23.04.2020
Corona-Forschung auf Hochtouren am HZI
Neue Projekte und Förderungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie
Gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 gibt es bislang weder einen Impfstoff noch spezifische Medikamente. Angesichts der globalen Pandemie bündelt das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig mit seinen weiteren Standorten seine Ressourcen für Projekte, die zum besseren Verständnis der Infektion und zu Lösungen zur Eindämmung des Virus beitragen. „Die aktuelle Coronavirus-Pandemie lässt sich wie alle Infektionskrankheiten umso wirkungsvoller bekämpfen, je besser wir den Erreger und seine Auswirkungen auf den Menschen verstehen“, sagt Prof. Dirk Heinz, Wissenschaftlicher Geschäftsführer des HZI. „Das HZI ist in seiner Forschungsstrategie auf derartige Krankheitsausbrüche sehr gut vorbereitet und kann seine wissenschaftlichen Aktivitäten schnell auch an solche plötzlich auftretenden Herausforderungen anpassen.“
Arbeiten im Labor der biologischen Sicherheitsstufe 3 am HZI. © HZI / Talay Neben der jahrelangen Expertise seiner Wissenschaftler*innen in der Infektionsforschung verfügt das HZI über die dazu notwendigen leistungsfähigen Infrastrukturen. Beispiele sind die Testung einer großen Anzahl potenzieller Wirkstoffe, Laboratorien der biologischen Sicherheitsstufe 3, in denen es möglich ist, Untersuchungen mit intakten Erregern durchzuführen, sowie eine moderne Tierexperimentelle Einheit, die auch Untersuchungen im Tiermodell, speziell an Mäusen, ermöglicht. „Diese Einheiten konnten wir jetzt sehr schnell strategisch auf die SARS-CoV-2-Forschung und auf die Identifizierung möglicher Wirkstoffe ausrichten“, sagt Heinz.
Wie andere Forschungseinrichtungen arbeitet auch das HZI seit dem 20. März 2020 unter reduzierten Bedingungen im Basisbetrieb mit Homeoffice-Lösungen für Wissenschaft und Administration, um die Ausbreitung des Virus zu erschweren und damit die Beschäftigten zu schützen. Ausgenommen von dieser Regelung sind alle Aktivitäten und Technologie-Plattformen, die zur Bekämpfung der Erkrankung Covid-19 beitragen.
Die Forschung am HZI verfolgt aktuell eine Reihe verschiedener Ansätze. Epidemiologen des HZI entwickeln digitale Tools, die speziell auf Covid-19 ausgerichtet sind, allen voran das Ausbruchs- und Überwachungstool „SORMAS“ zur Seuchenbekämpfung und Risikoabschätzung. Dieses in den vergangenen fünf Jahren für endemische Gebiete wie Afrika entwickelte System berücksichtigt auch die Kontaktverfolgung von Infizierten und kann nun in enger Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut kurzfristig deutsche Gesundheitsämter unterstützen. Eine weitere App-basierte Softwareentwicklung (PIA) aus dem HZI wird gerade eingeführt, um handybasiert regelmäßig Selbstberichte über den Gesundheitszustand von wichtigen Kontaktpersonen wie Klinikpersonal zu erfassen.
Um die nun wichtigen Antikörpernachweise von bereits genesenen Covid-19-Erkrankten auf den Weg zu bringen, werden aktuell Tests für epidemiologische Studien zur besseren Verfolgung der Viruserkrankung und die Detektion schützender Antikörper und damit der möglichen erworbenen Immunität gegen das neue Coronavirus am HZI entwickelt. Diese Tests helfen, unter anderem das tatsächliche Ausmaß der Infektion zu erfassen und Personen zu identifizieren, für die aufgrund ihrer Immunität möglicherweise Tätigkeits- oder Reisebeschränkungen gelockert werden könnten.
Parallel zur Entwicklung verbesserter Antikörpernachweise führt das HZI mit bereits verfügbaren diagnostischen Verfahren in mehreren Städten Deutschlands Tests zu mehreren Zeitpunkten in großer Zahl durch. Das Ziel ist hier zu erfassen, wie hoch der Anteil der Menschen ist, die bereits Immunität entwickelt haben und wie hoch die Sterblichkeit unter den Infizierten ist. Zugleich sind diese Daten sehr bedeutsam für die Abschätzung der weiteren epidemiologischen Entwicklung der Pandemie.
Darüber hinaus konzentrieren sich Forschende an allen HZI-Standorten auf die Entwicklung von Wirk- und Impfstoffen gegen das Virus sowie die Entschlüsselung der molekularen Mechanismen von Krankheitsentstehung und -verlauf.
Zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie hatte die Europäische Kommission Ausschreibungen für Forschungs- und Innovationsprojekte veröffentlicht. Insgesamt wurden bis zum 16. März 2020 rund 260 Millionen Euro für die Covid-19-Forschung bereitgestellt. Dafür sollen die Forschenden an Monitoring, Testverfahren, Behandlungsmethoden und Impfstoffentwicklung arbeiten.
Das HZI koordiniert inzwischen das EU-Projekt CORESMA („Covid-19 Outbreak Response combining E-health, Serolomics, Modelling, Artificial Intelligence and Implementation Research“) und ist am Projekt SCORE (Antivirale Medikamente gegen SARS-CoV-2) beteiligt.
Im folgenden finden Sie eine Auflistung der aktuell anlaufenden HZI-Projekte zur Erforschung des neuartigen Coronavirus:
- Grundlagenforschung zum neuartigen Coronavirus
Analyse von antiviralen Strategien gegen SARS-CoV-2-Zielproteine
Zum besseren Verständnis des Virus tragen die wissenschaftlichen Arbeiten zur strukturellen und funktionellen Analyse von Coronavirus- und Wirts-Zielproteinen im Team von Dr. Joop van den Heuvel bei. Die Arbeitsgruppe stellt Coronavirus-Proteine her, die besonders im Fokus stehen als Kandidaten für diagnostische Zwecke, therapeutische Zielproteine und als mögliche Kandidaten für proteinbasierte Impfstoffe – als Impfstoff gegen SARS-CoV-2, aber auch für die Zeit danach. Die Forscher werden die Wechselwirkung von Wirkstoffen und Antikörpern mit den Coronavirus-Proteinen über biophysikalische Verfahren analysieren, um etwa Affinitäten und Inhibitionskonstanten zu bestimmen. Weiterhin werden strukturbiologische Methoden wie Cryo-Elektronenmikroskopie oder Röntgenstrukturanalyse zum Einsatz kommen. Ziel ist es, die besten Ansätze zu finden, um gegen SARS-CoV-2 und zukünftig auftretende Viren eine adäquate Strategie zur Bekämpfung und zur Eindämmung der Verbreitung zu haben.
Ansprechpartner: Dr. Joop van den Heuvel, AG Rekombinante Genexpression am HZI
Kooperationspartner: HZI-Abteilungen und -Arbeitsgruppen: Prof. Wulf Blankenfeldt (SFPR), Prof. Ursula Bilitewski (COPS), Prof. Carlos Guzman (VAC), Prof. Luka Cicin-Sain (IMCI), Dr. Monika Strengert (EPID)
Entwicklung eines Mausmodells der Infektion mit SARS-CoV-2
An der Entwicklung eines präklinischen Mausmodells der SARS-CoV-2-Infektion arbeiten Forscher unter Leitung von Prof. Ulrich Kalinke am TWINCORE – Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung in Hannover, einer gemeinsamen Institution des HZI und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Die gezüchteten, genetisch veränderten Mäuse haben voraussichtlich eine erhöhte Empfänglichkeit für SARS-CoV-2-Infektionen. Dabei werden Tiere verpaart, die den humanen ACE2-Rezeptor als Eintrittsrezeptor des Virus exprimieren und in denen spezifisch auf Pneumozyten der Lunge das Typ I-Interferonsystem ausgeschaltet werden kann. Im Infektionsverlauf sollen sich ähnliche Symptome und Erkrankungen wie im Menschen entwickeln.
Ein Tiermodell für SARS-CoV-2 ist eine wichtige Voraussetzung, um Impfstoffe und antivirale Wirkstoffe für den Gebrauch im Menschen zu entwickeln.Weiterhin gehen die Forscher in Kooperation mit dem Kantonsspital St. Gallen, Schweiz, in einem Coronavirus-Modell in der Maus der Frage nach, wieso viele Patienten im Rahmen der Covid-19-Erkrankung den Geruchssinn verlieren.
Ansprechpartner: Prof. Ulrich Kalinke, TWINCORE, Institut für Experimentelle Infektionsforschung
Kooperationspartner: Deutsches Primatenzentrum Göttingen, Kantonsspital St. Gallen
- Digitale Tools zum Infektionsmanagement
SORMAS: Infektionsausbreitung in der Bevölkerung
Das HZI erforscht die Dynamik der Infektionsausbreitung des neuartigen Coronavirus in der Bevölkerung. Eine am HZI entwickelte App zur Seuchenbekämpfung und Risikoabschätzung (SORMAS) steht nun auch für die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie bereit. Das neu implementierte Coronavirus-Modul erlaubt es, auch in entlegenen Regionen Einzelfälle von an Covid-19 Erkrankten frühzeitig zu erfassen, klinische Details und Laborbestätigungen zu dokumentieren und alle Kontaktpersonen zu begleiten. Für den Fall, dass sie ebenfalls erkranken, können frühzeitig Quarantäne- und Behandlungsmaßnahmen eingeleitet werden. SORMAS generiert zugleich Daten in Echtzeit für eine fortlaufende Risikobewertung auf nationaler und internationaler Ebene. SORMAS bietet dabei auch eine App für Kontaktpersonen an, um die tägliche Symptomabfrage in Quarantäne zu digitalisieren und damit personelle Ressourcen bei den Gesundheitsämtern freizusetzen.
Ansprechpartner: Prof. Gérard Krause, Abteilung Epidemiologie am HZI
Kooperationspartner: Landesgesundheitsämter, Akademie für öffentliches Gesundheitswesen
PIA: Digitales Infektionsmonitoring von immungeschwächten Personen
Es soll ein intensiviertes Monitoring von immungeschwächten Patienten, zum Beispiel mit Vorerkrankungen wie HIV, in der MHH mit einer von der HZI-Abteilung für Epidemiologie entwickelten Applikation erfolgen. Im Vergleich mit Referenzwerten aus der Allgemeinbevölkerung wird erfasst, ob hier eine besondere Gefährdung bezüglich der Infektionshäufigkeit oder des Krankheitsverlaufs vorhanden ist. Die HZI-Software PIA (Prospektives Monitoring akuter Infektionen-Applikation) wird gegenwärtig im Rahmen der NAKO Gesundheitsstudie eingesetzt, um akute Atemwegserkrankungen zu erfoschen: www.info-pia.de
Ansprechpartnerin: Dr. Stefanie Castell, Abteilung Epidemiologie am HZI
Kooperationspartner: Medizinische Hochschule Hannover (Prof. Behrens)
- Diagnostik / Diagnostik-Tools
Laissez Passer-Serologienachweis: SARS-CoV-2-spezifischer Antikörpertest zur Feststellung schützender Immunität
Der Nachweis einer durch spezifische Antikörper vermittelten Immunantwort ist ein essenzieller Indikator, ob bereits ein Immunschutz gegen SARS-CoV-2 besteht. Insbesondere in medizinischen und Pflegeberufen, aber auch in vielen anderen Berufsgruppen, ist es dringend erforderlich, rasch wieder eine volle Versorgungsfähigkeit zu gewährleisten. Das Projekt hat deshalb einen dringend benötigten „Laissez Passer-Testnachweis“ auf der Basis eines positiven Antikörpertiters zum Ziel. In der Praxis ähnelt das Vorgehen einem Gelbfieberpass. Menschen mit diesem Testnachweis unterlägen dann keinen Reise- oder Tätigkeitsbeschränkungen mehr. Negative Auswirkungen von nichtpharmazeutischen Maßnahmen wie Kontaktsperren könnten damit deutlich reduziert werden. Letztendlich wird ein solcher Test auch einem zunehmenden Teil der Bevölkerung die Angst vor einer Infektion nehmen.
Im Zuge des Projektes werden für SARS-CoV-2 spezifische Antigene selektiert und validiert sowie ein optimales Testsystem für die gegebene Diagnostikinfrastruktur ausgewählt, zum Beispiel ELISA-Tests, Line Assay oder Lateral Flow-Schnelltest. Abschließend werden Kooperationen zur Kommerzialisierung eines ausgewählten Testsystems etabliert.
Ansprechpartner: Prof. Gérard Krause, Dr. Monika Strengert, beide Abteilung Epidemiologie am HZI
Kooperationspartner: NMI Naturwissenschaftliches und Medizinisches Institut an der Universität Tübingen
Antivirale Strategien – unterstützende Diagnostik und Immuntherapeutika
Das Team um Prof. Luka Cicin-Sain ist erfahren in Virus-Antikörpertests und verfügt über umfassende Kenntnisse in der Virengenetik. Ziel der Forschungsarbeiten ist es, einen sogenannten in vitro-Neutralisationstest für SARS-CoV-2 zu entwickeln. Damit werden zahlreiche Projekte auf dem Braunschweiger Campus unterstützt. Der Test wird unter der Verwendung von klinischen Isolaten entwickelt. Im nächsten Schritt wird die Gruppe einen sensitiveren Hochdurchsatz-Neutralisationstest für SARS-CoV-2 etablieren. Der Test basiert auf dem Einsatz von Fluoreszenzprotein-exprimierenden Viren (GFP) sowie der Echtzeitüberwachung und Quantifizierung der vom Virus erzeugten Fluoreszenz. Außerdem wird das Team eine neue Technologie für die Herstellung rekombinanter Viren entwickeln, die zum Beispiel Phosphoreszenz-Reportergene tragen. Die neue Technologie wird viele Forschungsarbeiten am HZI unterstützen, wie die verbesserte serologische Virus-Diagnostik, die Entwicklung von Impfstoffen oder die Identifizierung antiviraler Moleküle gegen SARS-CoV-2. Darüber hinaus arbeitet die Forschungsgruppe gemeinsam mit Industriepartnern wie YUMAB an neutralisierenden Antikörpern gegen SARS-CoV-2.
Ansprechpartner: Prof. Luka Cicin-Sain, Abteilung Immunalterung und Chronische Infektion am HZI
Kooperationspartner: Technische Universität Braunschweig, YUMAB
Diagnostikstudien zu Covid-19 am HIPS in Saarbrücken
Im Rahmen der „Corsaar“-Studie werden am HIPS (Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland) in Zusammenarbeit mit der Universität des Saarlandes und der Uniklinik Homburg, Daten und Blutproben von Betroffenen gesammelt und ausgewertet. Ziel ist es, den Erkrankungsverlauf von Covid-19 Patienten besser vorhersagen zu können, Risikopatienten frühzeitig zu identifizieren und neue Therapieverfahren zu entwickeln. Die gesammelten Blutproben werden am HIPS mit Hilfe moderner massenspektrometrischer Methoden analysiert. Darüber hinaus, übernimmt das HIPS in der Corsaar-Studie koordinierende Aufgaben. Um möglichen Engpässen bei Covid-19 Tests entgegen zu wirken, stellt das HIPS derzeit Personal an die Uniklinik Homburg ab. Zur Erhöhung der Testkapazitäten im Land, wurde am HIPS eine eigene Diagnostik etabliert, welche es erlaubt zusätzliche qPCR-basierte Covid-19 Tests durchzuführen. Das HIPS beteiligt sich zudem an einer Studie zur Prävalenz von Covid-19 in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen. Dabei werden Patientenproben aus einzelnen Einrichtungen gesammelt und der Virusdiagnostik zugeführt. Ziel ist der Schutz dieser Einrichtungen durch ein frühzeitiges Erkennen von Erkrankungen.
Derzeit werden mehrere Forschungsprojekte und Projektanträge bezüglich der Untersuchung neuartiger Ansätze zur Behandlung von Covid-19 von HIPS Wissenschaftlern vorbereitet.
Ansprechpartner: Prof. Rolf Müller, Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS)
Kooperationspartner: Universität des Saarlandes, Uniklinik Homburg
LöwenKIDS-Studie zur Virusverbreitung in Kindern
Zur Erforschung der Anfälligkeit von Kindern für das Coronavirus SARS-CoV-2 sammeln die Wissenschaftler Proben bei 500 Kindern der 2014 gestarteten Langzeitstudie LöwenKIDS. Um Momentaufnahmen der Verbreitung des Erregers zu bekommen, werden zu zwei verschiedenen Zeitpunkten Abstriche der Probanden untersucht. Zusätzlich erfolgt die Untersuchung von symptomatischen Proben in den nächsten Monaten. Parallel werden über Gesundheitsfragebögen ausführliche Informationen zu Symptomen und möglichen Kontakten mit Coronavirus-Infizierten erfasst. In einer späteren Untersuchung ist auch geplant Antikörpertests durchzuführen, die eine überstandene Infektion anzeigen können. Die Ergebnisse der Untersuchungen tragen dazu bei, die Rolle von Kleinkindern bei der Verbreitung des Virus zu bestimmen.
Kontakt: Prof. Till Strowig, Abteilung Mikrobielle Immunregulation
Kooperationspartner: Universitätsklinik Halle (Prof. Mikolajczyk), TWINCORE Hannover (Dr. Gerold)
- Impfstoffentwicklung / Wirkstoffforschung / Wirkstoffscreening
Testen eines inhalativ verfügbaren Hemmstoffs gegen das neuartige Coronavirus
Weltweit sucht die medizinische Forschung nach Möglichkeiten, wie man die Vermehrung des neuartigen Coronavirus mithilfe von Wirkstoffen verhindern kann. Ein Team der Universität Lübeck und des HZI hat einen vielversprechenden Ansatz gefunden. Basis dafür ist die Analyse der dreidimensionalen Struktur von funktionalen Virusproteinen. Mithilfe des hochintensiven Röntgenlichts der Synchrotronquelle BESSY II am Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB) konnten Forscher die dreidimensionale Architektur der viralen Hauptprotease von SARS-CoV-2 entschlüsseln. Dieses Enzym ist an der Vermehrung der Viren beteiligt. Anhand der Kristallstruktur konnte an der Universität Lübeck (Prof. Hilgenfeld) eine bereits früher entwickelte Leitverbindung in einen potenten Hemmstoff verwandelt werden.
Dr. Katharina Rox, DZIF-Wissenschaftlerin am HZI in Braunschweig, testete größere Mengen des Hemmstoffs in gesunden Mäusen und zeigte, dass er nicht toxisch ist. Die Verbindung hat die beste Wirkung, wenn sie unter die Haut oder durch Inhalation appliziert wird.
Ansprechpartnerin: Dr. Katharina Rox, Leiterin Pharmakokinetik/Pharmakodynamik, Abteilung Chemische Biologie am HZI
Kooperationspartner: Universität Lübeck, Helmholtz-Zentrum Berlin (HZB)
Originalpublikation: Linlin Zhang, Daizong Lin, Xinyuanyuan Sun, Ute Curth, Christian Drosten, Lucie Sauerhering, Stephan Becker, Katharina Rox, Rolf Hilgenfeld, Crystal structure of SARS-CoV-2 main protease provides a basis for design of improved α-ketoamide inhibitors, Science 2020, DOI: 10.1126/science.abb3405
Proof of Concept-Studien eines SARS-CoV-2-Impfstoffes mit rekombinantem Spike-Protein
Seit Beginn des SARS-CoV-2-Ausbruchs versuchen viele Forschergruppen, einen prophylaktischen Impfstoff zu entwickeln. Der HZI-Ansatz beruht auf einem sogenannten Subunit-Impfstoff, der eine schützende Immunität induzieren kann und ein gutes Sicherheitsprofil für immungeschwächte Personen aufweist. Idealerweise wird er über die Schleimhäute verabreicht. Er ist außerdem vergleichsweise einfach in ausreichenden Mengen herzustellen, sodass der Bedarf bei der aktuellen Pandemie leichter gedeckt werden kann. In dieser Hinsicht stellt das Spike (S)-Protein ein vielversprechendes Impfstoffantigen dar, da bereits für SARS-CoV und MERS-CoV gezeigt werden konnte, dass die Stimulation neutralisierender Antikörper gegen das S-Protein eine Infektion verhindert. Das Projekt hat die Bereitstellung des „Proof-of-Concept“ für einen intranasalen S-basierten Impfstoff mit c-di-AMP als Adjuvans zum Ziel. Die Wissenschaftler wollen nachweisen, dass der Impfstoff Virus-neutralisierende humorale Immunantworten stimuliert und geimpfte Mäuse vor SARS-CoV-2 schützen kann. Dabei werden auch in silico-Algorithmen zur Erzeugung synthetischer S-Varianten mit optimierten Sequenzen genutzt, welche in der Lage sind, Immunantworten gegen verschiedene SARS-CoV-Varianten und möglicherweise auch kreuzreaktiv gegen SARS und MERS zu stimulieren. Dies würde möglicherweise dazu führen, dass weite Teile der Bevölkerung auch gegen kommende Coronaviren geschützt wären. Das Projekt umfasst die Entwicklung des Impfstoffkandidaten und präklinische Tests.
Ansprechpartner: Prof. Carlos A. Guzmán, Abteilung Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie am HZI
Kooperationspartner: Prof. Luka Cicin-Sain, Dr. Joop van den Heuvel, Prof. Alice McHardy, Prof. Ulrich Kalinke
Herstellung SARS-CoV-2-neutralisierender monoklonaler Antikörper aus Blutproben genesener Covid-19-Patienten
Das Team um Prof. Ulrich Kalinke, Direktor am TWINCORE und Leiter des Instituts für Experimentelle Infektionsforschung, hat umfassende Erfahrung in der Analyse von Immunzelltypen im Blut und der Verarbeitung solcher Daten über Big Data-Ansätze. Diese Methoden bringen die Forscher jetzt auch bei der Analyse von Covid-19-Patienten ein, um insbesondere B-Zell-Antworten in diesen Patienten zu untersuchen. Kurzfristig sollen aus den B-Gedächtniszellen von Patienten, die eine Covid-19-Erkrankung überstanden haben, monoklonale Antikörper für die Therapie isoliert werden. Diese werden auf die Bindung und Neutralisation des neuartigen Coronavirus getestet und aussichtsreiche Kandidaten schnellstmöglich in klinische Tests überführt. Dieses Ziel ist mit monoklonalen Antikörpern aus B-Zellen wahrscheinlich besser zu erreichen als mit Antikörpern, die aus synthetischen Bibliotheken isoliert wurden, weil im menschlichen Körper primär Antikörper entstehen, die keine unerwarteten Kreuzreaktivitäten zeigen.
Ansprechpartner: Prof. Ulrich Kalinke, TWINCORE Hannover
Kooperationspartner: MHH (Prof. Witte, Rheumatologie, und Prof. Blasczyk, Transfusionsmedizin), Memo Therapeutics AG
Repurposing eines Wirkstoffs gegen SARS-CoV-2
Prof. Thomas Pietschmann, Forscher im Exzellenzcluster RESIST und am TWINCORE Hannover, leitet die in Deutschland stattfindenden Arbeiten eines internationalen Forschungsnetzwerks, das untersucht, ob bereits zugelassene Medikamente gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 wirken. Die Wirkstoffbank „ReFrame“ der Scripps University (USA) umfasst rund 14.000 zugelassene Medikamente sowie Substanzen, für die es bereits umfangreiche Sicherheitsdaten in Bezug auf die Anwendung beim Menschen gibt. Dieses sogenannte Repurposing – die Anwendung eines bewährten Wirkstoffs für neue Indikationen – verkürzt die Entwicklungsphase des Medikaments.
Im ersten Schritt suchen die Wissenschaftler in Hannover mit Hochdurchsatzverfahren Wirkstoffe, die die Virusvermehrung hemmen. Bei diesen Kandidaten wird der Wirkmechanismus, die Wirkung auf Lungenzellen und die optimale Dosis analysiert. Aufbauend auf diesen Ergebnissen sollen Wirkstoffkandidaten aus der ReFrame-Datenbank zügig in klinische Studien überführt werden.
Ansprechpartner: Prof. Thomas Pietschmann, TWINCORE Hannover
Kooperationspartner: MHH (Prof. Schulz, Institut für Virologie), Universität Bern, Scripps University, Deutsches Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), HZI-Abteilung Chemische Biologie (Prof. Brönstrup)
- Modellierung
Mathematische Modellierungen geben neue Erkenntnisse zur Risikoeinschätzung der Coronavirus-Pandemie
Wissenschaftler des HZI und des Forschungszentrums Jülich simulierten die Auswirkung verschiedener Bedingungen auf die Entwicklung der SARS-CoV-2-Epidemie in Deutschland. Ihre Ergebnisse legen nahe, dass die Einschränkungen im sozialen Leben wirken und eine weitere Verlangsamung der Ausbreitung möglich ist. Die HZI-Wissenschaftler um den Physiker Prof. Michael Meyer-Hermann beschrieben dabei eine Methode, um die Effekte und die Situation täglich neu zu bewerten und so den Entscheidungsträgern in der Politik eine Grundlage für die Bewertung der Lage zu geben. Eine entscheidende Größe in der Beschreibung der Ausbreitung eines infektiösen Krankheitserregers ist die Reproduktionszahl. Die Basisreproduktionszahl gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter durchschnittlich ansteckt. Sie ist ein wichtiger Indikator dafür, wie schnell sich eine Epidemie ausweitet. Täglich aktualisierte Werte für die SARS-CoV-2-Reproduktionszahl finden sich unter dem Link http://secir.theoretical-biology.de.
Die Modellierung ging maßgeblich in das Helmholtz-Positionspapier zur epidemiologischen Situation vom 14. April 2020 ein: https://www.helmholtz-hzi.de/de/aktuelles/news/news-detail/article/complete/helmholtz-positionspapier-zur-epidemiologischen-situation/.
Ansprechpartner: Prof. Michael Meyer-Hermann, HZI-Abteilung System-Immunologie am BRICS (Braunschweiger Zentrum für Systembiologie)
Kooperationspartner: Forschungszentrum Jülich (Prof. Wolfgang Marquardt), Abteilung Epidemiologie am HZI
- EU Projekte
CORESMA – Effektiver Schulterschluss mit Big Data-Projekt zu Covid-19
Das HZI koordiniert das EU-Projekt CORESMA (Covid-19 Outbreak Response combining E-health, Serolomics, Modelling, Artificial Intelligence and Implementation Research). Mit diesem Projekt sollen bestehende Lücken zwischen klinischen, epidemiologischen und immunologischen Informationen geschlossen werden, um besser auf die Pandemie reagieren zu können. Dafür arbeiten nicht nur europäische Forscher aus den Niederlanden, der Schweiz und Deutschland, sondern auch Partner aus China, Elfenbeinküste und Nepal zusammen. Über die bereits 2014 vom HZI entwickelte App SORMAS, mit der Daten zu Krankheitsausbrüchen lokal erfasst und an Gesundheitsbehörden übermittelt werden können, sammeln sie klinische Echtzeitdaten. Hier stehen besonders gefährdete Staaten im Fokus, neben der Elfenbeinküste unter anderem Ghana und Nigeria. Außerdem sollen in Deutschland und Nepal bereits bestehende Kreuz- oder Teilimmunitäten gegen SARS-CoV-2 untersucht werden. Die erhobenen Daten helfen dabei, die Übertragung des Virus besser einschätzen zu können und die Effektivität von Maßnahmen gegen die Verbreitung zu bewerten.
Ansprechpartner: Prof. Gérard Krause, Abteilung Epidemiologie am HZI
Antivirale Medikamente gegen SARS-CoV-2
Das HZI ist außerdem in das EU-Projekt SCORE involviert. SCORE soll antivirale Medikamente entwickeln, die kurz- bis mittelfristig zur Behandlung von Patienten und zur Eindämmung der Ausbreitung von Coronaviren eingesetzt werden können.
Ansprechpartner: Prof. Mark Brönstrup, Abteilung Chemische Biologie am HZI; Dr. Katharina Rox, Leiterin Pharmakokinetik/Pharmakodynamik, Abteilung Chemische Biologie am HZI
Kontakt für die Medien
Beteiligte Gruppen
- Struktur und Funktion der Proteine
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- Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie
- Virale Immunologie
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- Bioinformatik der Infektionsforschung
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- Experimentelle Infektionsforschung
- Rekombinante Proteinexpression
- Labor der biologischen Schutzstufe 3
- Tierexperimentelle Einheit
- Mikrobielle Naturstoffe
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