10.02.2012

Angriff auf den Schutzschild der Bakterien

Forscher-Konsortium will Medikamente gegen bakterielle Biofilme entwickeln

Einem Schleim ähnlich und kaum zu durchdringen sind die Biofilme, die viele Bakterien bei einer Infektion bilden. Sie bestehen meist aus sehr langen Molekül-Ketten, sogenannten Polymeren. Zahlreiche Bakterien-Arten, unter ihnen gefährliche Krankheitserreger wie Pseudomonaden und Staphylokokken, schützen sich damit sowohl vor der Immunabwehr als auch vor dem Angriff von Antibiotika. Allein in Deutschland stehen etwa 100 000 Infektionen pro Jahr im Zusammenhang mit Biofilmen. Ein Forschungs-Projekt mit Beteiligung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, soll den Biofilmen jetzt mit Wirkstoffen aus der Natur zu Leibe rücken.

 Bakterieller BiofilmBakterieller BiofilmEinem Schleim ähnlich und kaum zu durchdringen sind die Biofilme, die viele Bakterien bei einer Infektion bilden. Sie bestehen meist aus sehr langen Molekül-Ketten, sogenannten Polymeren. Zahlreiche Bakterien-Arten, unter ihnen gefährliche Krankheitserreger wie Pseudomonaden und Staphylokokken, schützen sich damit sowohl vor der Immunabwehr als auch vor dem Angriff von Antibiotika. Allein in Deutschland stehen etwa 100 000 Infektionen pro Jahr im Zusammenhang mit Biofilmen. Ein Forschungs-Projekt mit Beteiligung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, soll den Biofilmen jetzt mit Wirkstoffen aus der Natur zu Leibe rücken.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Projekt wird von dem Pharmaunternehmen Sanofi koordiniert. Weitere Partner sind das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS), die Leibniz-Universität Hannover (LUH) sowie das Fraunhofer-Institut für Experimentelle Medizin und Toxikologie (ITEM).


Biofilme stellen ein ernstes medizinisches Problem dar: Durch bakterielle Infektionen entstandene und nicht behandelbare Biofilme sind häufig die Ursache dafür, dass Knie- und Hüftgelenkprothesen oder auch künstliche Herzklappen ersetzt werden müssen. Die Risiken für die Patienten sind dabei oft erheblich, die Kosten hoch. Schwere Erkrankungen wie Herzinnenhautentzündung, Mukoviszidose oder die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), bei denen Biofilme eine maßgebliche Rolle spielen, verlaufen oft tödlich. Denn ein Medikament, das Biofilme verhindern oder auflösen kann, gibt es bislang nicht.
Das Konsortium versucht innerhalb von drei Jahren einen ersten Biofilm-Inhibitor in die präklinische Prüfung zu bringen. Dafür stehen Forschungsgelder in Höhe von 7,2 Millionen Euro bereit. Die Hälfte davon stellt das BMBF, die andere Hälfte bringt Sanofi als Eigenleistung selbst ein.


Fündig werden könnten die beteiligten Wissenschaftler möglicherweise bei Stoffen aus der Natur: Sanofi und das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung verfügen zusammen über eine der größten und vielversprechendsten Sammlungen an Mikroorganismen – und an chemischen Verbindungen, die aus ihnen isoliert wurden. Die biofilmauflösende Aktivität dieser Substanzen soll in einem in seiner Art einmaligen Biofilmtest charakterisiert werden.
„Wir haben ein systematisches Testverfahren entwickelt, mit dem wir Substanzen qualitativ und quantitativ auf eine mögliche biofilmhemmende Wirkung in Pseudomonaden testen können“, erklärt Prof. Susanne Häußler, Arbeitsgruppenleiterin am HZI und am TWINCORE. Bei diesem optischen Screening kommen modernste Technologien wie zum Beispiel ein automatisches konfokales Mikroskop zum Einsatz. Neben der Suche nach Wirkstoffkandidaten in detaillierten Screenings wollen die Forscher im Rahmen des Projektes auch die Bildung und die mögliche Bekämpfung von Biofilmen im Körper von Mäusen untersuchen. „Gerade die Kombination unserer Screening-Methode mit einem Mausmodell macht das Projekt sehr vielversprechend, da beides bisher nicht zur Verfügung stand und die Entwicklung von Biofilm-Hemmstoffen daher kaum möglich war“, sagt Häußler.


Die Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland, einer Außenstelle des HZI, haben unter der Leitung von Prof. Rolf Müller ein Vorscreening-Verfahren entwickelt, um die große Vielfalt der Naturstoffe zunächst eingrenzen zu können. „Wir hoffen nun, schnell zu Startsubstanzen zu gelangen, die wir in der Projektlaufzeit zu klinischen Entwicklungskandidaten optimieren können“, sagt Rolf Müller. Der Weg zu einem neuen Medikament sei aber noch weit.

DruckenPer Mail versendenTeilen