Christopher Baum: „Wir müssen noch stärker bei den Nachwuchsprogrammen interagieren“

An der Medizinischen Hochschule Hannover hat sich in den vergangenen Jahren viel bewegt: Die MHH hat eine wirtschaftliche Konsolidierungsphase hinter sich und innerhalb dieser Phase einen Führungswechsel vollzogen: Prof. Christopher Baum übernahm vor vier Jahren das Präsidentenamt von Prof. Dieter Bitter-Suermann – und damit einen ganzen Strauß an Kooperationsprojekten mit dem HZI. Trotz Wirtschaftskrise sind diese Kooperationen in diesen Jahren aufgeblüht, neue Projekte sind entstanden und die Wissenschaft an MHH und HZI sind eng miteinander verwoben. Über die Entwicklungen an der MHH und seine Pläne für den Ausbau der Partnerschaft mit dem HZI spricht Christopher Baum mit InFact.

In den letzten Jahren haben die wirtschaftlichen Belange der MHH sehr viel Aufmerksamkeit gebunden. Diese Phase war sehr von Zahlen und der wirtschaftlichen Gesundung der MHH geprägt und wissenschaftliche Veränderungen haben eher im Hintergrund stattgefunden. Welcher Phönix entsteigt jetzt der Asche, Herr Professor Baum?

Es ist uns gelungen, gut aus der Wirtschaftskrise herauszukommen, wir sind seit zwei Jahren wirtschaftlich stabil und können uns jetzt wieder um Inhalte kümmern. Wir haben 2014 einen Entwicklungsplan formuliert. Im Kern wollen wir die Integration von Forschung, Lehre und Krankenversorgung weiter vertiefen. Parallel haben wir ein Strukturkonzept entwickelt, in dem wir drei Prioritäten definiert haben: Die Entwicklung der Hochschule, ausgezeichnete Lehre und exzellente Forschung. Und dieses Strukturkonzept leitet jetzt die personelle Entwicklung der Medizinischen Hochschule.

Wie haben Sie dieses Konzept in Bezug auf die Forschung in dieser Zeit verfolgt?

Wir haben bereits während des Prozesses viel Wert auf die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses gelegt. Wir konnten neue Programme etablieren, wie das Physician Scientist-Programm, und haben in diesen Themen - und auch in anderen Bereichen - eng mit dem HZI kollaboriert.

Und inhaltlich?

Inhaltlich haben wir unsere Forschungsthemen präzisiert: Infektion und Immunität. Transplantation und Regeneration. Biomedizintechnik und Implantate. Und wir haben vernetzende Elemente zwischen diesen drei Säulen herausgearbeitet - immer im Spannungsfeld zwischen Krankenversorgung und der Auswirkung auf die Forschung.

Gibt es innerhalb dieser drei Schwerpunkte eine Gewichtung - sprich: Welche Rolle spielt die Infektionsforschung im Kontext der MHH?

Infektionen spielen im klinischen Alltag eine wichtige Rolle und sind eine unserer Domänen - viel in Gemeinschaft mit TWINCORE und HZI. Und im klinischen Alltag - das ist ja immer unsere Antriebsfeder, weil wir unsere Forschung letztlich patientenorientiert gestalten - sehen wir Infektionen als großes Problem. Beginnend bei der Neonatologie, den noch nicht reifen Neugeborenen, bis hin zu Komplikationen bei schwerkranken Patienten mit unterschiedlichen Grunderkrankungen von Krebs bis zu terminalem Organversagen; oder Transplantationen mit Immunsuppression. Immer spielen Infektionen eine ganz wichtige Rolle für die Prognose, die die Patienten haben. Wir brauchen eine hohe klinische Kompetenz und eine hohe wissenschaftliche Kompetenz, um das zu managen.

Und bei der wissenschaftlichen Kompetenz kommt das HZI ins Spiel?

Unbedingt. Diese Allianz hat eine lange Tradition, die Dirk Heinz und ich fortführen. Wenn man deutschlandweit schaut, haben wir durch die Achse MHH-HZI wahrscheinlich die höchste Dichte an starken Köpfen in der Infektiologie hier in Hannover-Braunschweig. Die gemeinsamen Einrichtungen TWINCORE und CIIM spielen dabei eine entscheidende Rolle, und mit deren Ausbau werden wir die notwendige internationale Sichtbarkeit erreichen. Die MHH muss in allen Bereichen noch mehr realisieren, welche Chancen sich in der Interaktion mit dem HZI ergeben. Durch die Arbeit des TWINCORE ist schon sehr, sehr viel erreicht worden. Ein wichtiger Mechanismus dabei ist das Physician Scientist-Programm.

Ist geplant, mehr Physician Scientists am Braunschweiger Campus zu etablieren?

Die meisten sind am TWINCORE und wir erwarten auch von CIIM-Projekten, dass sie in erster Linie hier am Campus angesiedelt sein werden. Es ist nach wie vor strukturell schwierig, täglich zu pendeln. Wenn wir von den Physician Scientists erwarten, dass sie klinisch nicht den Kontakt verlieren, ist es wichtig, dass das Forschungslabor möglichst nah ist.

Sehen Sie die Zukunft der Kooperation zwischen MHH und HZI am Standort TWINCORE und CIIM oder haben Sie auch Ideen für eine gemeinsame Forschungszukunft am HZI-Campus - sprich: Welche Rolle spielt das HZI als Campus für die Zukunft der MHH?

In der direkten Interaktion mit dem Hauptcampus in Braunschweig können wir noch viel Potenzial heben; aber auch mit den - ich nenne sie mal - neuen Töchtern. Wir können noch viel besser werden im Bereich der Wirkstoffforschung und auch die Kooperation mit dem HIRI müssten wir stringent erschließen, weil der Bereich RNA-basierte Mechanismen und Therapien an der MHH sehr stark vertreten ist.

INFO

Dieser Artikel ist erschienen in der InFact, Ausgabe 02/2017.

Wenn Sie einen Schritt zurücktreten und die Kooperation betrachten - welche Schwierigkeiten sehen Sie?

Die größte Schwierigkeit sind nach wie vor die 70 Kilometer Distanz.

Und wenn Sie einen Wunsch an das HZI formulieren dürften?

Ein Wunsch ist, dass wir noch stärker bei den Nachwuchsprogrammen interagieren und als Einheit bei der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auftreten. Mir war persönlich auch die Etablierung der TRAIN-Akademie als interdisziplinäre, interprofessionelle Plattform für translationale Wissenschaften sehr wichtig. Und ich denke, auch im Studium sollten wir prüfen, wie wir noch besser interagieren können, weil wir möglichst früh beginnen müssten, die größten Talente hier an den Standort zu holen.

Autorin: Jo Schilling

Veröffentlichung: September 2017

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