Europäische Impfwoche 2017

Klassische Kinderkrankheiten wie Masern, Röteln und Keuchhusten sind hierzulande selten geworden. Dennoch warnen das Robert Koch-Institut (RKI) und die Weltgesundheitsorganisation WHO, denn Masern und Keuchhusten sind wieder auf dem Vormarsch. Sie sollten auf keinen Fall unterschätzt werden. Doch man kann sich schützen. Wie, das erklärt Dr. Kai Schulze, Wissenschaftler in der Abteilung Vakzinologie am HZI.

Keuchhusten- und Masernfälle nehmen laut RKI wieder zu. Woran liegt das?

Dr. Kai Schulze: Hauptsächlich an der schlechten Durchimpfungsrate. Häufig wird auch das Impfschema nicht eingehalten, das heißt Kinder erhalten zum Beispiel nur eine von drei nötigen Impfdosen. Darüber hinaus werden aber auch Auffrisch-Impfungen nicht wahrgenommen.

Masern, Keuchhusten, Polio und Windpocken gelten heute eher als exotisch. Warum sollte man sich dennoch impfen lassen?

Diese Krankheiten sind zwar in Deutschland aufgrund konsequenter Impfkampagnen weitestgehend besiegt. Allerdings führt dieser Erfolg auch dazu, dass viele Menschen keine Notwendigkeit mehr für eine Impfung sehen. Durch Zuwanderung von Menschen aus Risikogebieten (zum Beispiel Flüchtlinge), aber auch durch Urlauber, tauchen solche Krankheiten wieder vermehrt bei uns auf, sodass sich als Folge das Infektionsrisiko bei fehlendem Impfschutz wieder erhöht. Je mehr Menschen geimpft sind, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung.

Wie zuverlässig ist zum Beispiel eine Masernimpfung? Bleibe ich dann vor einer Infektion verschont?

Laut RKI liegen keine spezifischen Untersuchungen zur Wirksamkeit der Impfstoffe bei Erwachsenen vor. Allerdings gibt es Studien, die zeigen, dass man nach nur einer Impfdosis bereits eine Wirksamkeit von über 90 Prozent und nach einer zweiten Dosis bereits von 100 Prozent erreicht. Der Impfschutz besteht in der Regel lebenslang. Die Keuchhusten-Impfung schützt in über 95 Prozent der Fälle. Bei Menschen, die trotz Impfung Keuchhusten bekommen, ist das Risiko, dass sie eine schwere Form der Infektion durchlaufen, jedoch deutlich verringert. Man hat dann, wenn überhaupt, nur leichte Symptome. Wie wirksam eine Impfung ist, bemisst sich eben nicht allein daran, ob sie vollen Schutz gewährleistet, sondern auch daran, ob sie Infektionen mildert, ob sie das Risiko für neurologische Schäden oder die Wahrscheinlichkeit bleibender Schäden senkt.

Viele Kinder haben Angst vor dem Stich mit der Spritze oder empfinden sie als schmerzhaft. Gibt es beim Verabreichen von Impfungen inzwischen neue Formen wie die Schnupfimpfung?

Es gibt für Kinder einen Grippeimpfstoff (Fluenz ® - AstraZeneca GmbH), der über die Nasenschleimhaut verabreicht wird. Die  Zulassung gilt für Kinder und Jugendliche im Alter von zwei bis 17 Jahren.

Manche Eltern halten Impfungen für riskant und fürchten Impfschäden. Wie gehen Sie mit solchen Vorbehalten um?

Nichts im Leben ist vollständig ohne Risiko. Wenn man mit dem Auto zur Arbeit fährt, könnte man in einen Unfall verwickelt werden. Trotzdem setzt man sich täglich ins Auto. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Impfung zu Komplikationen führt, ist deutlich geringer als die eines Autounfalls. Es müssen immer Risiken und Nutzen abgewogen werden: Wie groß ist das Risiko, die Krankheit zu bekommen, und wie schwer kann deren Verlauf ausfallen? In den meisten Fällen sprechen die Antworten eindeutig für die Impfung.

Impfen hat auch eine gesellschaftliche Dimension. Man spricht dann von „Herdenimmunität“. Was versteht man unter diesem Begriff?

Impfungen sind nicht allein ein persönliches, sondern auch ein gesellschaftliches Thema. Mit der Masernimpfung beispielsweise schützt man nicht nur denjenigen, der die Impfung bekommt, sondern auch Babys, die noch nicht geimpft wurden, und auch jene, die - zum Beispiel wegen einer Immunschwäche - nicht geimpft werden konnten. Ab einer Impfrate von 95 Prozent ist die sogenannte Herdenimmunität erreicht: Das Virus kann sich dann nicht mehr vermehren und demnach nicht mehr zirkulieren.

Woher kommen die Vorbehalte gegen das Impfen, das Gerüchten zufolge sogar Autismus verursachen soll?

Bei Masern hält sich dieses Gerücht immer noch hartnäckig. Eine Studie aus dem Jahr 1998 war zu diesem Ergebnis gekommen. Wie sich aber herausstellte, waren mehrere Teile der Studie nicht korrekt und Daten wurden gefälscht. 2004 wurde die Studie zurückgezogen. Neue Studien, basierend auf Daten von Millionen geimpfter Kinder, konnten keinen Zusammenhang zwischen Impfungen und Autismus belegen.

Zum Schluss eine praktische Frage: Wie oft sollte man seine Schutzimpfungen überprüfen lassen?

Das ist für die verschiedenen Krankheiten ganz unterschiedlich. Diphtherie, Tetanus und Keuchhusten beispielsweise sollten alle zehn Jahre aufgefrischt werden. Die Grippeschutzimpfung erfordert hingegen eine jährliche Auffrischung, und vor dem Urlaub in Risikoländern sollte in jedem Fall Rücksprache mit dem Arzt gehalten werden. Je nach Reisezeit, -gebiet oder -art bestehen unterschiedliche Infektionsrisiken und machen Impfungen zum Beispiel gegen Hepatitis A, Hepatitis B, Typhus oder Gelbfieber notwendig. Detaillierte Informationen erhalten Interessierte auf der Homepage des Robert Koch-Instituts (RKI) im Impfkalender.

Vielen Dank für das Interview.

Veröffentlichung: April 2017

24. bis 30. April 2017

Die Europäische Impfwoche (EIW) wird jeden April in der gesamten Europäischen Region begangen, um das Bewusstsein für die Bedeutung von Impfungen für die Gesundheit der Menschen zu stärken.

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