasste sich unter anderem mit molekularen Mechanismen der HIV-Infektion.

Neben den Förderpreisen wird auch der Fritz-Wagner-Preis zur Förderung der Biotechnologie verliehen. Die Auszeichnung und die damit verbundenen 500 Euro erhält in diesem Jahr Dr. Christian Menzel für seine Arbeit an medizinisch wirksamen Proteinen.

 

Hans Herloff Inhoffen und die gleichnamige Medaille

Zum Gedenken an den 1992 verstorbenen Chemiker Prof. Hans Herloff Inhoffen veranstalten die TU Braunschweig und das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (damals noch: Gesellschaft für Biotechnologische Forschung, kurz GBF) seit 1994 regelmäßig die Inhoffen-Vorlesung, bei der der gleichnamige Preis vergeben wird. Inhoffen lehrte von 1946 bis 1974 an der TH Braunschweig und amtierte dort von 1948 bis 1950 als Rektor. Er gründete darüber hinaus 1965 das „Institut für Molekulare Biologie, Biochemie und Biophysik“ (IMB), das Vorläufer-Institut der GBF und damit des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.

 

 

Hinweise für die Medien

 

Bei einem Pressetermin um 14.30 Uhr – unmittelbar vor der Inhoffen-Vorlesung – besteht Gelegenheit zum Fotografieren der Preisträger.

Nähere Auskünfte zu den ausgezeichneten wissenschaftlichen Arbeiten geben wir gerne unter der Telefon-Nummer 0531/6181-1402.

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20.03.2007

Medikamente aus dem Erdreich

Wirkstoffe aus Myxobakterien: Bayer Schering Pharma AG und Braunschweiger Forscher suchen gemeinsam nach neuen Tumor-Therapeutika

Bei der Suche nach neuen Medikamenten nehmen Forscher verstärkt Bakterien aus dem Erdboden ins Visier: Das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und das Pharmaunternehmen Bayer Schering Pharma AG wollen jetzt gemeinsam Substanzen untersuchen, die aus Myxobakterien stammen, und sie auf ihre tumorhemmende Wirkung testen.

Die im Boden lebenden Myxobakterien wurden in den zurückliegenden 30 Jahren am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, das damals noch „GBF“ hieß (kurz für: Gesellschaft für Biotechnologische Forschung),  systematisch kultiviert und untersucht. Über Jahrzehnte hinweg erforschte das Team um den Chemiker Gerhard Höfle und den Mikrobiologen Hans Reichenbach am Braunschweiger Institut die zahlreichen Stoffwechselprodukte der Bakterien. „Viele dieser Verbindungen, die die Myxobakterien in ihre Umgebung absondern, haben eine interessante biologische Wirkung,“, erklärt Dr. Ronald Frank, Leiter der Arbeitsgruppe „Chemische Biologie“ am Helmholtz-Zentrum. „Aber wir kennen sie bislang nur bei einigen dieser Moleküle.“

Das soll sich ändern: Die von Myxobakterien gebildeten Substanzen werden jetzt auf neuartige Antitumor-Aktivitäten und damit auf ihre Eignung als Krebsmedikamente untersucht. Was das Experten-Team aus Grundlagenforschung und Pharma-Industrie hoffen lässt: Schon einmal konnte ein aussichtsreiches potentielles Medikament aus Myxobakterien isoliert werden. Die Verbindung namens Epothilon hemmt das Wachstum von Krebszellen und befindet sich derzeit in der klinischen Prüfung.

Der Kooperations-Vertrag zwischen den beteiligten Partnern wurde vom Patent- und Lizenzmanagement-Unternehmen Ascenion ausgehandelt, das mehrere führende Forschungseinrichtungen in Deutschland bei der Verwertung geistigen Eigentums vertritt.

27.03.2007

Mit chemischem Lego auf dem Weg zum HIV-Impfstoff

Helmholtz-Forscher bauen virale Bindungsstelle nach

Für eine der größten Seuchen der Gegenwart – AIDS – gibt es bisher keinen wirksamen Impfschutz, obwohl Forscher auf der ganzen Welt fieberhaft danach suchen. Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung ist es nun gelungen, einen wichtigen Baustein des HI-Virus im Reagenzglas nachzuahmen. Er ist an der Auslösung einer Immunantwort beteiligt, die das Virus neutralisiert.

Ein erster Schritt in Richtung Impfstoff?

Wie alle Viren kann sich auch das HI-Virus nicht selbst vermehren, sondern ist auf eine Wirtszelle angewiesen. Das Virus geht dabei besonders heimtückisch vor – es befällt die T-Zellen der Immunabwehr und vermehrt sich in ihnen. Den Kontakt zwischen Virus und Wirtszelle vermitteln Proteine. Das HI-Virus trägt auf seiner Hülle ein Protein, das gp120 genannt wird. Da sich dieses Protein ständig verändert, können Antikörper, die sich gegen gp120 richten, das Virus nur für eine begrenzte Zeit erkennen und bekämpfen. „Im gp120 gibt es nur wenige konstante Bereiche“, weiß Privatdozentin Dr. Jutta Eichler. „Sie sind meist im Inneren des Proteins verborgen. Wir müssen sie dem Immunsystem bei einer Impfung gut erkennbar präsentieren. Dann kann die körpereigene Abwehr so genannte breit neutralisierende Antikörper bilden, die gegen viele HI-Virusstämme aktiv sind.“

 

Der Chemiker Dr. Raimo Franke hat während seiner Dissertation in der Arbeitsgruppe „Konformationelle Protein-Ligand-Interaktionen“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung eine dieser konstanten Regionen des gp120 im Reagenzglas nachgebaut: die Bindungsstelle, mit der sich das Virus an die T-Zelle andockt. Dabei hat er Abschnitte des gp120, die diese Bindungsstelle ausmachen, an molekulare Gerüste geknüpft. Franke erklärt: „Ich habe sozusagen `chemisches Lego´ gespielt, bis ich die Kombination aus Gerüst und Proteinabschnitten gefunden hatte, die am besten die Bindungsstelle des gp120 imitiert.“

 

Mit einem dieser Peptide haben die Wissenschaftler Kaninchen immunisiert, die daraufhin gp120-erkennende Antikörper bildeten. Dr. Jutta Eichler ist begeistert: „Wir konnten zeigen, dass diese Antikörper ähnliche Bindungseigenschaften haben wie einer der wenigen bisher bekannten breit neutralisierenden Antikörper.“ Dieser Befund gibt Anlass zur Hoffnung, dass die anti-Peptid-Antikörper auch eine HIV-Infektion bekämpfen könnten. Das muss nun in Experimenten mit lebenden Zellen und aktiven HI-Viren überprüft werden.

 

Quelle

Ausführliche Informationen bietet der Originalartikel:

Franke R, Hirsch T, Overwin H, Eichler J.: Synthetische Mimetika der CD4-Bindungsstelle von HIV-1 gp120 für das Immunogen-Design. Angew.Chem. 2007; 119(8): 1275-1277

02.04.2007

Deutschland und Indien vereint gegen Seuchen-Erreger

Forschungskooperation soll helfen, gefährliche Epidemien einzudämmen

Welche Rolle spielen die Gene für den Verlauf von Infektionskrankheiten? Warum springen manche Krankheitserreger von Tieren auf den Menschen über und andere nicht? Und vor allem: Wie können wir bessere Medikamente und Impfstoffe gegen alte und neue Menschheitsplagen wie Influenza, AIDS und Hepatitis entwickeln?

 

Diese Fragen wollen deutsche und indische Wissenschaftler künftig gemeinsam beantworten. In einem „Indo-German Science Center for Infectious Diseases“ werden sie Erkenntnisse und Know-how austauschen und in Forschungsprojekten eng zusammenarbeiten. Einen entsprechenden Kooperationsvertrag werden das Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung und das Indian Council of Medical Research (IMCR) am 3. April in Neu-Delhi unterzeichnen. Insgesamt werden sie etwa 4,5 Millionen Euro in gemeinsame Projekte investieren. Partner des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig ist auf deutscher Seite die Medizinische Hochschule Hannover (MHH).

 

Das Indo-German Science Center for Infectious Diseases hat keine feste Adresse: Es handelt sich um ein so genanntes „virtuelles Zentrum“, eine Einrichtung mit einheitlicher Organisations- und Managementstruktur, die aber auf verschiedene Standorte – Labore der beteiligten Einrichtungen – verteilt ist.

 

„Von der ersten Idee bis zur Gründung mit einem konkreten Arbeitsplan ist weniger als ein Jahr vergangen. Nun steht das Zentrum und kann seine Arbeit aufnehmen“, sagt Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft. Mit dem Impuls- und Vernetzungsfonds konnte die Helmholtz-Gemeinschaft unbürokratisch zwei Drittel des deutschen Anteils finanzieren.

 

„Indien verfügt über eine aufstrebende Forschung, die ihre Boom-Zeiten noch vor sich hat“, erklärt Rudi Balling, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung und Mitglied des Lenkungsausschusses im Indo-German Science Center. Durch die enge Zusammenarbeit könne die deutsche Wissenschaft von der unglaublichen Dynamik des Subkontinents profitieren. Ein weiteres entscheidendes Argument für Forschung in und mit Indien ist laut Balling die enorme Bedeutung, die Infektionskrankheiten dort haben: „Die häufig auftretenden Epidemien und die beträchtlichen Patientenzahlen stellen das Land zwar vor große Probleme“, erklärt Balling, „aber für die klinische Forschung eröffnen sie andererseits bessere Möglichkeiten als in Europa.“ Nicht zuletzt begründe das starke politische Interesse an der Infektionsforschung gute Rahmenbedingungen.

 

Als erste konkrete Maßnahmen werden Helmholtz-Zentrum, MHH und ICMR wechselseitige Austausch- und Trainingsprogramme für indische und deutsche Wissenschaftler organisieren. In beiden Ländern werden Workshops zu Themen wie Impfstoffentwicklung, genetische Infektionsanfälligkeiten und Virenerkrankungen stattfinden, um gemeinsame Projekte auf diesen Feldern zu starten.

04.04.2007

Herz-Transplantation ohne Abstoßungsreaktion

Helmholtz-Forschern gelingt an Mäusen medikamentenfreie Organ-Übertragung

Wissenschaftlern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig ist es gelungen, bei Mäusen, denen ein fremdes Herz transplantiert wurde, die natürliche Abstoßungsreaktion des Körpers ohne den Einsatz von Medikamenten zu unterdrücken. Arbeitsgruppenleiter Dr. Matthias Gunzer will nun darauf hinarbeiten, das Verfahren auch beim Menschen zu überprüfen. Gunzer: „Wenn es dort ohne Nebenwirkungen wirksam wäre, kann das einen erheblichen Gewinn an Lebensqualität für Organempfänger bedeuten. Sie müssen dann nicht mehr täglich Immunsuppressiva einnehmen, um das Immunsystem vom Kampf gegen das neue Organ abzuhalten.“

 

Für die Abstoßungsreaktion sind verschiedene Komponenten des menschlichen Immunsystems verantwortlich. Eine wichtige Rolle spielen so genannte T-Effektorzellen. Sie sind die Speerspitze der körpereigenen Abwehr, die Krankheitserreger sofort angreifen. So werden Krankheiten im Regelfall wirksam bekämpft. Die moderne Medizin stellt für sie aber eine zu große Herausforderung dar: Auch ein neues, transplantiertes Organ wird als fremd identifiziert und abgestoßen.

 

Das Helmholtz-Team um Gunzer hat nun in den Reifungsprozess der T-Zellen im Laborversuch so eingegriffen, dass diese für das Transplantat keine Gefahr mehr darstellen. „Dazu brachten wir noch nicht ausgereifte T-Zellen – so genannte T-Helferzellen – mit einem weiteren Zelltyp des Immunsystems, den B-Zellen, künstlich in sehr engen Kontakt“, erläutert Gunzer das Vorgehen. Dabei stellte sich heraus, dass keine immunaktivierenden T-Effektorzellen sondern regulatorische T-Zellen heranreiften. Die Ursache für diesen Effekt haben die Wissenschaftler noch nicht geklärt, aber Gunzer weiß, dass „die regulatorischen T-Zellen genau die entgegen gesetzte Wirkung zu den T-Effektorzellen haben: Statt das Immunsystem zu aktivieren, bremsen sie die Abwehrreaktion.“

 

Die durch B-Zellkontakt entstandenen regulatorischen T-Zellen injizierten die Forscher in Mäuse. Diese Tiere erhielten dann in einer Operation ein neues Herz. Der Effekt fasziniert Gunzer: „Eigentlich hätten die Mäuse das fremde Herz sofort abstoßen müssen, denn wir haben ihnen keine immun-unterdrückenden Medikamente verabreicht. Aber ihr Immunsystem hat das fremde Herz lange Zeit akzeptiert – ganz ohne medikamentöse Unterstützung. Tiere ohne die regulatorischen T-Zellen haben die transplantierten Herzen dagegen in wenigen Tagen zerstört.“

 

Zwar sind die Ergebnisse, die Gunzers Team jetzt in dem renommierten Fachjournal „Blood“ veröffentlicht hat, ein wichtiger Fortschritt in der Transplantationsforschung. Schnelle Hilfe für die Empfänger von Organspenden kann der Braunschweiger Wissenschaftler aber trotzdem nicht versprechen: „Jetzt müssen zahlreiche Versuche folgen, um Detailfragen zu klären.“ Dabei wollen die Wissenschaftler zunächst klären, ob das mit regulatorischen T-Zellen behandelte Immunsystem gegen Krankheitserreger angriffslustig bleibt. Gunzer: „Es hilft Organempfängern ja gar nichts, wenn sie nach der Operation zwar das neue Herz oder die neue Niere behalten, dafür aber ihr Immunsystem nicht mehr gegen Bakterien oder Viren vorgeht.“ Erst wenn diese und weitere Fragen geklärt sind, könnte das Verfahren in einigen Jahren an Menschen erprobt werden.

 

Originalpublikation von Peter Reichardt, Bastian Dornbach, Song Rong, Stefan Beissert, Faikah Gueler, Karin Loser, and Matthias Gunzer: Naive B-cells generate regulatory T-cells in the presence of a mature immunological synapse. Blood First Edition Paper, prepublished online; DOI 10.1182/blood-2006-10-053793

 

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10.04.2007

Rosarote Bakterien – neue Mitarbeiter für Biotechnologen?

Niedersächsisches Verbundprojekt wird mit 1,8 Millionen Euro gefördert

Über Roseobacter-Bakterien – eine der häufigsten Bakteriengruppen, die unsere Ozeane besiedelt – weiß man bisher nur wenig. Ein Niedersächsisches Verbundprojekt will nun die Genome einiger Roseobacter-Vertreter genauer analysieren, um mehr über ihre Stoffwechselvielfalt zu erfahren und sie zukünftig für biotechnologische Prozesse nutzen zu können. Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur fördert das Projekt für einen Zeitraum von drei Jahren mit einer Gesamtsumme von 1,8 Millionen Euro.
 
Zur Roseobacter-Gruppe gehören über 20 Arten. In Polarmeeren und küstennahen Meeren machen sie bis zu 25 Prozent aller Bakterien aus. Durch ihre Fähigkeit, klimarelevante Gase aufzunehmen und Energie durch Photosynthese zu gewinnen, haben diese oft rostroten oder bräunlichen Mikroorganismen große Bedeutung für die Stoffkreisläufe der Erde.

Die Wissenschaftler wollen nun acht Roseobacter-Arten komplett sequenzieren, um eine vergleichende Genomanalyse vorzunehmen und die Funktionsweise von Stoffwechselwegen und besonders wichtiger Gene zu analysieren. „Mit diesen Daten wollen wir beispielsweise verstehen, wie die Bakterien miteinander kommunizieren: Wir haben neue Quorum Sensing-Verbindungen in Roseobacter-Bakterien gefunden – also Substanzen, mit deren Hilfe sich die Mikroorganismen verständigen und deren Wirkungsweise bisher völlig unbekannt ist“, so Dr. Irene Wagner-Döbler, Leiterin der Arbeitsgruppe „Mikrobielle Kommunikation“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.

Von der Analyse der Bakterien und ihrer genetischen Ausstattung versprechen sich die Forscher einiges: das biotechnologische Potential dieser einzigartigen Gruppe soll ausgeschöpft werden. Roseobacter-Bakterien sind dafür bekannt, besonders anpassungsfähig zu sein. Wagner-Döbler dazu: „Die Bakteriengruppe ist in ihrer Vielfältigkeit einmalig – ihr Stoffwechselpotential ist eine Fundgrube für die unterschiedlichsten biotechnologischen Anwendungen!“

So sieht das auch Dr. Silke Pradella, Wissenschaftlerin an der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ), eine weitere Partnerin im Verbundprojekt. Sie wird besonders nach extrachromosomalen Genen suchen. „Viele wichtige Stoffwechselgene liegen nicht im eigentlichen bakteriellen Chromosom vor, sondern auf separaten Elementen, den so genannten Plasmiden.“ Plasmide sind genetische Elemente, die zwischen Bakterien ausgetauscht werden können. „Roseobacter-Spezies besitzen oft sogar mehrere Plasmide mit unterschiedlichen Funktionen. Das kann sie zu leistungsfähigen Mitarbeitern der Biotechnologen werden lassen“, erklärt Pradella und freut sich auf die anstehenden Laborarbeiten.

Über das Verbundprojekt

An dem niedersächsischen Verbundprojekt sind außer dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung auch die Technische Universität Braunschweig, die DSMZ, die Universität Göttingen und die Universität Oldenburg beteiligt. Gemeinsam werden sie am „Finishing“ der Genomsequenzen, Bioinformatik, systembiologischen und ökologischen Fragestellungen arbeiten. Die gesammelten Daten werden in einer für Wissenschaftler frei zugänglichen Datenbank gesammelt, die den Namen „Rosy“ trägt - Rosy steht für „Roseobacter Systems Biology Database“, also eine systembiologische Datenbank der Roseobacter-Gruppe.

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20.04.2007

Forscherin für einen Tag

Girls’ Day und „Neue Wege für Jungs“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Selbst im Labor stehen und wissenschaftlich arbeiten – das wollen noch immer zu wenige Mädchen. Dabei bieten die Naturwissenschaften für Jungen und Mädchen gleichermaßen interessante Perspektiven. Am 26. April 2007 will das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung das unter Beweis stellen.

Zwischen 9 und 13 Uhr können rund 80 Mädchen, aber auch interessierte Jungen einen Blick hinter die Kulissen des Helmholtz-Zentrums werfen. Mit Kittel und Schutzbrille werden die Jugendlichen dann selbst zu Forscherinnen und dürfen mikroskopieren und experimentieren. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus sechs verschiedenen Arbeitsgruppen des Zentrums erzählen aus ihrem spannenden Berufsleben. Die Laufbahn einer Arbeitsgruppenleiterin wird genauso vorgestellte, wie die einer Doktorandin oder technischen Angestellten.

Wer sich für eine Ausbildung zur Biologie- oder Chemielaborantin interessiert, kann alles Wissenswerte rund um dieses Berufsbild von Detlef Hanisch und Andrea Ahlers erfahren. Infos aus erster Hand geben fünf Labor-Azubis des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung. Erstmals präsentiert sich auch der technische Betrieb – Ralf Bitter gibt einen Einblick in die Welt der Elektronik und informiert über die Möglichkeiten zur Ausbildung. Zu einem modernen Forschungszentrum gehört auch eine IT-Abteilung: Eva Zimmermann zeigt den Jungen und Mädchen, wie sie eine eigene Homepage erstellen können. Beim Küchenchef und seinem Team können interessierte Jugendliche lernen wie in einer Großküche gekocht wird.

Für die Jüngeren empfiehlt sich ein Besuch in der Strukturbiologie. Gemeinsam mit Ute Widow und Sabine Schmidt bestimmen die Kinder den pH-Wert verschiedener Getränke, gefrieren Blumen in eiskaltem Stickstoff, lernen den Umgang mit Mikroskop, Photometer und Pipette – und treffen auf einen Roboter, der im Labor viel Arbeit abnehmen kann.

Die Welt der winzig kleinen Mikroorganismen stellen Gabriella Molinari und Marita Sylla vor. Sie erklären, wie Bakterien aus der Umwelt isoliert werden, wie man aus ihnen wertvolle Medikamente gewinnt und zeigen, wie man die Wirksamkeit von Antibiotika bestimmen kann. 

Wie das Leben einer Labormaus aussieht, können die Jugendlichen von David Monner, Susanne Etzrodt, Katja Isedor und Corinna Schwab erfahren. Sie zeigen, wie im Tierhaus gearbeitet wird, wie Mäuse gezüchtet und markiert werden.

Keine Angst vor schwierigen Begriffen wie „Immunregulation“, „Molekulare Immunologie“ und „Chronischen Pseudomonas Infektionen“, denn welche Forschungsgebiete genau dahinter stecken, erfährt man bei einem Rundgang durch die jeweiligen Labore. Neben den theoretischen Einführungen werden überall Experimente angeboten.

 

08.05.2007

Salmonellen für die Krebsbekämpfung

Wie die Medizin künftig Bakterien für ihre Zwecke nutzen könnte

Krankheitserregende Bakterien als Helfer im Kampf gegen den Krebs: Was zunächst abenteuerlich klingt, könnte in der Zukunft einmal die Grundlage einer neuartigen Tumortherapie abgeben. Forschern am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung ist es jedenfalls gelungen, „ferngesteuerte“ Salmonellen in die Tumore von krebskranken Mäusen einzuschleusen. Die genetisch veränderten Mikroben können gleichsam auf Knopfdruck Substanzen produzieren. „Vielleicht“, so hofft Helmholtz-Wissenschaftler Dr. Holger Lößner, „kann man sie einmal dazu bringen, gezielt Zellgifte auszuschütten. Und zwar genau dort, wo man sie haben will: Mitten im Krebsgeschwür.“

 

Grundlage für diese Hoffnung bietet ein kurioses Phänomen, das Forscher schon Mitte des 19. Jahrhunderts beobachtet haben: Wenn im menschlichen Körper ein Krebsgeschwür wuchert, wandern dort häufig Bakterien ein und vermehren sich. Über die Ursachen kann man nur spekulieren: „Wir vermuten, dass das abgestorbene Gewebe im Inneren von Tumoren den Bakterien eine geschützte und nährstoffreicheUmgebung bietet und sie anlockt“, sagt Dr. Siegfried Weiß, Leiter der Arbeitsgruppe „Molekulare Immunität“ am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Außerdem herrschen dort sauerstoffarme Bedingungen, unter denen viele Bakterien gut wachsen.“

 

Wichtiger als die Ursachen sind für Weiß, Lößner und ihre Kollegen allerdings die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben: Der Drang der Bakterien, Tumore zu besiedeln, soll für die Zwecke des Menschen genutzt werden. Dass das prinzipiell möglich sein müsste, haben Weiß und Lößner jetzt zeigen können: Sie pflanzten Bakterien der Gattung Salmonella typhimurium ein Gencluster ein, das nur in Gegenwart eines speziellen Zuckermoleküls namens L-Arabinose aktiv wird – und dann Licht produziert. Daraufhin infizierten die Forscher krebskranke Mäuse mit diesen Salmonellen. Verabreicht man den Tieren anschließend den L-Arabinose-Zucker leuchten die in den Tumor eingewanderte Bakterien auf, so dass die Lage und Größe des Tumors analysiert werden kann.Zusätzlich zum Licht, so die Vision, sollen die Bakterien künftig einmal direkt am Zielort Krebsmedikamente produzieren. Oder auch immunstimulierende Substanzen: Diese Fracht könnte den Tumor dann für die Abwehrzellen des Körpers markieren und eine heilsame Immunreaktion auslösen. „Für den medizinischen Einsatz würde man natürlich keine gefährlichen Krankheitserreger einsetzen“, erklärt Lößner, „sondern Mutanten-Stämme, die für den Menschen unschädlich sind.“

 

„Bislang kennen die Menschen Salmonellen als Bedrohung ihrer Gesundheit“, sagt Arbeitsgruppenleiter Dr. Weiß. „Es hätte schon einen gewissen Reiz, wenn ausgerechnet diese Bakterien eines Tages zur Heilung einer so schrecklichen Krankheit wie Krebs dienen könnten.“

 

Quelle

Orignalartikel: H. Loessner, A. Endmann, S. Leschner, K. Westphal, M. Rohde, T. Miloud, G. Hämmerling, K. Neuhaus, S. Weiss: Remote control of tumour-targeted Salmonella enterica serovar Typhomurium by the use of L-arabinose as inducer of bacterial gene expression in vivo. Cellular Microbiology 2007 (doi: 10.1111/j.1462-5822.2007.00890.x). Die Publikation ist online einsehbar unter www.blackwell-synergy.com/toc/cmi/0/0

 

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09.05.2007

Indischer Gesundheitsminister besucht Braunschweig - Einladung zum Pressegespräch am 18. Mai 2007, 10:30 Uhr

Der indische Gesundheits- und Familienminister Dr. Anbumani Ramadoss besucht am Freitag, den 18. Mai 2007, das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig. Anlass ist die Unterzeichnung eines Kooperationsvertrags, mit dem ein gemeinsames "Deutsch-indisches Wissenschaftszentrum für Infektionskrankheiten" gegründet wird.

 

Vertreter der Medien laden wir herzlich ein zu einem Pressegespräch

am Freitag, 18. Mai 2007, um 10:30 Uhr,

im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Inhoffenstraße 7, 38124 Braunschweig

Gebäude "Forum", Raum X0.13a.

 

In dem deutsch-indischen Wissenschaftszentrum für Infektionskrankheiten ("Indo-German Science Centre for Infectious Diseases") werden indische und deutsche Wissenschaftler in gemeinsamen Teams arbeiten. Sie haben sich die Erforschung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten zum Ziel gesetzt. Das Zentrum ist ein so genanntes virtuelles Institut: Labore beider Länder geben sich in ihm eine gemeinsame Organisationsstruktur. Finanziert wird es zu gleichen Teilen von der Helmholtz-Gemeinschaft und dem "Indian Council for Medical Research" (ICMR), den beiden Vertragspartnern. Das Investitionsvolumen von deutscher Seite beträgt 2,25 Millionen Euro.

 

"Die deutsch-indische Zusammenarbeit hat ein riesiges Potenzial, auf das wir gerade im Bereich Infektionsforschung große Hoffnungen setzen", so Prof. Dr. Rudi Balling, wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI. "Der umfangreiche Zugang zu Patientendaten und die enge wissenschaftliche Kooperation im Rahmen des Indo-German Science Centre werden uns großen gemeinsamen Forschungserfolg ermöglichen." Der Bedarf dafür ist enorm: Infektionskrankheiten stellen nach wie vor eine große Bedrohung für die Gesundheit der Menschen dar. Eine Gefahr, der auch die indischen Partner begegnen wollen: So legt der seit 2004 amtierende Gesundheitsminister Ramadoss bei seiner Arbeit besondere Schwerpunkte auf die Erforschung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten.

Begleitet wird Ramadoss vom Direktor des ICMR, Prof. Nirmal K. Ganguly. Er ist einer der am häufigsten zitierten indischen Wissenschaftler mit großer Expertise im Bereich der Biotechnologie und Infektionsforschung.

 

Ein weiterer Besuchspunkt der indischen Delegation ist Hannover. Dort werden Ramadoss und Ganguly die Medizinische Hochschule Hannover (MHH) sowie das Translationszentrum der MHH und des HZI - das Twincore - besichtigen. Im Twincore arbeiten Wissenschaftler aus Klinik und Grundlagenforschung Hand in Hand, um Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zügig in Richtung klinische Anwendung weiterzuentwickeln.

 

14.05.2007

"Wir wollen das Zusammenspiel der Gene verstehen"

Internationaler Kongress zur komplexen Genetik am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Wie beeinflussen sich die Gene in einem Organismus gegenseitig? Welche Rolle spielen dabei Umwelteinflüsse? Und lässt sich dieses komplexe Zusammenspiel irgendwann vollständig am Computer simulieren? Solchen Fragen widmet sich ein Forschungszweig, der gerade im Entstehen ist: Die komplexe Genetik. Internationale Fachleute dieser Disziplin kommen vom 26. bis 29. Mai 2007 an das Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Dort werden sie beim 6. Jahrestreffen des "Complex Trait Consortium - CTC" ("Konsortium zur Untersuchung komplexer vererbter Eigenschaften") neue Erkenntnisse austauschen und Forschungsaktivitäten aufeinander abstimmen.

 

Zwischen dem Beginn der genetischen Forschung vor 150 Jahren und der heutigen komplexen Genetik liegen Welten. "Der Mönch Gregor Mendel erkannte die Grundgesetze der Vererbung, indem er mit Erbsen experimentierte, die entweder weiß oder rot blühten", so der Organisator der Treffens, Helmholtz-Forscher Prof. Klaus Schughart: "Die weißen oder roten Erbsenblüten erklärte er mit der Ausprägung eines einzelnen Gens. Das half den Forschern auf die richtige Fährte - aber heute wissen wir, dass es viel komplizierter ist."

 

Was Mendel als Gen bezeichnete, erkennen Biologen heute als komplexes Netzwerk. Eine Vielzahl verschiedener Bereiche auf den Erbanlagen sorgt im Zusammenspiel dafür, dass die Blüten farbig sind. Für die Körpermerkmale von Tier und Mensch gilt das Gleiche. So werden die wenigsten Krankheiten des Menschen durch eine einzelne Genmutation ausgelöst. "Gerade in der Infektionsforschung spielen Gennetzwerke eine große Rolle", stellt Schughart den Bezug zu seiner Arbeit her: "Ob wir empfindlich oder unempfindlich auf den Angriff von Bakterien oder Viren reagieren, bestimmt eine ganze Armada von Genen und ihrer individuellen Varianten." Welche das sind und wie sie sich gegenseitig steuern, lässt sich nicht am Menschen untersuchen. Die Wissenschaftler arbeiten daher mit Mäusen.

 

"Mit Hilfe der Gentechnik können wir heute Mausstämme züchten, in denen ein bestimmtes Gen ganz, teilweise oder gar nicht angeschaltet ist", beschreibt Schughart das Vorgehen. Dadurch lässt sich der Einfluss des Gens - zum Beispiel auf die Empfindlichkeit gegenüber einem Krankheitserreger - sehr detailliert untersuchen. "Wenn man dann zusätzlich zu dem veränderten Gen den genetischen Hintergrund variiert, bekommen wir Hinweise darauf, wie verschiedene Erbanlagen sich gegenseitig beeinflussen und steuern."

 

Ein einzelner Forscher, ja selbst ein ganzes Forschungsinstitut kann diese Herkulesaufgabe nicht bewältigen - nur internationale Zusammenarbeit verspricht Erfolg. Deshalb haben Komplex-Genetiker aus aller Welt das Complex Trait Consortium gegründet. Bei ihrer Zusammenkunft in Braunschweig wollen die Forscher aus Deutschland, Großbritannien, Japan und den USA beraten, wie sie gemeinsam dem vermeintlichen Wirrwarr in unseren Genen auf die Schliche kommen. Schughart: "Ich freue mich, dass wir die Kooperation zum Laufen bekommen haben - damit wir nicht noch mal 150 Jahre warten müssen, bis wir das Zusammenspiel der Gene verstehen."

 

01.06.2007

Wenn Mäuse an Menschen-Seuchen erkranken

Evolution im Labor: Helmholtz-Forscher zeigen, wie Erreger neue Opfer finden

Das Bakterium Listeria monocytogenes löst beim Menschen Darminfektionen und Hirnhautentzündungen aus. Für Mäuse ist es jedoch völlig harmlos. Verantwortlich für den Unterschied ist das bakterielle Protein Internalin (kurz: InlA), ein molekularer Schlüssel, mit dem sich das Bakterium Zutritt zu Zellen der menschlichen Darmschleimhaut verschafft. In Mäusen passt der InlA-Schlüssel allerdings nicht. Sie werden daher nicht infiziert. Die Folgen für die medizinische Forschung: Neue Medikamente können nicht an Mäusen getestet werden. Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig ist es durch eine geringfügige Veränderung des InlA gelungen, das Bakterium an die Maus anzupassen. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forscher heute in dem renommierten Fachjournal „Cell“.

In der Natur verändern sich Krankheitserreger ständig. „Die meisten neuen Infektionskrankheiten, wie die Pest im Mittelalter oder die moderne Vogelgrippe, haben ihren Ursprung darin, dass Erreger, die zuvor ausschließlich Tiere befallen haben, plötzlich auf den Menschen überspringen“, erklärt Dr. Wolf-Dieter Schubert, Arbeitsgruppenleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. „Man spricht von einer Änderung der Wirtsspezifität. Die Übertragung des Influenza-Virus H5N1 vom Vogel auf den Menschen hat in diesem Zusammenhang in den letzen Jahren nicht nur große Ängste in der Bevölkerung hervorgerufen, sonder auch enorme wirtschaftliche Schäden verursacht.“ Ähnlich ist es beim HIV, Auslöser der Immunschwäche AIDS, das durch eine kleine molekulare Änderung vom Affen auf den Menschen übertragen wurde.

„Wir haben dieses Durchbrechen der Artenbarriere im Labor simuliert – jedoch in umgekehrter Richtung, und zwar vom Menschen auf das Tier“, erklärt Doktorand Thomas Wollert. „Das war möglich, weil wir die dreidimensionale Struktur des InlA im Detail untersucht und verstanden haben.“

Bei der Listerien-Infektion heftet sich das Bakterium zunächst mit Hilfe des InlA an die Oberfläche der menschlichen Darmschleimhaut an. Dabei erkennt InlA punktgenau sein Zielmolekül E-Cadherin auf der Oberfläche der Darm-Zellen. Ein ähnliches E-Cadherin findet sich auch im Darm der Maus – jedoch in leicht abgewandelter Form.

Die Folge: „InlA erkennt das E-Cadherin des Menschen, aber nicht das der Maus“, sagt Thomas Wollert. „Tauschen wir nur zwei der 764 Aminosäure-Bausteine des InlA aus, bindet es nicht nur wesentlich fester an das menschliche E-Cadherin, sondern erkennt zusätzlich auch das E-Cadherin der Maus.“ Ein solcher Austausch von Bausteinen passiert in der Natur häufig spontan. „Wenn wir das Prinzip der Wirtsspezifität besser verstehen“, hofft Dr. Schubert, „lassen sich vielleicht Vorhersagen treffen, in welchen Fällen die Gefahr einer plötzlichen Übertragung auf den Menschen besonders groß ist.“

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07.06.2007

Deutschlands Biologen sprechen endlich mit einer Stimme

Lebenswissenschaftler-Verband "VBIO" gegründet / Balling erster Präsident

 

Ein gemeinsamer Dachverband namens VBIO soll künftig die Biologen und Biomediziner in ganz Deutschland vertreten. Sprecher der neuen Organisation ist ein Braunschweiger Wissenschaftler: Prof. Rudi Balling, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig, wurde bei der VBIO-Gründungsversammlung in Köln zum ersten Präsidenten gewählt. Ballings Ziel ist es, eine starke und einflussreiche Vertretung für Biowissenschaftler in Deutschland zu schaffen: "Unsere Vorbilder sind die sehr erfolgreichen Verbände der Chemiker und der Physiker", erklärt Balling. "Es ist höchste Zeit, dass die Lebenswissenschaften - die im 21. Jahrhundert eine herausragende Rolle spielen werden - ebenfalls mit einer Stimme sprechen."

 

Im VBIO - kurz für "Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V." - sind 5.000 individuelle Mitglieder, mehr als 80 Firmen und Institutionen sowie zahlreiche Fachgesellschaften organisiert, die ihrerseits mehr als 30.000 Mitglieder vertreten. Der Verband unterhält Geschäftsstellen in Berlin und München; sein oberster Vertreter allerdings wird die gemeinsame Sache von Braunschweig aus verfechten. Themen gibt es laut Balling genügend: "Wie können wir den Brain-Drain stoppen? Wie locken wir die fähigsten Köpfe aus der biowissenschaftlichen Forschung nach Deutschland? Wie soll es mit der Stammzellforschung weitergehen, wie mit der Biotechnologie in der Landwirtschaft? Wie begegnen wir Strömungen wie dem Kreationismus? Zu all diesen Fragen wollen wir jetzt gemeinsame Positionen erarbeiten und in die gesellschaftliche und politische Diskussion einbringen", kündigt Balling an.

 

Hintergrund: Wie der VBIO entstand

Der Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland e.V. (VBIO) entstand aus dem Zusammenschluss zweier Vorläufer-Organisationen: Des Biologen-Verbands "vdbiol", der seit über 50 Jahren die Interessen der Biologen erfolgreich vertreten hat, sowie der Dachorganisation "vbbm", in der sich 22 Fachgesellschaften mit ihrerseits über 23.000 Einzelmitgliedern organisiert hatten. Vdbiol und vbbm haben ihre Vereinigung auf der Kongressmesse "European Bioperspectives 2007" in Köln bekannt gegeben.

 

Der VBIO-Vorstand:

Bei der Gründungsversammlung in Köln wählten die VBIO-Delegierten folgende Vertreter in den Verbandsvorstand:

Präsident: Prof. Dr. Rudi Balling, Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Braunschweig.

Vizepräsidenten: Prof. Dr. Reinhard Paulsen, Universität Karlsruhe, Zoologie; Prof. Dr. Angelika A. Noegel, Universität Köln, Biochemie; Prof. Dr. Gerhard Wenzel, TU München-Weihenstephan, Pflanzenzucht; Dr. Matthias Bohn, Gymnasiallehrer und Studienrat im Hochschuldienst, Uni Marburg.

Sprecher der Fachgesellschaften: Prof. Dr. Reinhard Krämer, Universität Köln.

Sprecher der Landesverbände: Prof. Dr. Hans Dieter Frey, Universität Tübingen.

Schatzmeister: Privatdozent Dr. Georg Kaim, Augsburg, selbstständig

 

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11.06.2007

Muss der Pieks denn wirklich sein?

Informationen zum Impfen bei "Wissen findet Stadt" vom 14. bis 17. Juni

Wozu impfen? Gegen welche Krankheiten? Welche Kosten übernehmen die Krankenkassen? Und was tut überhaupt die Forschung, um neue und sichere Impfstoffe zu entwickeln? Das sind die Fragen, die Experten aus Medizin, Gesundheitswesen und Wissenschaft vom 14. bis 17. Juni 2007 in einem "Impfzelt" auf dem Braunschweiger Burgplatz während der Veranstaltung "Wissen findet Stadt" beantworten.

 

Informationen zum Impfen sind wichtiger denn je. Denn die Deutschen sind Impfmuffel. Deshalb kehren beispielsweise die Masern zurück. Jahrelang trat die Virusinfektion in Deutschland höchst selten auf. Im vergangenen Jahr aber gab es eine Masernwelle in Nordrhein-Westfalen. Nun ist auch Niedersachsen betroffen. Zwar gibt es einen wirksamen und gut verträglichen Impfstoff gegen das Masern-Virus - aber den kleinen Pieks nehmen immer weniger Menschen in Kauf. Stattdessen riskieren sie die Infektion und unter Umständen schwere Komplikationen wie Hirnhaut- oder gar Hirnentzündungen. Mit unter Umständen bleibenden Schäden.

 

In ihrem Impfzelt bieten die Veranstalter - das Städtische Klinikum Braunschweig, das Gesundheitsamt Braunschweig, die Arbeitsgemeinschaft Braunschweiger Krankenkassen, die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) und das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung - Wissenswertes über Infektionen und was man dagegen machen kann. So berät das Gesundheitsamt über Impfungen vor Reisen in ferne Länder. Fachleute des Städtischen Klinikums erklären, wie man sich am besten vor Zecken schützt - und damit vor Borreliose oder der gefürchteten Frühsommer-Meningo-Enzephalitis (FSME).

 

Doch Impfen fällt noch leichter, wenn man versteht, was bei einer Infektion und nach dem Impfpieks passiert. Deshalb sind auch die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung dabei. Ihre tägliche Arbeit ist es, zu untersuchen, mir welchen Tricks Viren oder Bakterien das Immunsystem überlisten und uns krank machen. Ihre Erkenntnisse nutzen sie, um Ideen für neue Impfstoffe zu entwickeln. Gemeinsam mit den Experten der anderen Einrichtungen haben sie eine umfangreiche Vortragsreihe auf die Beine gestellt. Stündlich berichten sie in kurzen und allgemein verständlichen Vorträgen über ihre neuesten Ergebnisse.

 

Hintergrund:

Das Impfzelt ist der Beitrag von Städtischem Klinikum Braunschweig, Gesundheitsamt Braunschweig, Arbeitsgemeinschaft Braunschweiger Krankenkassen, Kassenärztlicher Vereinigung Niedersachsen (KVN) und Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung zur Veranstaltung "Wissen findet Stadt". Diese wird von der ForschungRegion Braunschweig eV organisiert. Insgesamt 21 Mitgliedereinrichtungen präsentieren sich im Braunschweigischen Landesmuseum und in einer über 800 qm² großen Zeltstadt auf dem daran angrenzenden historischen Burgplatz in der Braunschweiger Innenstadt.

 

Öffnungszeiten: Fr/Sa/So: 10-20 Uhr, Schüler-Preview Do: 9-13 Uhr, Eröffnung: Do 19 Uhr (Sonderöffnung bis 22 Uhr). Der Eintritt ist frei.

 

18.06.2007

Genomanalyse klärt erstmals Struktur von Molekülen auf

Chemiker nutzen Erbinformation, um medizinische Wirkstoffe zu identifizieren

Wissenschaftlern ist es zum ersten Mal gelungen, die chemische Struktur eines Naturstoffs mit Hilfe der Genomanalyse aufzuklären. Sie nutzten dafür die Erbinformation des Bakteriums, das die Substanz produziert. Seine Ergebnisse hat das Forscherteam aus Braunschweig, Hannover und Saarbrücken jetzt in der Fachzeitschrift "Angewandte Chemie" veröffentlicht, dem weltweit angesehensten Chemie-Journal.

 

"Unsere Ergebnisse bedeuten eine Revolution für die Entwicklung medizinischer Wirkstoffe", sagt Projektkoordinator Markus Kalesse, Abteilungsleiter am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig und Chemie-Professor an der Universität Hannover: "Wir kennen zwar seit einigen Jahren die Genomsequenzen vieler Organismen, und es werden täglich mehr. Aber wir konnten die Buchstaben nur lesen, ohne ihre Bedeutung - nämlich die chemische Struktur der von ihnen gebildeten Moleküle - genau zu verstehen. Diesen Erkenntnisschritt haben Chemie und Biologie jetzt gemacht."

 

"Bisher war es nur mit chemischen Methoden möglich, die Lage der Atome in einem Molekül zu bestimmen", so Kalesse weiter. Mit dem neuen Verfahren ziehe die Biologie in die Strukturaufklärung ein. "Das wird unsere Trefferquote deutlich erhöhen", freut sich Kalesse.

 

Chivosazol heißt der Stoff, an dem die Wissenschaftler ihre Technik entwickelt haben. Das Molekül wird von einem am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum entdeckten Myxobakterium produziert. Es kann sich an das Stützskelett von Zellen anheften. Das behindert die Zellteilung - eine Eigenschaft, die beispielsweise das Tumorwachstum hemmen kann. "Bevor solch eine Substanz aber für den medizinischen Einsatz getestet werden kann, muss man genau wissen, wie sich das Molekül zusammensetzt", erklärt Kalesse. "Denn schon winzige Unterschiede in der Anordnung der Atome können schwere gesundheitliche Folgen haben."

 

"Im Erbmaterial steckt die Information, die die Chemiker suchen", erklärt der Pharmazeutische Biotechnologe Rolf Müller, ebenfalls Abteilungsleiter am Helmholtz-Zentrum und zudem Professor an der Universität Saarbrücken. "Sie wird in der Bakterienzelle in Moleküle wie dem Chivosazol übersetzt." Aber erst die Genomanalyse habe diese Information für die Biologen lesbar gemacht. Müller: "Wir haben den Chemikern die DNA-Sequenz zur Verfügung gestellt, die den Code für das Chivosazol enthält, und ihnen einen Vorschlag gemacht, welche Struktur sich aus unserer Sicht dahinter verbergen muss."

 

"Wir brauchten nur noch einen Teil des Moleküls mit den klassischen Methoden zu untersuchen", sagt Markus Kalesse: "Damit haben wir überprüft, ob die Biologen wirklich recht hatten." Hatten sie, wie die Gutachter der "Angewandten" den Wissenschaftlern bestätigten.

 

Quelle

Orignalartikel: Chivosazol A - Aufklärung der absoluten und relativen Konfiguration von Dominic Janssen , Dieter Albert, Rolf Jansen, Rolf Müller, Markus Kalesse. Angewandte Chemie, 2007

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20.06.2007

Vitamin D3 beeinflusst Immunabwehr

Fresszellen lähmen sich selbst und fallen Parasiten zum Opfer

Vitamin D3 drosselt Teile der Immunabwehr. Das konnten Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Münster jetzt im Tiermodell nachweisen: Mäuse, deren Fresszellen der Rezeptor für Vitamin D3 fehlt, zeigten sich unempfindlich gegen den Parasiten Leishmania major. Das Vitamin D3 kann nicht mehr auf die so genannten Makrophagen wirken, so dass seine hemmende Wirkung fehlt und die Zellen erfolgreicher in der Bekämpfung des Parasiten werden.

Leishmania major verursacht die so genannte Leishmaniasis – eine Krankheit, die durch blutsaugende Schmetterlingsmücken und Sandfliegen übertragen wird und verschiedene Krankheitsbilder auslösen kann. Am bekanntesten ist die „Orientbeule“, die vor allem die Haut befällt. Leishmanien haben eine Besonderheit: sie sind darauf spezialisiert, das Innere der Fresszellen zu befallen und sich dort zu vermehren.

Normalerweise bekämpfen die Fresszellen einen eingedrungenen Krankheitserreger, indem sie ihn gewissermaßen auffressen - sie zerlegen den Eindringling in seine Bestandteile und präsentieren die Bruchstücke auf ihrer Oberfläche. Auf diese Weise wird der Erreger unschädlich gemacht und gleichzeitig für andere Immunzellen sichtbar. Daraufhin verstärken zusätzliche Immunzellen das Abwehrsystem. Gegen Leishmanien wehren sich die Fresszellen außerdem, indem sie Stickoxid produzieren. Es tötet zum einen die Leishmanien im Zellinneren ab, zum anderen aktiviert es weitere Fresszellen.

Die Fresszellen verfügen aber auch über einen Mechanismus, der die Abwehr rechtzeitig bremst. Dr. Andreas Lengeling, Leiter der Arbeitsgruppe Infektionsgenetik, erklärt: „Die Fresszellen produzieren dazu kleine Mengen des Vitamin D3. Das Vitamin dient ihnen als Signalstoff, der ihre Aktivität abschwächt.“ So wird verhindert, dass die Zellen über die Erregerabwehr hinaus aggressiv sind und dann möglicherweise körpereigenes Gewebe angreifen. Dieses Abbremsen der Immunabwehr wird während der Leishmanien-Infektion zum Nachteil. Mäuse mit intaktem Vitamin D3-Rezeptor erkranken leichter an Leishmaniasis: Die Aktivität der Fresszellen lässt nach und der Erreger vermehrt sich schnell und ungehindert, verglichen mit der Knockout-Maus, der der Vitamin D3-Rezeptor fehlt. Die Makrophagen der gentechnisch veränderten Maus sind effizienter im Abtöten der Leishmanien, sie werden den Parasiten rascher wieder los.

Lassen diese Forschungsergebnisse Schlussfolgerungen für die Ernährung zu? Lengeling verneint: „Das Vitamin D3, das wir mit der Nahrung zu uns nehmen, hat andere Funktionen, wie z. B. den Aufbau der Knochen. Bei der Leishmanien-Infektion spielt nur das durch die Makrophagen selbst produzierte Vitamin D3 eine Rolle.“

 

Quelle

Orignalartikel: J. Ehrchen, L. Helming, G. Varga, B. Pasche, K. Loser, M. Gunzer, C. Sunderkötter, C. Sorg, J. Roth, A. Lengeling (2007): "Vitamin D receptor signaling contributes to susceptibility to infection with Leishmania major“, FASEB J. doi:10.1096/fj.06-7261com

02.07.2007

Ideen für neue Bildgebungsverfahren und den Kampf gegen Krebs

Einladung zur Preisverleihung am Freitag, 6. Juli 2007, um 15 Uhr

Bahnbrechende Erkenntnisse der Wissenschaft beruhen oft auf der harten Laborarbeit von Diplomanden und Doktoranden. Wahrgenommen werden aber zumeist nur die alten Hasen mit der jahrzehntelangen Erfahrung. Dies zu ändern hat sich der „Arbeitskreis Zellbiologie und Biomedizinische Forschung e.V.“ vorgenommen: Er zeichnet deshalb

am Freitag, den 6. Juli 2007, um 15 Uhr,
im Forum des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung

zwei junge Wissenschaftler aus, die in ihrer Promotionsarbeit große wissenschaftliche Durchbrüche erzielt haben. Vertreter der Medien sind zu der Feier herzlich eingeladen.

Krankheitserregende Bakterien als Helfer im Kampf gegen den Krebs – das klingt abenteuerlich, doch weiß man seit über hundert Jahren, dass Bazillen sich bevorzugt in Krebsgeschwüren ansiedeln. Dazu könnte die sauerstoffarme Umgebung im Tumor beitragen, in der viele Bakterien bevorzugt wachsen. Dr. Kathrin Westphal hat mit ihrer Doktorarbeit – die der Arbeitskreis nun auszeichnet – zu der Hoffnung beigetragen, dass aus diesem Wissen ein neuer Ansatz für die Tumortherapie werden könnte. Mit Hilfe der Elektronenmikroskopie konnte Westphal zeigen, dass sich Salmonellen-Bakterien außerhalb der Krebszellen ansiedeln und dabei einen so genannten Biofilm bilden. In anderen Körpergeweben sind Salmonellen nicht in der Lage, einen solchen Verbund aufzubauen – sie entwickeln also am Tumor ganz spezifische Eigenschaften, die sich vielleicht in der Krebstherapie nutzen lassen: Mit Westphals Erkenntnissen haben Wissenschaftler nun die Möglichkeit, nach den Genen zu suchen, die für die Biofilm-Bildung im Krebs verantwortlich sind – und sie später beispielsweise für die Produktion von Anti-Krebs-Medikamenten direkt am Geschwür einzusetzen.

Der zweite Preisträger, Dr. Bin Ma, konnte dank seiner herausragenden Arbeit bereits Karriere machen: Ma hat neue Techniken entwickelt, um in Mäusen die dynamischen Prozesse einzelner Organe in Echtzeit darzustellen – und wurde dafür von der US-amerikanischen Yale-University angeheuert. Für seine Untersuchungen wählte Bin Ma Immun-Organe wie die Milz oder Lymphknoten aus, die mikrochirurgisch leicht zugänglich sind. Er entwickelte dafür systematisch Schnitt- und Färbemethoden, die über die Multifarben-Immunfluoreszenzmikro­skopie eine dreidimensionale Rekonstruktion ermöglichten. Zur Auswertung verfeinerte er Bildverarbeitungsverfahren, die sich zur detaillierten Darstellung der Organe eignen. So setzte er zum Beispiel ein Verfahren ein, mit dem Fotografen normalerweise Panoramabilder zusammenführen. Dem Preisträger ist mit einer Vielzahl von sich ergänzenden Techniken ein entscheidender Schritt hin zur Gesamtrekonstruktion eines Organs gelungen.

17.07.2007

Molekulare Zündkerzen machen Erdöl genießbar

Helmholtz-Forscher klären Molekülstruktur auf, die Bakterien den Erdölabbau ermöglicht

 

Zum Glück fressen manche Bakterien Erdöl. Ohne ihre Verdauungsarbeit würden die Folgen von Tanker-Unglücken niemals verschwinden: Unsere Meere wären von Ölteppichen bedeckt. Die Struktur einiger Eiweißverbindungen, die es den Bakterien ermöglichen, die Kohlenstoffketten des Erdöls zu knacken, haben jetzt Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig aufgeklärt. Ihre Ergebnisse - die atomaren Details dieser Strukturen - veröffentlicht die Arbeitsgruppe um den Strukturbiologen Dr. Wolf-Dieter Schubert heute in der amerikanischen Fachzeitschrift PNAS.

 

Erdöl ist äußerst widerstandsfähig. Und obwohl es - zu Diesel oder Benzin verarbeitet - der Energieträger Nr.1 der Welt ist, ist zunächst Energie erforderlich, um seine chemisch trägen, sehr langen Kohlenstoffketten überhaupt angreifen zu können. Erst wenn der Zündfunke im Motorraum überspringt, setzt der Treibstoff seine Energie frei. Und auch Bakterien müssen diese energetische Hürde nehmen, um Erdöl oder auch Diesel als Nahrungsquelle nutzen zu können. Die Bakterien haben jedoch keine eingebauten Zündkerzen mit denen sie die Kohlenwasserstoffe entzünden und so die Energie frei setzen könnten - ganz abgesehen davon, dass sie die Explosion, die dem Zündblitz folgt, nicht überleben würden. Sie gehen viel subtiler vor: Sie aktivieren die trägen Moleküle im ersten Schritt durch den Einbau von Sauerstoff. Die langen Ketten werden so angreifbar und damit für die Bakterien leichter verdaulich. Die Energie wird gewissermaßen häppchenweise freigesetzt.

 

"Wir wollten herausfinden, wie die Moleküle aussehen, die sozusagen den Strom für diesen Prozess liefern", beschreibt Wolf-Dieter Schubert die Aufgabe, die sich seine Gruppe gestellt hat. Dazu untersuchten die Forscher diesen Vorgang am Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Gregor Hagelüken, Doktorand in Schuberts Arbeitsgruppe, nahm die molekulare Stromversorgung von Pseudomonas genau unter die Lupe: "Wir wussten, dass es die beiden Proteine `Rubredoxin´ und `Rubredoxin-Reduktase´ sind, die die Energie für diesen Prozess liefern und Pseudomonas damit zum Erdöl-Fresser machen. Uns ist es gelungen, beide Proteine gemeinsam zu kristallisieren und ihre atomare Struktur im Detail aufzuklären. Jetzt können wir genau erklären, wie Pseudomonas Energie in Form von Elektronen aus seinen normalen Stoffwechselwegen abzweigt - um damit Erdölbestandteile vor der Verdauung zu aktivieren."

 

"Pseudomonas aeruginosa ist ein zweischneidiges Schwert," sagt Wolf-Dieter Schubert, "einerseits ist das Bakterium ein wertvoller Verbündeter, wenn es darum geht vom Menschen verursachte Umweltschäden zu reparieren, andererseits ist es gleichzeitig ein gefährlicher Krankheitserreger, der chronische Infektionen beim Menschen verursachen kann."

 

Originalpublikation:

Gregor Hagelueken, Lutz Wiehlmann, Thorsten M. Adams, Harald Kolmar, Dirk W. Heinz , Burkhard Tümmler, and Wolf-Dieter Schubert (2007): Crystal structure of the electron transfer complex rubredoxin-rubredoxin reductase of Pseudomonas aeruginosa. Proceedings of the National Academy of Sciences USA 104 (29).

DOI: DOI: 10.1073/pnas.0702919104 http://dx.doi.org/10.1073/pnas.0702919104

26.07.2007

Virus trifft Wirtschaft

Einladung zum Kompetenztag Infektion & Wirtschaft

Am 22. Oktober 2007 veranstaltet das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig einen eintägigen Kongress zum Thema Infektion und Wirtschaft. Vertreter der Medien sind herzlich zu dieser Informations- und Diskussionsveranstaltung eingeladen.

 

Infektionen verursachen weltweit ein Drittel aller Todesfälle – mit steigender Tendenz. Das hat natürlich gewaltige persönliche und soziale Folgen. Aber auch die Wirtschaft bekommt die Konsequenzen zu spüren – eine Schnittstelle, die bislang nicht thematisiert wurde: Aids in Südafrika hat direkten Einfluss auf die Automobilproduktion; Infektionskrankheiten erfordern immer mehr Medikamente und Impfstoffe; Malaria am Mittelmeer könnte der Tourismusbranche schaden und Versicherungen müssen sich auf erhöhte Risiken durch den Ausfall menschlicher Arbeitskraft einstellen.

 

Es erwarten Sie fünf Vorträge von internationalen Experten und zwei Diskussionsrunden, in denen Sie die Berührungspunkte zwischen den großen Krankheiten und den Folgen für wirtschaftliche Prozesse hinterfragen können:

 

Regina Wenzel (Global Health Initiative des World Economic Forum, Genf): Mit welchen Strategien begegnet die Weltwirtschaft Infektionskrankheiten?

Dr. Alex Govender (Werksarzt VW Südafrika/ Leiter des Aids-Programms von VW): Was bedeutet HIV für einen Großkonzern?

Prof. Martin Lohmann (NIT Institut für Tourismus- und Bäderforschung, Kiel): Welche Auswirkungen haben sich ausbreitende Infektionskrankheiten auf den Tourismus?

Prof. Alexander von Gabain (CSO von Intercell, Wien): Wie begegnet die Pharmaindustrie dem steigenden Infektionsdruck in der Welt?

Dr. Heinrich Duhme (Hannover Rück, Hannover): Kalkulieren Versicherungen mit Aids, Malaria und Co.?

 

Selbstverständlich vermitteln wir Interviewwünsche mit den Referenten – es stehen separate Räume für TV und Hörfunk-Interviews zur Verfügung.

Ort: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Inhoffenstr. 7, 38124 Braunschweig, Forum

Beginn: 10.00 Uhr, Ende: 18.00 Uhr

Anmeldung bitte bei: Frau Dr. Jo Schilling

jo.schilling@helmholtz-hzi.de, Tel: 0531-6181-1403, Fax: 0531-6181

27.07.2007

Infektion statt Wachstum

Listerien missbrauchen Krebsprotein für Infektion

Moleküle, die normalerweise das Wachstum menschlicher Zellen regulieren aber auch Krebs auslösen können, helfen Listerien bei der Infektion. Die Bakterien koppeln sich mit ihrer Oberfläche an diese Rezeptoren auf der menschlichen Zellmembran an – und bewirken so ihre Aufnahme in das Zellinnere. Wissenschaftler des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben jetzt den Vorgang bis ins atomare Detail aufgeklärt. Seine Ergebnisse hat das Team um den Strukturbiologen Prof. Dirk Heinz jetzt in der international hoch angesehenen Fachzeitschrift „Cell“ veröffentlicht.

Listerien können beim Menschen Hirnhautentzündung verursachen. Um sich im Körper ungestört vermehren zu können, setzen sie einen Trick ein und machen sich für das Immunsystem unsichtbar: Die Bakterien schließen die menschlichen Zellen regelrecht auf und erzwingen so ihre Aufnahme. Dafür besitzen sie einen speziellen Schlüssel auf ihrer Oberfläche, der exakt in ein Schloss auf den menschlichen Zellen passt. Sowohl Schlüssel als auch Schloss sind so genannte Oberflächenproteine. „Das Schloss auf den menschlichen Zellen nennen wir Wissenschaftler `Met´“, sagt Dirk Heinz, Bereichsleiter am Helmholtz-Zentrum: „Der Schlüssel der Listerien heißt Internalin B, kurz InlB.“

Mit Hilfe des Proteins InlB koppeln sich Listerien an den Oberflächenrezeptor Met, der ihre Aufnahme veranlasst. „Normalerweise bindet aber nicht das InlB der Listerien sondern ein menschliches Signalmolekül, ein Wachstumsfaktor, an das Met-Protein“, erklärt Dr. Hartmut Niemann, der als Postdoktorand am HZI die beiden Proteine untersucht hat und inzwischen Juniorprofessor an der Universität Bielefeld ist. Niemann: „Danach teilen sich Zellen. Im Fötus bilden sich dann Organe; bei Erwachsenen heilen Wunden. Veränderungen im Met-Protein können aber auch Krebs verursachen – also zu unkontrolliertem Zellwachstum führen.“ Schon einige Jahre war bekannt, dass auch Listerien Met benutzen, um sich in menschliche Zellen einzuschleusen. „Wir wollten nun genau verstehen, wie InlB einen Komplex mit Met bildet und die Aufnahme auslöst“, so Niemann weiter.

Bevor das gelingen konnte, mussten die Braunschweiger Strukturbiologen das InlB-Protein jedoch erstmal in ausreichender Menge herstellen. „Das war ein Problem, an dem sich etliche Arbeitsgruppen weltweit vergeblich versucht haben“, beschreibt Dr. Joop van den Heuvel, Fachmann für die Produktion komplexer und empfindlicher Proteine: „Wir konnten das Rennen für uns entscheiden – und so als erste die dreidimensionale Struktur des InlB/Met-Komplexes mittels Röntgenstrukturanalyse bestimmen."

Die wesentliche Erkenntnis der Braunschweiger Wissenschaftler: Die Bakterien nutzen an dem Rezeptor Met eine andere Bindungsstelle als der menschliche Wachstumsfaktor. Sie haben gewissermaßen die Achillesferse von Met getroffen. Diese Unterschiede findet Prof. Heinz besonders spannend: „Die neue Bindungsstelle am Met-Rezeptor könnte für die Krebsforschung interessant sein. Vielleicht gelingt es in einigen Jahren, ein Medikament zu entwickeln, das auch an dieser Stelle andockt – und so die unkontrollierte Zellteilung bei einer Krebserkrankung unterbindet.“

Originalartikel:

Structure of the Human Receptor Tyrosine Kinase Met in Complex with the Listeria Invasion Protein InlB. Hartmut H. Niemann, Volker Jaeger, P. Jonathan G. Butler, Joop van den Heuvel, Sabine Schmidt, Davide Ferraris, Ermanno Gherardi and Dirk. W. Heinz, Cell 130, 1-12, DOI 10.1016/ j.cell 2007.05.037

Foto 8C0V4606: Prof. Dr. D. Heinz; Foto 8C0V4600: Dr. H. Niemann

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    07.08.2007

    Rauswurf für unnütze Gene

    Helmholtz-Forscher entwickeln programmierbares Mini-Bakterium

    Bakterien sind genetisch enorm vielfältig ausgerüstet. Die Folge: In der Natur sind die Mikroorganismen sehr anpassungsfähig. Für die biotechnologische Anwendung sind manche ihrer Gene nützlich – andere weniger. Wissenschafter des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig starten jetzt ein Projekt, um das bakterielle Genom von Pseudomonas putida auf das Wesentliche reduzieren. Im Gegenzug werden sie zusätzliche genetische Schaltkreisen einfügen. Mit der neuen Ausstattung soll P. putida dann chloroaromatische Verbindungen - chemische Ringstrukturen, die ein oder mehrere Chloratome aufweisen – in hochwertigere pharmazeutische Verbindungen umwandeln. Das Projekt „Probactys“ – Programmable Bacterial Catalysts“ (zu deutsch: programmierbare, bakterielle Katalysatoren) ist für drei Jahre ausgelegt. Die Europäische Union investiert dabei 1,9 Millionen Euro.

    Mit ihrer Programmierarbeit wollen die Helmholtz-Forscher die Bakterien dazu bringen, koordiniert und synchron zusammenzuarbeiten. Gleichzeitig sollen unerwünschte Nebenprodukte des Stoffwechsels blockiert werden und die Biokatalyse bei niedrigen Temperaturen ablaufen. „Idealerweise sollen die Bakterien mit dem Mini-Genom auch noch empfänglich sein für eine zielgerichtete, und damit beschleunigte Evolution“, so der Koordinator des Projekts und Systembiologe am Helmholtz-Zentrum, Dr. Vitor Martins Dos Santos: „ Das würde es möglich machen, die Stoffwechsel-Schaltkreise immer weiter zu optimieren.“

    „Diese Zellen könnten dann sehr wirkungsvoll spezielle Funktionen für biotechnologische, ökologische oder medizinische Aufgaben übernehmen.“, so Martins dos Santos. Die Braunschweiger Forscher arbeiten mit Kollegen aus Spanien, Frankreich, Großbritannien , den Niederlanden und China zusammen. Denn in ihrem Projekt ist nicht nur klassische Laborarbeit gefragt, bei dem die Wissenschaftler vom wet-lab, also dem nassen Labor sprechen. Vielmehr müssen sie auch zelluläre Modelle am Computer, dem sogenannten dry-lab, dem trockenen Labor erarbeiten. Eine gewaltige Aufgabe, die nur im Rahmen internationaler Projekte erfolgversprechend laufen kann.

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    13.08.2007

    Effizientere Impfung dank bakteriellem Signalmolekül

    Helmholtz-Immunologen bereiten den Weg für Impfungen über die Schleimhäute

    Forscher des Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) haben einen bakteriellen Botenstoff als vielversprechendes Werkzeug für wirksamere und kostengünstigere Immunisierungen beschrieben: Eine Impfung bei gleichzeitiger Gabe dieses Moleküls soll es ermöglichen, Erreger künftig bereits beim Eintritt in den Körper zu stoppen.

    „Die meisten Erreger von Infektionskrankheiten dringen über die Schleimhäute in den Körper ein“, sagt Prof. Dr. Carlos A. Guzmán, Leiter der Abteilung Vakzinologie des Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI). „Den Zugang zum Körper mit einer Impfung zu schließen, ist unser Forschungsanliegen.“ Dem ist die Gruppe um Guzmán nun einen deutlichen Schritt näher gekommen.

    „Impfstoffe benötigen Hilfsstoffe, sogenannte Adjuvantien, um gut wirken zu können“, erläutert Dr. Thomas Ebensen, Immunologe am HZI. Gemeinsam mit seinem Team hat Ebensen jetzt einen neuen, viel versprechenden Hilfsstoff beschrieben. Adjuvantien werden gemeinsam mit dem Impfstoff verabreicht und sind offensichtlich rar: In Europa haben bislang nur zwei verschiedene Hilfsstoffe die Zulassung. Dabei benötige man eigentlich eine ganze Schublade voller Adjuvantien, da für die unterschiedlichen Infektionskrankheiten auch verschiedene Immunantworten benötigt werden; dies erreiche man durch den Einsatz von unterschiedlich wirkenden Adjuvantien, so der Forscher Ebensen.

    In einer von Bakterien produzierten Substanz liegt nun des Forschers ganze Zuversicht: „Warum nicht Signalmoleküle der bakteriellen Zell-Zell-Kommunikation nutzen, die unserem Immunsystem seit jeher bekannt sind“, fragte sich Ebensen und erklärt: „Bakterien interagieren während einer Infektion mit ihrer Umgebung, also auch  mit den menschlichen Immunzellen. Unsere Abwehrzellen erkennen die bakteriellen Signalmoleküle als Gefahr, als sogenannte danger signals, und reagieren. Wir untersuchten in diesem Kontext zyklische Monophosphate, die in der bakteriellen Kommunikation eine Rolle spielen.“
     
    „Die Substanz ist auch in sehr geringer Dosierung hoch wirksam“, ergänzt Ebensens Kollege Dr. Kai Schulze. Durch den Einsatz effizienter Adjuvantien wie diesem könnten Impfungen künftig kostengünstiger angeboten werden, da die Konzentration des Impfstoffes deutlich reduziert werden kann, sagen die Forscher. Was für sie aber noch viel interessanter ist, ist die Möglichkeit der besseren Verabreichungsform, etwa als Spray: „Impfungen werden heute vornehmlich mittels Spritze durchgeführt“, so die Immunologen. Das stelle ein großes Problem dar; der schmerzhafte „Pieks“ reduziere die allgemeine Akzeptanz von Impfungen. Auch in den hygienischen Verhältnissen der Länder der Dritten Welt seien Nadelimpfungen eine potentielle Gefahr: Der mehrfache Einsatz der Spritzen bedeute ein erhöhtes Infektionsrisiko. „Die Verabreichung über die Schleimhäute, etwa durch ein Nasenspray, ist einfacher und schmerzfrei“, sagt Schulze. Zudem wird so auch ein Schutz auf den Schleimhäuten stimuliert und der Erreger wird bereits vor dem Eindringen, also vor der Infektion gestellt.

    Hilfe verspricht das neue Adjuvans bei einer Vielzahl von Impfungen. Am HZI  wurde es mit Wirkstoffen, die gegen AIDS, Grippe und Hepatitisinfektionen gegeben werden, erfolgreich an Mäusen getestet. „Jetzt geht’s aber erst richtig weiter“, sagt Ebensen. In seinem Labor wird er nun weitere Tests durchführen, um sicher zu stellen, dass Monophosphate als neue Hilfsstoffe zugelassen werden. In Kooperation mit der Industrie und anderen Partnern, wie der Medizinischen Hochschule Hannover, soll das Adjuvans weiter entwickelt und letztendlich in die Anwendung gehen.

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    20.09.2007

    Virus trifft Wirtschaft

    Einladung zum Kompetenztag "Infektion und Wirtschaft" am 22. Oktober 2007

    Infektionen verursachen jährlich weltweit etwa 17 Millionen Tote - Tendenz steigend. Das hat neben den sozialen Folgen auch Konsequenzen auf verschiedene Wirtschaftszweige: Aids in Südafrika hat direkten Einfluss auf die Automobilproduktion. Infektionskrankheiten erfordern von der Pharmaindustrie immer mehr und neue Medikamente sowie Impfstoffe für Länder, die aber kaum Geld dafür haben. Malaria rückt ans Mittelmeer vor und könnte der Tourismusbranche schaden. Versicherungen müssen sich auf erhöhte Risiken durch den Ausfall menschlicher Arbeitskraft einstellen.

     

    Am 22. Oktober 2007 beleuchten internationale Experten am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig ein Feld, das bislang nicht öffentlich thematisiert wurde - die Schnittmenge zwischen Infektionskrankheiten und ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft.

     

    Nach der Eröffnung der Veranstaltung durch den Niedersächsischen Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Walter Hirche, erwartet sie ein vielfältiges Programm:

     

    Mit welchen Strategien begegnet die Weltwirtschaft Infektionskrankheiten? (Regina Wenzel von der "Global Health Initiative" des World Economic Forum in Genf)

    Was bedeutet HIV für einen Großkonzern? (Dr. Alex Govender, Werksarzt VW Südafrika und Leiter des Aids-Programms von VW)

    Spaßbremse Infektionskrankheit? - Wie Infektionskrankheiten den Tourismus beeinflussen können. (Prof. Martin Lohmann vom NIT-Institut für Tourismus- und Bäderforschung, Kiel)

    Wie begegnet die Pharmaindustrie dem steigenden Infektionsdruck in der Welt? (Prof. Alexander von Gabain, Forschungsleiter von Intercell, Wien)

    Kalkulieren Versicherungen mit Aids, Malaria und Co.? (Dr. Heinrich Duhme, Hannover Rück, Hannover)

     

    Sprechen Sie mit den internationalen Experten und unseren Gästen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Neben den Vorträgen erwarten Sie zwei Diskussionsrunden. Und in der Mittagspause laden wir Sie zu einem ganz besonderen Essen ein: Machen Sie mit uns einen Ausflug in die Molekular-Gastronomie - in der sich wissenschaftliche Forschung und Kochkunst treffen.

     

    Selbstverständlich vermitteln wir Interviewwünsche mit den Referenten - es stehen separate Räume für TV und Hörfunk-Interviews zur Verfügung. Sie können für Ihre Interviews gerne unseren Dolmetscherservice in Anspruch nehmen.

     

    Veranstaltungshinweis:

    Ort: Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, Inhoffenstr. 7, 38124 Braunschweig, Gebäude "Forum"

    Termin: Montag, 22. Oktober 2007

    Beginn: 10.00 Uhr, Ende: 18.00 Uhr.

    Anmeldung bitte bis zum 28. September 2007 bei Frau Dr. Jo Schilling: jo.schilling[at]helmholtz-hzi.de, Tel: 0531-6181-1403, Fax: 0531-6181-1499

     

    24.09.2007

    Hauptakteur bei Allergien bekämpft auch Bakterien

    Mastzellen spielen eine wichtige Rolle im Kampf gegen Infektionen

    Ein bestimmter Zelltyp des Immunsystems - die sogenannten Mastzellen - spielt eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Allergien. Wissenschaftler am Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) konnten jetzt erstmals nachweisen, dass Mastzellen aber auch eine wichtige Funktion bei der Abwehr bakterieller Infektionserreger haben: Sie locken mit Hilfe chemischer Botenstoffe weitere Zellen an den Infektionsherd, die die Eindringlinge zerstören und unschädlich machen.

     

    In den Industrienationen leiden immer mehr Menschen unter Allergien. Bei dieser Fehlfunktion des Immunsystems reagiert der Körper auf harmlose Stoffe wie Blütenpollen oder Bestandteile der Nahrung, als würden Bakterien oder Viren einen Angriff starten: Mastzellen werden fälschlicherweise alarmiert. Sie schütten Substanzen aus, die weitere Teile der körpereigenen Krankheitsabwehr mobilisieren. Die Blutgefäße erweitern sich; es kommt zu Entzündungsreaktionen und Atemnot - den klassischen Symptomen eines allergischen Schocks.

     

    Bisher wussten Forscher nur von dieser unrühmlichen Funktion der Mastzellen. "Uns war zwar klar, dass dieser Zelltyp bei der bakteriellen Infektabwehr irgendeine Rolle spielen muss", erklärt der Projektleiter am HZI, Dr. Siegfried Weiß. "Aber welche das ist - da tappte die Wissenschaft bisher im Dunkeln." Für den wissenschaftlichen Durchbruch untersuchten Weiß und seine Mitarbeiter Labormäuse. "Die Tiere haben genauso wie wir Menschen im Grunde zwei Immunsysteme, ein angeborenes und ein durch die Abwehr von Infektionserregern antrainiertes", so Weiß: "Die Mastzellen gehören zum angeborenen Immunsystem, das besonders schnell aber dafür auch unspezifisch auf Krankheitserreger reagiert."

     

    Um dem Geheimnis der Mastzellen auf die Spur zu kommen, entfernte Dr. Nelson Gekara, Wissenschaftler in Weiß´ Abteilung, bei Versuchstieren die Mastzellen. Danach infizierte er die Mäuse mit Listeria-Bakterien. Die Tiere konnten die Mikroorganismen bei weitem nicht so gut bekämpfen wie eine Vergleichsgruppe, die noch Mastzellen besaßen. "Bei diesen Mäusen haben wir uns dann die Mastzellen mal im Detail angesehen", erläutert Gekara seine weitere Arbeit: "Sie hatten selbst gar keine Listerien zerstört." Die Mastzellen machten vielmehr denselben Job wie bei einer Allergie - sie sonderten Botenstoffe ab: Damit lockten sie andere Bestandteile des Immunsystems an - wie beispielsweise Fresszellen - und aktivierten sie. "Und diese Immunzellen haben dann die Listerien aufgenommen, zerkleinert und unschädlich gemacht" beschreibt Gekara die Wirkung.

     

    Zwar hat die Wissenschaft Mastzellen bisher nur mit dem Krankheitsbild Allergie in Verbindung gebracht. "Aber uns war klar, dass der Körper normalerweise keine Waffen auf sich selbst richtet", erläutert Siegfried Weiß: "Allergien und damit die Fehlfunktion der Mastzellen sind eine Folge unserer Hygiene. In einer Umgebung mit höherer Keimbelastung haben die Mastzellen genug Infektionen zu bekämpfen, so dass sie sich nicht auf harmlose Stoffe einschießen. Bei einem `zivilisierten´ Menschen langweilen sie sich gewissermaßen - und bekämpfen dann auch mal Pollen oder Nahrungsbestandteile."

     

    Originalartikel:

    Nelson O. Gekara and Siegfried Weiss: Mast cells initiate early anti-Listeria host defences; Cellular Microbiology, Online Early Articles; doi: 10.1111/j.1462-5822.2007.01033.x

     

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    05.10.2007

    Balling bleibt in Braunschweig

    Niedersachsen investiert 35 Millionen Euro in die Infektionsforschung

    Das Land Niedersachsen kann einen erfolgreichen Wissenschaftsmanager für die Region Braunschweig halten: Professor Rudi Balling, wissenschaftlicher Direktor am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), hat sich gegen ein Konkurrenzangebot und für den Standort Südniedersachsen entschieden. Insgesamt 35 Millionen Euro investiert das Land im Rahmen der Wiederberufung in den Ausbau der Infektionsforschung.

     

    „Damit ist gewährleistet, dass sich die erfolgreiche Verknüpfung von translationaler Medizin, Wirkstoffforschung und Systembiologie weiter positiv entwickelt und Niedersachsen national und international mithalten kann“, sagt Niedersachsens Minister für Wissenschaft und Kultur, Lutz Stratmann, über den Erfolg. Mit den zugesagten Mitteln könne nun die Untersuchung von Infektionserregern und die Suche nach neuen Medikamenten und Impfstoffen deutlich intensiviert werden. „Wir werden die Gelder gemeinsam mit unseren Forschungspartnern in Braunschweig und in Hannover investieren“, umreißt Rudi Balling seine Pläne. „Dabei muss im Vordergrund stehen, die Ergebnisse der Grundlagenforschung schneller als bisher in die medizinische Anwendung zu überführen.“

     

    Drei wissenschaftliche Projekte haben Wissenschaftsminister Stratmann und Balling als Schwerpunkte für die anstehenden Investitionen vereinbart: Gemeinsam mit der Technischen Universität Braunschweig soll ein Zentrum für Bioinformatik und Systembiologie aufgebaut werden. Balling: „ Die Ingenieure sind schon lange in der Lage, komplexe Systeme wie Großraumflugzeuge zu modellieren und zu simulieren. Das muss uns Infektionsforschern in ein paar Jahren auch bei Bakterien und Viren gelingen. Dafür muss aber die Mathematik Einzug in die Biologie halten. Die Voraussetzungen sind dafür gerade in Braunschweig optimal – und wird in dem geplanten Institut gelingen.“

     

    Für die Suche nach neuen Substanzen, mit denen sich Infektionen bekämpfen lassen, steht auf dem Campus des HZI in Braunschweig der Bau eines Wirkstoffzentrums an. Dort werden Chemiker gemeinsam mit den Infektionsforschern chemische Moleküle auf ihre antivirale oder antibakterielle Wirkung testen und sie für den Einsatz als Medikament oder Impfstoff optimieren. Maßgeblich an diesem Projekt beteiligt sein werden die Leibniz Universität und die Tierärztliche Hochschule in Hannover.

     

    „All diese wissenschaftlichen Projekte sollen aber auch für die Patienten in den Kliniken einen Nutzen bringen“, fasst Stratmann zusammen. Deshalb unterstützt das Land mit den zugesagten Mitteln als dritten Baustein des Pakets den Aufbau eines Klinischen Testzentrums in Hannover gemeinsam mit der Medizinischen Hochschule und der Fraunhofer Gesellschaft. „Dort werden die Ergebnisse, die wir in Rechnersimulationen und Laborarbeit gewonnen haben, unter standardisierten Bedingungen zum ersten Mal am Menschen überprüft“, erklärt Balling. Danach sind die potenziellen Medikamente und Impfstoffe so weit entwickelt, dass sie an die Pharmaindustrie auslizenziert werden können. „Mit diesen Investitionen schließen wir die Kette von der Grundlagenwissenschaft zur Anwendung im Bereich Infektionsforschung“, so Minister Stratmann: „Niedersachsen kann seine führende Position in diesem Feld enorm ausbauen.“

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    08.10.2007

    Aspirin schaltet Gene an

    HZI-Wissenschaftler entwickeln Verfahren, um Genregulation zu untersuchen

    Infektionen sind äußerst komplizierte biologische Prozesse: Zahlreiche Gene sowohl des Krankheitserregers als auch des befallenen Organismus sind an ihrem Ausbruch und an ihrer Bekämpfung beteiligt. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Braunschweig haben jetzt ein verblüffend einfaches Verfahren entwickelt, mit dem sie einzelne Gene von Bakterien während einer Infektion mit Aspirin gezielt anschalten können. Damit lässt sich die Funktion des Erbmaterials im Krankheitsprozess in Zukunft genau untersuchen. Seine Ergebnisse veröffentlicht das Team um den HZI-Forscher Prof. Carlos A. Guzman heute in der Fachzeitschrift „Nature Methods“.

    Krankmachende Bakterien setzen vielfältige Tricks ein, um in unseren Körper zu gelangen. Dazu gehören auch spezielle Proteine – so genannte Virulenzfaktoren – mit denen die Krankheitserreger unsere Körperzellen regelrecht aufschließen, in sie eindringen und sich dann vermehren. Gesteuert wird die Produktion der Virulenzfaktoren von den Genen der Bakterien. „Da sich immer eine große Zahl dieser Proteine an der Infektion beteiligt, ist es sehr schwer, die Rolle und Bedeutung einzelner Virulenzfaktoren zu bestimmen“, erklärt Guzman das Dilemma der Infektionsforscher: „Das wird erst möglich, wenn wir die Gene ganz gezielt anschalten können.“

    Zwar habe es entsprechende künstliche genetische Schalter bereits gegeben, so Guzman: „Sie hatten aber Nebenwirkungen oder waren nicht effizient genug und ließen eine ungestörte Beobachtung im ganzen Organismus nicht zu.“ Den Durchbruch ist Guzmans Team mit einer Substanz namens Acetyl-Salicylsäure (ASA) gelungen, dem Wirkstoff von Aspirin. Seine Wirkungsweise ist bestens bekannt, Nebenwirkungen verursacht ASA kaum.

    Das Verfahren, mit Aspirin Gene anzuschalten, erklärt Dr. Pablo Becker, der darüber bei Guzman promoviert hat: „Wir haben einen speziellen Genschalter – einen so genannten Promotor – konstruiert, der empfindlich auf ASA reagiert. Befindet sich ASA in seiner Umgebung, wird das Gen abgelesen und in ein Protein übersetzt. Fehlt ASA, schaltet der Promotor das Gen ab. Dies erlaubt uns, eine gezielte Aktivierung zu unterschiedlichen Zeitpunkten während des Infektionsprozesses.

    Den Funktionstest für den ASA-empfindlichen Genschalter führten die Braunschweiger Forscher jedoch nicht bei einer Infektion sondern bei Krebs durch. Guzman: „Wir haben Bakterien der Gattung Salmonella zunächst den neuen Genschalter eingepflanzt.“ Dort steuert er die Funktion eines Gens, das für die Aktivierung eines Krebsmedikaments verantwortlich ist. Salmonellen können im Körper krebskranker Organismen, beispielsweise bei Mäusen, in Tumore einwandern. Dort sammeln sie sich regelrecht an. „Verabreicht man den Mäusen nun Aspirin sowie eine Vorläufersubstanz des Krebsmedikaments“, so Guzman, „dann produzieren die Salmonellen tatsächlich den Aktivator für die Bildung des Zytostatikums und die Tumore schrumpfen. Der Vorteil hierbei ist, dass dieser Prozess gezielt in den Tumoren abläuft und somit weniger Nebenwirkungen auftreten.“

    Obwohl Guzman und Becker mit der erfolgreichen Bekämpfung des Krebses bewiesen haben, dass man mit Aspirin Gene anschalten kann, wollen sie ihre Aufmerksamkeit nun auch den Infektionen zuwenden: „Wir wollen damit verstehen, wie sich Infektionserreger und Wirte gegenseitig beeinflussen“, so Becker. „Und mit diesem Wissen dann Strategien für neue Medikamente und Impfstoffe entwickeln.“

     

    16.10.2007

    Besondere Leistung der Diplomarbeit prämiert

    Diplomand gewinnt Award auf der Biotechnica

    Florian David, frisch gebackener Diplom-Biotechnologe, hat auf der Biotechnica-Messe in Hannover für seine am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) angefertigte Diplomarbeit den Biotechnica Award erhalten. In seiner Arbeit etablierte David eine biotechnologische Plattform zur Herstellung eines therapeutisch wirksamen Proteins. Die Arbeit entstand in Kooperation zwischen HZI und der Firma IBA Biologics GmbH im Rahmen eines durch die Arbeitsgemeinschaft Industrieller Forschung (AIF) geförderten Projekts.

    Bei der biotechnologischen Plattform handelt es sich um ein technologisches Verfahren, mit dem ein bestimmtes Eiweiß, Protein genannt, in einer geeigneten Form hergestellt und effizient gereinigt wird. Zunächst müssen Bakterien, die das Eiweiß produzieren sollen, an die speziellen Eigenschaften des betreffenden Proteins angepasst werden. „Besonders schwierig war im Falle dieser Diplomarbeit, die passenden Varianten des Bakteriums Escherichia coli  abzuleiten und zu testen“, erklärt Dr. Holger Lößner von der Arbeitsgruppe Molekulare Immunologie des HZI, bei der Florian David seine Studienabschlussarbeit anfertigte. Danach wurde in die neuen, veränderten Bakterien eine Bauanleitung - also die genetische Information für die Herstellung des therapeutischen Proteins - in Form von DNA eingebracht. Biowissenschaftler sprechen bei diesem Vorgang von der Etablierung eines Protein-Expressionssystems.

    Doch mit dem fertigen Bakterienstamm war das Procedere zur Gewinnung des relevanten Proteins noch lange nicht abgeschlossen. Im nächsten Schritt musste das Eiweiß von den Bakterien getrennt werden; man spricht von der Proteinreinigung. Ebenso wie die Etablierung des Expressionssystems ist auch dieser Schritt mit zahlreichen Unwägbarkeiten verbunden. Es galt eine effiziente Methode für die Reinigung zu etablieren: „Eine Herausforderung, die Florian hervorragend meisterte“, freut sich Dr. Sofia Ioannidu von der Firma IBA Biologics GmbH. Für ein AIF-Projekt, einem Programm zur Förderung kleiner und mittelständischer Unternehmen, hatte IBA einen Diplomanden für diese Aufgabe gesucht und fand ihn über die TU Braunschweig und das HZI. Dass Florian David diese biotechnologische Herausforderung meisterte, noch dazu in der kurzen Zeit von nur sechs Monaten, war eine Leistung die letztendlich prämiert wurde: „Die Zeit ist wie im Flug vergangen und es hat riesigen Spaß gemacht“, sagt Florian David mit Begeisterung. Und er hat Feuer gefangen. Als Doktorand an der TU Braunschweig arbeitet er weiter mit Bakterien, diesmal mit Bacillus megaterium.

    Bild (v.l.n.r.):

    Holger Lößner, Florian David und Sofia Ioannidu freuen sich über ihren schnellen Erfolg.

     

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    18.10.2007

    Hochleistungsbakterium für die weiße Biotechnologie

    Das europäische Verbundprojekt „PSYSMO“ soll helfen, die biotechnologischen Möglichkeiten des Bakteriums Pseudomonas putida in Zukunft möglichst vollständig auszunutzen. Um das zu erreichen, wollen Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung den Stoffwechsel des Bodenbakteriums bis ins kleinste Detail aufklären. Dabei werden sie nicht nur umfangreiche Genom-Daten sammeln, sondern daraus auch systembiologische Computermodelle entwickeln. Das Auftakttreffen der beteiligten europäischen Forschergruppen findet heute und morgen in Braunschweig statt.

    Vitor Martins dos Santos, Koordinator des Verbundprojekts ist zuversichtlich: „Wenn wir die richtigen Schalter im Stoffwechselweg kennen, ist mit unseren Optimierungsstrategien ein Quantensprung möglich.“ Am Anfang des Projekts steht zunächst die Datengewinnung, gefolgt von der Entwicklung mathematischer Modelle. Die theoretische Arbeit wird Hand in Hand mit der Forschung im Labor gehen, bis es letztlich zur biotechnologischen Anwendung kommt: die Bakterien sollen in Tausenden Litern Kulturbrühe schnell und zuverlässig Substanzen nach den Vorgaben der Forscher produzieren. Gleich zwei Braunschweiger Forschergruppen des HZI kooperieren in diesem umfangreichen Projekt mit insgesamt 15 weiteren Partnern aus Deutschland, Spanien und Großbritannien.

    Das stäbchenförmige Bakterium Pseudomonas putida ist sehr widerstandsfähig. Kooperationspartner Kenneth Timmis gibt Beispiele: „Es ist besonders tolerant gegenüber Stressfaktoren: einem niedrigem pH-Wert, niedrigen Temperaturen und verschiedenen Chemikalien, wie etwa Lösungsmitteln.“ Bei der biotechnologischen Produktion werden die äußeren Bedingungen möglichst stabil gehalten, trotzdem geraten die Mikroorganismen unter Stress. Viele der Stressfaktoren sind noch unbekannt, wirken sich jedoch erheblich auf die Produktion aus. Nach Abschluss des Projekts sollen die Lücken geschlossen sein und das Bodenbakterium dank der neu gewonnen Erkenntnisse eine Vorreiterrolle in der weißen Biotechnologie und im Umweltschutz übernehmen. Vitor Martins dos Santos freut sich auf die Studien: „Wir werden für Arbeiten mit Pseudomonas putida völlig neue Maßstäbe setzen können.“



    Hintergrundinformationen

     
    Der Projektname ”PSYSMO” nimmt Bezug auf das vom BMBF koordinierte Förderprogramm SysMO – Systembiologie an Mikroorganismen. Elf Studien werden vom BMBF für die Dauer von zunächst 3 Jahren gefördert. Das Braunschweiger Projekt ist das größte unter ihnen und erhält eine Summe von mehr als 1,1 Millionen Euro.

    weitere Informationen zu den SysMo-Projekten finden Sie unter www.sysmo.net

    23.10.2007

    Infektion und Wirtschaft – ein Thema mit vielen Forschungsoptionen

    Ergebnisse des Braunschweiger Kompetenztages

    „Wir Wissenschaftler wollen über den Tellerrand schauen und unsere Zusammenarbeit mit der Wirtschaft verstärken. Nur so können wir die Probleme, die uns Infektionen in Zukunft noch bereiten werden, im Griff behalten.“ Dieses Fazit hat Prof. Rudi Balling, wissenschaftlicher Direktor am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI), zum Abschluss des Braunschweiger Kompetenztags „Infektion und Wirtschaft“ gezogen. Damit nahm er einen Wunsch der Referenten und Zuhörer auf, die sich am 22. Oktober 2007 darüber austauschten, welchen Risiken die Wirtschaft durch Infektionen ausgesetzt ist – welche wirtschaftlichen Chancen aber auch in der Vorsorge und Bekämpfung dieser Erkrankungen liegen.

    29.10.2007

    Bislang größtes Bakteriengenom entschlüsselt

    Gezielte Suche nach neuen Wirkstoffen wird möglich

    Ein Wissenschaftler-Konsortium unter Beteiligung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig hat das bislang größte Bakteriengenom entschlüsselt. Untersuchungsobjekt der Forscher war das Bodenbakterium Sorangium cellulosum. „Dieses Bakterium ist ein überaus vielseitiger Produzent von so genannten Naturstoffen“, charakterisiert Prof. Rolf Müller, Arbeitsgruppenleiter am HZI und Professor an der Universität des Saarlandes, sein Untersuchungsobjekt. Naturstoffe gewinnen in der Medizin, der pharmazeutischen Industrie aber auch in der Agrochemie als Wirkstoffe immer mehr Bedeutung. Müller: „Da wir nun die Erbinformation kennen, können wir in Zukunft sehr viel gezielter nach neuen Wirkstoffen suchen und deren Produktion verbessern". Seine Ergebnisse veröffentlicht das Team unter Müllers Federführung heute in der Fachzeitschrift Nature Biotechnology.

     

    Insgesamt fanden die Wissenschaftler im Genom von Sorangium cellulosum fast 10.000 Gene, die aus mehr als 13 Millionen Basenpaaren aufgebaut sind. Damit hat es die vierfache Größe eines durchschnittlichen Bakteriengenoms. Die Gene tragen die Information, die das Bakterium für die Produktion sämtlicher seiner Bestandteile braucht. Ihre enorme Zahl erklärt, warum Sorangium cellulosum eine sehr große Zahl auch wirtschaftlich interessanter Stoffe herstellt.

     

    Neben seiner Fähigkeit zu einer sehr vielseitigen Wirkstoffproduktion fällt Sorangium cellulosum durch eine weitere Besonderheit auf: Es zeigt ein so genanntes pseudosoziales Verhalten. Darunter verstehen Wissenschaftler die Fähigkeit der Mikroorganismen, gemeinsam Strukturen aus zahlreichen Bakterien zu bilden. Diese als Fruchtkörper bezeichneten Formen dienen dem Überleben der Art bei Nahrungsmangel und erinnern an echte Fruchtkörper niederer Pilze.

    Die Fähigkeit von Sorangium cellulosum zur Fruchtkörperbildung fasziniert gerade Grundlagenwissenschaftler ganz besonders. Sie zeigt, dass auch vergleichsweise einfache Organismen wie Bakterien die Fähigkeit zur Kommunikation und zu koordinierter Aktion haben. Die dafür verantwortlichen chemischen Substanzen können ebenfalls in Medizin und Pharmazie von Bedeutung sein. „Das Verständnis der genetischen Grundlagen der Naturstoffbildung“, so hofft Müller, „kann zur Entdeckung neuer Wirkstoffe und damit zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen.“

     

    Hinweis:


    Koordiniert wurde das internationale und interdisziplinäre Projekt durch das an der Universität Bielefeld angesiedelte Kompetenzzentrum eines bundesweiten Genomforschungsnetzwerks unter der Leitung von Prof. Alfred Pühler. Beteiligt waren neben Prof. Müller am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung Dr. Helmut Blöcker und Dr. Klaus Gerth.

     

    Link zum Originalartikel:

    http://www.nature.com/nbt/journal/vaop/ncurrent/abs/nbt1354.html

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    30.10.2007

    Neues Informationsportal der Infektionsforschung online

    „infection-research.de“ bietet Überblick über aktuelle Entwicklungen

    Eine neue Website „Infection Research-News and Perspectives“ (www.infection-research.de) informiert ab sofort über aktuelle Entwicklungen auf dem Gebiet der Infektionsforschung. Die Seite trägt der gestiegenen Bedeutung der Infektionsforschung mit Nachrichten, Hintergrundberichten und einem umfassenden Service-Angebot Rechnung. Der englischsprachige Internetauftritt wurde unter Leitung des Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) mit Mitteln des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft realisiert.

    „Die Infektionsforschung erlebt derzeit eine Art Wiedergeburt“, erläutert der Initiator und HZI-Wissenschaftler Professor Klaus Schughart seine Motivation für die Internet-Initiative: „Und das nicht ohne Grund: Krankheiten, die lange als besiegt galten, fordern heute wieder zahlreiche Todesopfer, bislang unbekannte Erreger tauchen auf und breiten sich in unserer globalisierten Welt mit teils erschreckender Geschwindigkeit aus.“ Die Folge: Mindestens 17 Millionen Menschen sterben jährlich an einer Infektionskrankheit.

    Stärkere Forschungsanstrengungen sollen dieser Entwicklung Einhalt gebieten. Mit der Intensivierung der Forschung nimmt auch die Flut an neuen Entdeckungen, Informationen und Betrachtungsweisen zu. Schughart: „Die neue Internet-Wissensseite `Infection Research - News and Perspectives´ verschafft einen Überblick über die aktuelle Entwicklungen und bietet so Orientierungshilfe in einem rasch voranschreitenden Forschungsgebiet. `Infection Research´ möchte Forscher vernetzen und auf dem Laufenden halten, fachfremden Wissenschaftlern einen Einblick in die Infektionsforschung geben und die interessierte Öffentlichkeit über Hintergründe, Aktivitäten und Entwicklungen auf dem Gebiet informieren.“

    „Infection Research“ liefert unter der Rubrik „News“ Woche für Woche Nachrichten und Kurzberichte über neu erschienene Fachartikel. Jeden Monat vertieft ein Perspective-Artikel Fakten, Hintergründe und kontroverse Meinungen zu einem aktuellen Brennpunktthema. Der Stichpunkt „Who is Who“ listet die führenden Infektionsforschungsinstitute in Deutschland auf. Der Veranstaltungskalender „Events“ zeigt dem Nutzer, wann und wo interessante Konferenzen stattfinden. Porträts von Forschern, die die Infektionsforschung prägen und von Jungwissenschaftlern, die ihre Zukunft in diesem Feld sehen, sollen in Zukunft den Überblick über das Forschungsgebiet ergänzen.

    www.infection-research.de
    http://www.infection-research.de

    31.10.2007

    Wie Bakterien funktionieren - und warum manche uns krank machen

    Am Samstag: Tag der offenen Tür im Helmholtz-Zentrum

    Wie man herausfindet, warum manche Bakterien Krankheiten auslösen, wie Wissenschaftler die Moleküle des Lebens sichtbar machen oder neue Impfstoffe entwickeln: All das zeigen Forscher am Samstag dieser Woche, 3. November, im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI). Bei zahlreichen Führungen, Filmen und Informationsveranstaltungen können Besucher an diesem Tag der offenen Tür Einblick in die biologische und medizinische Forschung rund um Krankheitserreger und das menschliche Immunsystem gewinnen.

    Rundgänge durch die verschiedenen Bereiche des Zentrums werden zwischen 9:30 und 15:30 Uhr angeboten. Sie beginnen im Forum des Helmholtz-Zentrums. Reichlich Information gibt es für Schüler und Studenten: Die Biologie- und Chemielaboranten, die am Institut ausgebildet werden, bieten einen Einblick in ihre Ausbildung an: Wer Lust hat und interessiert ist, kann hier einmal selbst im Labor experimentieren. Die Doktorandeninitiative „Do it“ berichtet über die Möglichkeiten einer Studienabschlussarbeit am HZI. Und auch das Schülerlabor BioS stellt sich vor.

    Parallel zu den Führungen werden im Forum des Forschungszentrums folgende Informationsveranstaltungen stattfinden:
    10 Uhr und 13:30 Uhr: Vortrag „Wie funktioniert Impfen?“
    11 Uhr: Kurzfilme „Die Schnupfimpfung“ und „Ein Blick ins Maushaus“ mit anschließender Diskussion
    14 Uhr: Kurzfilm „Impfung gegen Diabetes“ mit anschließender Diskussion
    15:00 Uhr: Vortrag „Verliebt ins Detail – wie die Strukturbiologie Infektionskrankheiten erklärt“

    Hinweis
    Die Zufahrt zum Helmholtz-Zentrum liegt im Gewerbegebiet Stöckheim in der Inhoffenstraße zwischen dem Möbelzentrum und der Bezirkssportanlage. Nahezu sämtliche Parkplätze werden am Tag der offenen Tür für Besucher reserviert sein. Da die Parkfläche auf dem Campus aber insgesamt begrenzt ist, empfiehlt es sich, auf öffentliche Verkehrsmittel auszuweichen.

    07.11.2007

    Was ist der Mensch – Person oder digitale Information?

    Einladung: Pressegespräch zur Kunstausstellung „Transkriptionen_dechiffriert“

    Der Mensch wird zunehmend digital erfassbar. Ob biometrische Daten, Internet-Profil oder Entschlüsselung des Genoms – das Bild, das wir vor unserem inneren Auge, im Spiegel oder auf Fotos von uns sehen, ist nicht mehr dasselbe, das in Datenbanken von uns gespeichert ist. Dieser Problematik hat die Marburger Künstlerin Ingrid Hermentin die Ausstellung „Transkriptionen_dechiffriert“ gewidmet, die derzeit in der Braunschweiger „Galerie auf Zeit – Räume für Kunst“ zu sehen ist. Das Projekt entstand in Zusammenarbeit mit der Medigenomix GmbH in Martinsried sowie den Genomforschern Helmut Blöcker und Igor Deyneko vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI): Sie machten die Genomdaten der Künstlerin und anderer porträtierter Frauen hörbar.

    Zu einem Pressegespräch laden wir Vertreter der Medien herzlich am Freitag, 9. November, um 15 Uhr in der Galerie auf Zeit, Wilhelmstraße 89 in Braunschweig ein. Um Anmeldung wird gebeten unter Tel. 0531-6181 1402.

    Jahrtausende lang stellten Künstler den Menschen als mehr oder weniger naturgetreues Abbild seiner sichtbaren Hülle dar. Moderne Techniken wie die Genomanalyse haben deutlich gemacht, dass das Charakteristische und wirklich Persönliche unseres Ichs aber jenseits der Oberfläche liegt. Es verbirgt sich in unseren Genen.

    Ingrid Hermentin ist es gelungen, eine neue Bildsprache zu entwickeln, die sprichwörtlich unter die Haut geht: In einem von ihr als „Transkription“ bezeichneten Vorgang wandelt sie das äußere Bild der Porträtierten zunächst in eine digitale Pixel-Struktur um: Das Gesicht wird direkt eingescannt. Dieses Abbild überlagert sie dann mit dem Zeichenmaterial der modernen Wissenschaft – DNA-Sequenzen, maschinell lesbare Codes oder handschriftliche Spuren aus dem Laboralltag.

    Die so geschaffenen Porträts faszinieren und verwirren zugleich, denn „je exakter das Porträt gerät, desto unidentifizierbarer wird es“, so der Kasseler Kunstwissenschaftler Dr. Harald Kimpel: „Hier schmilzt die Differenz zwischen Subjekten und Objekten, Künstlerin und Publikum rücken den Modellen näher als es je möglich war, zugleich ist die Distanz so groß wie nie zuvor.“ Diese Widersprüchlichkeit war es auch, die den HZI-Wissenschaftler Helmut Blöcker von Anfang an gepackt hat: „Unsere abstrakten Datenreihen vom menschlichen Genom werden in Ingrid Hermentins Bildern in ihrer Bedeutung für unser Menschenbild erst richtig fassbar.“

    Hinweis:
    Die Ausstellung läuft noch bis zum 16. November 2007. Sie ist geöffnet von Mittwoch bis Freitag von 15 bis 18 Uhr und Samstags von 13 bis 15 Uhr. Ort: Galerie auf Zeit, Wilhelmstraße 89, Braunschweig.

    14.11.2007

    Körpereigene Abwehr für Kampf gegen Krebs nutzen

    Braunschweiger maßgeblich an großer Krebsstudie beteiligt

    „Dass ich Partnerin in einem vielversprechenden, großem Forschungsvorhaben sein werde, das hätte ich vor einem halben Jahr noch nicht gedacht“, freut sich Dr. Dunja Bruder vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung. Ihre Arbeitsgruppe wird in den nächsten fünf Jahren maßgeblich an einem neuen, bundesweiten Forschungsvorhaben beteiligt sein - einer Helmholtz-Allianz. Insgesamt vier Helmholtz-Zentren sind in der Allianz „Immunotherapie von Krebserkrankungen“ involviert. Bei dem Vorhaben werden neuartige therapeutische Ansätze für die Krebsbehandlung erforscht: „Durch die enge Vernetzung von uns Wissenschaftlern in der Helmholtz-Allianz werden unsere Ergebnisse viel schneller und effektiver Krebspatienten zu Nutze sein“, ist sich Dunja Bruder sicher. Denn vorgesehen ist auch, dass die Wissenschaftler Tür an Tür mit Klinikern arbeiten.  „Wir vom HZI kooperieren mit Ärzten der Medizinischen Hochschule Hannover.“
    Dunja Bruder, die am HZI ihre eigene Arbeitsgruppe „Immunregulation“ leitet, wird in dem Projekt versuchen, mittels einer Immuntherapie dem Leberkrebs zu Leibe zu rücken. Ein besonders hohes Risiko an dem sogenannten hepatocellulärem Carcinom zu erkranken haben Menschen, die an einer chronischen Hepatitic C oder B Infektion (HCVoder HBV) leiden. Auch in Folge einer Leberzirrhose durch Alkoholismus kann der Krebs auftreten. Weltweit ist er die dritthäufigste, krebsassoziierte Todesursache. „Für Außenstehende mag es ungewöhnlich erscheinen“, so Bruder, „dass ein Forschungszentrum, das Infektionen wissenschaftlich bearbeitet, sich auch mit Krebs auseinander setzt. Die Sache ist aber, dass wir das Verständnis über die Mechanismen der Immunologie hier nicht nur für die Therapie der Hepatitis C einsetzen wollen, sondern auch für die Tumorbekämpfung nutzen können.“
    Am HZI hat sich die Forscherin bislang der Aufklärung körpereigener Abwehrmechanismen gewidmet und dadurch moderne Therapiekonzepte entwickelt: „Autoimmunerkrankungen, wie Diabetes Typ I etwa, sind dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Zellen des Immunsystems gesundes Gewebe angreifen. Schwerwiegende Organschädigungen sind die Folge. Wir haben nun festgestellt, dass wir in diese autoimmunologischen Reaktionen eingreifen können. Dabei nutzen wir einen bestimmten Zelltyp, sogenannte dendritische Zellen (DC). Als eine Art Vermittler haben sie die Aufgabe, den T-Zellen des Immunsystems zu zeigen, welches Gewebe krank ist und attackiert werden soll. Im Falle von Typ I Diabetes konnten wir die DC-Zellen dazu nutzen, die Aktivität von T-Zellen zu dämpfen. Infolge wurde weniger körpereigenes Gewebe zerstört. Beim Leberkrebs wollen wir nun das DC-System zur T-Zell-Stimulation einsetzen um so den Tumor gezielt und effektiv anzugreifen.“


    Hintergrund:


    Die Helmholtz-Allianz „Immuntherapie von Krebserkrankungen“ ist eine von drei weiteren jetzt neu ausgewählten Allianzen der Helmholtz-Gemeinschaft. Insgesamt fördert die Helmholtz-Gemeinschaft gemeinsam mit in- und ausländischen Kooperationspartnern die vier Allianzen mit bis zu 37,5 Millionen Euro für fünf Jahre.

     

    19.11.2007

    HZI-Molekül wird Krebsmedikament in den USA

    Balling: Riesiger Erfolg für biomedizinische Forschung in Deutschland

    Das Pharmaunternehmen Bristol-Myers Squibb (BMS) bringt jetzt ein Krebsmedikament gegen metastasierenden Brustkrebs namens IXEMPRA auf den US-amerikanischen Markt. Der darin enthaltene Wirkstoff ist von Epothilon B abgeleitet, einem Naturstoff  den Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig entdeckt und erforscht haben. BMS hat die Epothilon-Technologie 1997 vom HZI einlizenziert und bis zur Marktreife weiter entwickelt. Mediziner in den USA können das Medikament ab sofort gegen Brustkrebs einsetzen, der bereits Metastasen gebildet hat und gegen andere Medikamente resistent ist. Pharmaexperten trauen Ixempra ein großes Potential als Brustkrebsmedikament zu – und später auch gegen andere Krebsarten. In Europa wird es voraussichtlich in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres zugelassen.

    Bereits in den 1980er Jahren haben die Wissenschaftlerteams um den Chemiker Prof. Gerhard Höfle und den Biologen Prof. Hans Reichenbach an der damaligen Gesellschaft für Biotechnologische Forschung (GBF), dem heutigen HZI, die Epothilone entdeckt. Diese neue Klasse biologisch aktiver Naturstoffe stammt aus den im Boden lebenden Myxobakterien. Epothilone wirken auf die so genannten Mikrotubuli in Körperzellen. Diese mikroskopisch kleinen Proteinröhrchen teilen die Chromosomen, die Träger der Erbinformation, während der Zellteilung auf die Tochterzellen auf. Kommen Epothilone in die Zelle, blockieren sie die Mikrotubuli – die Zellen können sich nicht teilen, sterben ab und werden abgebaut. Da Krebszellen sich besonders häufig teilen, reagieren sie sehr empfindlich auf das Epothilon. Die Folge: Tumore werden im Wachstum gebremst, schrumpfen und verschwinden.

    Am Anfang des Entwicklungsprozesses stand die Beobachtung des Mikrobiologen Dr. Klaus Gerth aus Reichenbachs Team, dass ein spezieller Stamm von Myxobakterien eine interessante Substanz produziert: Sie kann lebende Zellen abtöten. Dr. Norbert Bedorf aus Höfles Abteilung Naturstoffchemie stellte die Substanz erstmals in reiner Form her und klärte ihre chemische Struktur auf – Epothilon hatte die Bühne der Pharmaforschung betreten.

    Dann folgten weitere Jahre intensiver Forschung: Neben der Optimierung der chemischen Struktur musste die Produktion des Epothilons verbessert werden. Dafür wurden die Myxobakterien genetisch verändert und ihre Lebensbedingen in Bioreaktoren so optimiert, dass sie das potenzielle Krebsmittel in ausreichender Menge herstellten. Dieser Produktionsprozess diente BMS dann als Basis für die Herstellung des Medikaments. Danach entwickelte BMS eine halbsynthetische Variante des Epothilon B und führte die vorklinischen sowie dann die weltweiten klinischen Studien am Menschen durch, um die Zulassung zu beantragen.

    „Epothilon beweist, dass die öffentliche biomedizinische Forschung in Deutschland Weltklasse hat und Lösungen für die drängenden Gesundheitsprobleme der Menschen erarbeiten kann“, freut sich Prof. Dr. Rudi Balling, wissenschaftlicher Direktor des HZI über das Ergebnis: „Gerade in der Helmholtz-Gemeinschaft ist es uns gelungen, exzellente Grundlagenforschung mit der Perspektive auf die industrielle Anwendung zu verbinden.“ Dazu sei aber auch ein langer Atem erforderlich, wie die Erfolgsgeschichte des Epothilons zeige.

    Genau diese Ausdauer gepaart mit wissenschaftlicher Kreativität war Höfles und Reichenbachs Schlüssel zum Erfolg: „Wir sind sehr stolz darauf, dass wir und unser Team dazu beigetragen haben, diese neue Art der Krebstherapie zu entwickeln. Jetzt ernten wir die Früchte von 30 Jahren biologischer und chemischer Forschungsarbeit.“

    21.11.2007

    Von der Verunreinigung zur Wundheilung

    IHK Braunschweig zeichnet Prof. Dr. Peter F. Mühlradt für sein Lebenswerk aus

    Rund zwanzig Jahre seines Forscherlebens hat der Wissenschaftler Peter F. Mühlradt in dieses eine Molekül investiert: MALP-2. Das Molekül ist nahezu eine Wunderwaffe – MALP-2 beschleunigt die Wundheilung, kann in der Krebstherapie und zur Vorbeugung von Blutvergiftungen eingesetzt werden und die Wirkung von Impfungen verbessern. Für sein Lebenswerk wird Mühlradt am 23. November von der Industrie- und Handelskammer mit dem „IHK-Sonderpreis im Jahr 2007, Braunschweig, Stadt der Wissenschaft“ ausgezeichnet.

    Ursprünglich verdankt der Braunschweiger Forscher das spannende Molekül einer Kontamination, einer ungewollten Besiedlung seiner Zellkultur mit so genannten Mycoplasma-Bakterien. Mycoplasmen sind weit verbreitet, sie finden sich beispielsweise in der normalen Mundflora und geraten so leicht in Laborkulturen menschlicher oder tierischer Zellen – für die Wissenschaft sind die Zellen damit eigentlich verdorben. In diesem Fall war das anders – die Mycoplasmen riefen ungewöhnliche Effekte hervor: sie aktivierten die Fresszellen im Immunsystem der Maus.

    Die Ursache ist ein Molekül, dass aus einer Mischung aus Fett und Eiweiß besteht: das so genannte Lipopeptid MALP-2. An seinem Proteingerüst trägt das Molekül zwei Fettsäureketten. Ähnliche Moleküle kommen in allen Mycoplasma-Bakterien vor; sie wirken während der Infektion und rufen Entzündungsreaktionen hervor.


    Der Mensch hinter dem Molekül



    Peter F. Mühlradt, Jahrgang 1937, hat zunächst Chemie in Hannover und Basel studiert. In der Schweiz promovierte Mühlradt dann über die Inhaltsstoffe von Pfeilgiften. Es folgten Forschungsaufenthalte in den USA, an der University of California in Berkeley und in Süddeutschland, am Max-Planck-Institut für Immunbiologie in Freiburg. Dort habilitierte er über die Biosynthese der äußeren Zellwand von Salmonellen.

    1975 kam Mühlradt dann an das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung, der damaligen Gesellschaft für Biotechnologischen Forschung (GBF). Als Leiter der Abteilung „Immunbiologie“ führte er die ersten Arbeiten mit Zellkulturen am Institut ein. Zuvor gab es auch keine tierexperimentelle Forschung in Braunschweig, so Mühlradt: „Meine Frau hat damals die ersten Labormäuse in einer Ente, ihrem damaligen Auto, aus Freiburg mitgebracht.“

    Menschen brauchen eine Pause, aber die Wissenschaft nicht – 2002 wurde Mühlradt pensioniert, kurz danach machte er sich mit seiner Forschung selbstständig. Er war der erste Mieter im Gründerzentrum des HZI. Heute widmet er sich mit seiner Arbeitsgruppe „Wound Healing/MALP Research“ der Kooperation mit Kollegen über MALP-2 sowie der Anwendung dieser Substanz als Pharmakon.



    Hinweis



    Die IHK lädt zur Pressekonferenz, am 23. November 2007 um 9.30 Uhr in den Sitzungssaal der Industrie- und Handelskammer, Brabandtstraße 11 in Braunschweig.

    12.12.2007

    Mehr als der Glaube: Probiotika wirken

    Helmholtz-Forscher klären Wirkmechanismus der heilenden Bakterien

    Probiotika gelten als ein Wundermittel moderner Ernährung: Die Bakterienkulturen sollen Krankheiten vorbeugen oder deren Heilung beschleunigen und für Wohlbefinden sorgen. Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) haben jetzt nachgewiesen, dass Kulturen des Bakterienstamms „E. coli Nissle“ tatsächlich Darmerkrankungen lindern können: In seiner aktuellen Publikation beschreibt das HZI-Team um die Projektleiterinnen Dr. Astrid Westendorf und Dr. Sya Ukena, dass die Bakterien die Darmoberfläche widerstandsfähiger machen, indem sie den Zusammenhalt der Epithelzellen stärken. Die Arbeit ist seit heute im Wissenschaftsportal PLoS One online verfügbar.

    Unser Darm ist ein komplexes Ökosystem. Dort leben riesige Mengen an Bakterien, die so genannte Darmflora. Sie hilft uns beim Verdauen der Nahrung. Die Oberfläche des Darms hat die Aufgabe, die Bakterien von unserem Körperinneren abzuschotten. Gelangen Mikroorganismen durch das Darmepithel in den Körper, kann es zu schweren Erkrankungen kommen. Bei chronischen Darmentzündungen ist dies der Fall. Astrid Westendorf: „Wir konnten an Mäusen mit defekter Darmoberfläche zeigen, dass die Einnahme von E. coli Nissle die Krankheitssymptome abschwächt. Probiotika wirken tatsächlich – nicht nur der Glaube daran.“

    Für ihre Erkenntnisse untersuchten Westendorf und Ukena Mäuse, die keine natürliche Darmflora besitzen. „Ein Teil dieser Mäuse erhielt mit dem Futter E. coli Nissle“, erklärt Sya Ukena: „Bei diesen Tieren konnten wir nachweisen, dass vermehrt bestimmte Proteine gebildet werden, die den Zusammenhalt der Epithelzellen stärken. Bei der Vergleichsgruppe war das nicht der Fall.“

    Dieses erste Ergebnis überprüfte Ukena dann an Mäusen, die an Kolitis litten: Ihr Darm war chronisch entzündet; sie litten unter Durchfall, Flüssigkeitsverlust und verloren rasch Gewicht. Sya Ukena: „Nachdem diese Mäuse die Probiotika bekamen, verbesserte sich ihr Zustand dramatisch – der Durchfall ließ nach.“ Eine Analyse des Darmgewebes ergab auch hier: Die Epithelzellen hatten die Produktion derjenigen Proteine gesteigert, die ihren Zusammenhalt stärken.

    „Unsere Arbeit eröffnet neue Perspektiven bei der Suche wirksamer Therapien chronischer Darmerkrankungen“, ist sich Astrid Westendorf sicher: „Wir werden jetzt untersuchen ob sich Probiotika auch für die Behandlung weiterer chronischer Erkrankungen einsetzen lassen“.



    Originalartikel:


    Ukena SN., Singh A., Dringenberg U., Engelhardt R., Seidler U., Hansen W., Bleich A., Bruder D., Franzke A., Rogler G., Suerbaum S., Buer J., Gunzer F. & Westendorf AM., Probiotic Escherichia coli Nissle 1917 Inhibits Leaky Gut by Enhancing Mucosal Integrity. http://www.plosone.org/doi/pone.0001308

     

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    09.01.2008

    Molekülanhänge entscheiden über den Tod von Krebszellen

    Forscher zeigen, was den Wirkstoff ausmacht

     

    Ein weiterer, molekularer Hoffnungsträger der Krebsarzneimittelforschung ist gefunden und hinsichtlich seines Wirkungsprofils nach jahrelanger Laborarbeit besser verstanden worden: Forscher des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben die biologische Aktivität des Moleküls Tubulysin aufgeklärt. Das Molekül ist einer der stärksten Hemmer der Zellteilung, den man kennt. Gerade diese ist bei Krebs krankhaft erhöht und gefährlich. Mit den neuen Erkenntnissen ist die pharmazeutische Weiterentwicklung dieser wichtigen Substanz einen großen Schritt weiter vorangekommen.


    Problem bei solchen eigentlich hochgiftigen, sogenannten zytotoxischen Stoffen wie dem Tubulysin ist, dass eine pharmazeutische Anwendung zunächst unmöglich scheint. Die Substanz hemmt das Wachstum aller Zellen des menschlichen Körpers und nicht ausschließlich den entarteten Krebs. „Im klinischen Bild äußert sich diese Problematik in schweren Nebenwirkungen“, erklärt der Biologe Dr. Florenz Sasse vom HZI. So kommt es etwa zu Haarausfall, weil die Substanz auch die Vermehrung jener Hautzellen angreift, die für das Haarwachstum verantwortlich sind. Oder es treten Veränderungen im Blutbild auf, bei der den Patienten dann Abwehrzellen fehlen – sie werden für Folgeinfektionen empfänglicher. Probleme wie diese lassen sich einzig dadurch vermeiden, dass die Forscher probieren, den Wirkstoff auf molekularer Ebene so zu verändern, dass er gezielt Tumorzellen angreift. Im Falle des Tubulysins haben Chemiker in den USA in Zusammenarbeit mit Florenz Sasse hier einen entscheidenden Beitrag geleistet: Gemeinsam konnten sie nun zeigen, an welchen Ecken und Enden des Moleküls „geschraubt“ werden kann.

    „Tubulysin“, erläutert Sasse „ist in jeder Hinsicht ein schwieriges Molekül. Es wird von Bodenbakterien als Stoffwechselnebenprodukt gebildet. Wir haben die Tubulysine im Jahr 1994 entdeckt. Aber weil es ein Nebenprodukt ist, ist es schwierig, größere Mengen davon zu produzieren. Außerdem wurde das Molekül während seiner langen Evolution von den Bakterien funktionell optimiert: Das heißt für uns, dass einzelne Molekülbausteine nicht so einfach variiert werden können. Verändern wir die Struktur, so verlieren wir die Wirksamkeit.“ Aber nachdem eine amerikanische Gruppe es 2006 geschafft hatte, Tubulysin vollsynthetisch im Reagenzglas nachzubauen, konnten die Forscher jetzt näher bestimmen, welche Teile des Moleküls für die biologische Aktivität wichtig sind. Man kann nun Bereiche im Molekül verändern, die für die Wirkung nicht entscheidend sind, aber dennoch seine Eigenschaften für die Krebstherapie verbessern. Auch kann es jetzt an andere Stoffe angehängt werden, die es direkt zum Tumor transportieren. „Damit können wir die Toxizität des Tubulysins regulieren“, sagt Sasse.

    „Aber bis zu einer gezielten Krebstherapie ohne Nebenwirkungen ist es noch ein langer Entwicklungsweg“, so der Biologe. Wissenschaftlich betrachtet, hat das HZI aber nach Epothilon ein weiteres Krebspräparat in der Pipeline.

    Originalartikel:
    Andrew W- Patterson, Hillary M. Peltier, Florenz Sasse und Jonathan A. Ellman (2007): Designs, Synthesis and Biological Properties of Highly Potent Tubulysin D Analogues. Chem. Eur. J. 2007, 13, 9543-9541

    Bilder: Zu sehen sind Krebszellen ohne (download 1) und mit  (download 2) Tubulysin-Behandlung. Blau: Zellkern, grün: Zellskelett. Fotograf: Florenz Sasse

    21.01.2008

    Wie Kariesbakterien kommunizieren

    Welche Gene beeinflussen die Kommunikation von Streptococcus mutans?

    Bakterien verfügen über eine eigene Sprache: Sie kommunizieren, indem sie chemische Substanzen, so genannte Signalmoleküle, ausschütten. Damit können sie sich sogar über Artgrenzen hinweg verständigen. Das „Esperanto“ unter den Signalmolekülen trägt den Namen „Autoinducer-2“, kurz AI-2. Dieses gemeinsame Sprachmolekül ist vor allem dann wichtig, wenn sich bakterielle Gemeinschaften, die Biofilme, entwickeln: Ein Beispiel ist der Zahnplaque, den das Kariesbakterium Streptococcus mutans bildet. Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) haben nun ermittelt, welche Gene im Bakterium durch das Signalmolekül AI-2 beeinflusst werden.


    „Wir haben mit Bakterien gearbeitet, denen das entscheidende Gen für die Produktion von AI-2 fehlt. Sie sind nicht mehr in der Lage, das Signalmolekül selbst zu bilden. Diesen Mutanten haben wir dann chemisch synthetisiertes AI-2 zugegeben.“, erklärt Prof. Irene Wagner-Döbler, Leiterin der Arbeitsgruppe „Mikrobielle Kommunikation“ am HZI. Erst seit kurzem ist es möglich, das wertvolle Kommunikationsmolekül im Labor herzustellen. Diese Arbeiten wurden von Prof. Stefan Schulz, Chemiker an der TU Braunschweig durchgeführt. „Wenn wir nun die Aktivität aller Gene des Bakteriums mit einem Microarray messen, können wir erkennen, welche Gene in der Mutante direkt von AI-2 an- oder abgeschaltet werden.“, verdeutlicht Dr. Helena Sztajer, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Arbeitsgruppe, das Vorgehen.


    „Wir haben 59 Gene gefunden, die durch Zugabe von AI-2 wieder in ihren aktiven Zustand zurückversetzt wurden.“ so Wagner-Döbler. Hier handelt es sich um die Schaltstellen für die Kommunikation durch AI-2. Die Forscher haben es vor allem mit zwei Klassen von Genen zu tun: Erstens mit Regulatoren, die für das An- und Abschalten von Genen zuständig sind, und zweitens mit Transportproteinen, die AI-2 durch die Zellmembran aufnehmen. Die detaillierte Analyse dieser Proteine wird zeigen, was AI-2 der Bakterienzelle sagt, und wie. 
    Für die Präsentation dieser Ergebnisse auf dem Kongress der Amerikanischen Gesellschaft für Mikrobiologie hat Dr. Helena Szatjer die Auszeichnung „outstanding postdoctoral presentation“  erhalten. „Eine tolle Anerkennung für uns alle!“ freut sich Helena Sztajer. Und eine große Motivation, um die molekularen Mechanismen der AI-2 regulierten Proteine nun im Einzelnen aufzuklären.

    Originalartikel:


    Autoinducer-2 regulated genes in Streptococcus mutans UA159 and global metabolic effect of the luxS mutation
    Helena Sztajer, André Lemme, Ramiro Vilchez, Stefan Schulz, Robert Geffers, Cindy Yip, Celine M. Levesque, Dennis G. Cvitkovitch and Irene Wagner-Döbler, Journal of Bacteriology

    Link zum englischsprachigen Originalartikel:
    http://jb.asm.org/cgi/content/full/190/1/401?view=long&pmid=17981981

    28.01.2008

    Dem AIDS-Erreger auf der Spur

    Treffen international renommierter AIDS-Forscher am HZI

    Am 31. Januar 2008 werden internationale Experten am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) zusammenkommen, um über den aktuellen Stand der AIDS-Forschung zu diskutieren. Neben Forschern aus Deutschland und Europa, werden außerdem renommierte Fachleute aus Israel und den USA erklären, was den HI-Virus (HIV) so besonders macht, welche neuen Therapieansätze bei einer HIV-Infektion existieren und wie die Fortschritte in der Entwicklung einer HIV-Schutzimpfung aussehen. Der „DAY ON AIDS“ (zu Deutsch: Ein Tag über AIDS) beginnt um 11 Uhr im Forum des HZI und endet gegen 18 Uhr.

     

    Infektionskrankheiten sind weltweit für die meisten Todesfälle verantwortlich. Hierbei belegt die HIV-Infektion und die damit verbundene AIDS-Erkrankung einen traurigen Spitzenplatz. Seit der Entdeckung von HIV im Jahre 1980 sind weltweit mehr als 25 Millionen Menschen an den Folgen von AIDS gestorben, fast doppelt so viele Menschen sind heute mit HIV infiziert. Gerade in Afrika stellt AIDS mit Durchseuchungsraten von bis zu 30 Prozent ein großes gesellschaftliches Problem dar. Bis heute ist AIDS nicht heilbar. Auch eine schützende Impfung gegen eine HIV-Infektion gibt es nicht. Vielmehr stellt der HI-Virus die Forscher aufgrund seiner Eigenschaften vor vielen schwierigen Herausforderungen.

     

    Zu den eingeladenen Sprechern gehört zum Beispiel die renommierte US-amerikanische Forscherin Dr. Ruth M. Ruprecht aus Boston. Für ihre Beiträge in der AIDS-Forschung wurde sie in der Vergangenheit mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Dr. Monika Gröne von der Universität Erlangen wird erläutern, wo der AIDS-Erreger herstammt und wo die Forschung in Zukunft hinsteuern wird. Neben ihrer Forschungstätigkeit ist sie außerdem Verantwortliche Redakteurin des Retrovirus-Bulletins, das regelmäßig auf der AIDS-Informationsseite www.HIV.net erscheint. Weitere Experten werden sich mit der Struktur der HI-Viren beschäftigen, den Vermehrungszyklus der Viren im Körper darstellen und erläutern, wie Schutzmaßnahmen gegen die Ausbreitung von AIDS aussehen könnten.

     

    Wir laden Sie ein, sich einen Tag lang intensiv zusammen mit einem Fachpublikum mit den verschiedenen Aspekten der AIDS-Forschung zu beschäftigen, mit zu diskutieren und Fragen zu stellen. Sämtliche Vorträge werden in englischer Sprache gehalten. Das Symposium steht allen Interessierten offen, es wird jedoch um eine kostenlose Anmeldung bei Dr. Sabine Kirchhoff gebeten (school@helmholtz-hzi.de). Unter www.helmholtz-hzi.de/de/forschung/veranstaltungen finden sie das vollständige Programm der Veranstaltung.

     

    Das Symposium findet im Rahmen des internationalen Doktoranden-Programms „MIDITRAIN“ und der Helmholtz International Research for Infection Biology (HIRSIB) des HZI, der Medizinischen Hochschule Hannover sowie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover statt. Diese Vortragsreihen, in denen international renommierte Experten über wichtige Themengebiete aus der Infektionsforschung referieren, finden am HZI bereits zum sechsten Mal statt.

    29.01.2008

    Blut und Knochen maßgeschneidert aus dem Beutel

    Braunschweiger Forscher entwickeln neue Kultivierungstechniken für Zellen

    Ärzte setzen bei vielen Therapieverfahren lebende Zellen ein: Bei der Bluttransfusion ebenso wie bei Knochenmarktransplantationen, bei Stammzelltherapien oder nach schweren Verbrennungen. Tendenz zunehmend. Problematisch ist jedoch die Haltbarkeit der verwendeten Zelllösungen. Da sie extrem empfindlich sind, können sie meist nur wenige Tage gelagert werden.

     

    Ein neues Forschungsprojekt aus Braunschweig wird für Abhilfe sorgen: Zehn Projektpartner aus Industrie und Forschung wollen Kunststoffbeutel im Innern beschichten und damit chemisch so verändern, dass sie Zellen gute Überlebensbedingungen bieten. Die Zellen sollen sich sogar darin vermehren können. Die Wissenschaftler möchten so auch Knochen oder Knorpel außerhalb des Körpers nachwachsen lassen. Koordiniert wird das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie finanzierte Vorhaben vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI).

     

    Jahrzehntelang mussten Forscher und Mediziner offene Petrischalen oder Bioreaktoren nutzen, um Zellen zu kultivieren. Da es sich um Systeme handelt, die zumindest zur Befüllung geöffnet werden müssen, kommt es häufig zu Verunreinigungen. Um Gesundheitsgefahren für Patienten auszuschließen, dürfen diese Zellen dann nicht mehr in der Medizin genutzt werden. HZI-Wissenschaftler haben ein geschlossenes Beutelsystem entwickelt, das Kontaminationen ausschließt: Zellen, die gelagert oder vermehrt werden sollen, wandern aus dem Blutkreislauf über eine Injektionsnadel direkt in den Beutel, ohne mit der Umgebung in Berührung zu kommen.

     

    „Dieses System wollen wir jetzt zusammen mit unseren Partnern verbessern“, erläutert Projektkoordinator Dr. Kurt Dittmar vom HZI. Zunächst werden am Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik (IST) die Kunststoffbeutel auf den Innenflächen mittels Plasmatechnik chemisch modifiziert. „Der Vorteil des Verfahrens ist, dass es bei Atmosphärendruck arbeitet und damit kostengünstig, schnell und flexibel ist.“, beschreibt Dr. Michael Thomas, Gruppenleiter Atmosphärendruckplasmaverfahren am IST, das Verfahren. „Die Anlagentechnik ist sehr einfach und kann in bestehende Prozessketten bei der Beutelherstellung integriert werden. Das reduziert die Investitionskosten und erleichtert die spätere industrielle Umsetzung.“ Die so chemisch modifizierten Oberflächen sind besonders aufnahmefähig für biologisch wirksame Moleküle, die die Lebensdauer der Zellen verlängern. „Die Tests an lebenden Zellen werden wir gemeinsam mit dem Blutspendedienst des Deutschen Roten Kreuzes in Springe und zwei Braunschweiger Biotechnologie-Unternehmen machen“, so Dittmar.

     

    Um die Erfolge messen zu können, ohne die Beutel zu öffnen und den Inhalt zu verderben, benötigt das Konsortium berührungsfreie Messmethoden. Über das erforderliche Know-how verfügt die TU Braunschweig. Dort haben Elektrotechniker um Prof. Meinhard Schilling ein Verfahren entwickelt, mit dem sich der Zustand der Zellen und der Oberflächen während des Kultivierungsverfahrens von außen überprüfen lassen. Es wird im Rahmen des Projekts weiter entwickelt.

     

    „Unser Ziel ist es aber nicht nur, Zellkulturen haltbarer zu machen“, beschreibt Dittmar seine Vision: „In der Chirurgie besteht großer Bedarf an körpereigenen Geweben wie Haut, Nervenzellen, Knochen oder Knorpel, um nach Unfällen schwere Knochenbrüche zu heilen, zerstörte Gesichtspartien wieder herzustellen oder bei Schüttellähmung defekte durch funktionstüchtige Nervenzellen zu ersetzen.“ Dafür wollen die Partner gleich zwei Hürden überwinden: „Das Städtische Klinikum Braunschweig wird aus Gewebeproben bestimmte Stammzellen isolieren und untersuchen, auf welchen der neuen Kunststoff-Oberflächen sich beispielsweise zu Knochen oder Knorpel entwickeln“, so Dittmar: „Um dann herauszufinden, wie man die Zellen auf einer künstlichen, dreidimensionalen Struktur züchtet und so einen Knochen- oder Knorpelersatz herstellt, haben wir den einzigen wissenschaftlichen Partner ins Boot geholt, der nicht aus Niedersachsen kommt: Die Universität Tübingen.“

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