Mikrobielle Wirkstoffe

Die meisten medizinisch relevanten Antibiotika oder ihre Produktionsvorstufen werden von Mikroorganismen wie Bakterien und filamentösen Pilzen gebildet. Trotz intensiver weltweiter Suche nach alternativen Quellen für Antiinfektiva konnte kein anderes Konzept die erfolgreiche Strategie übertreffen, mikrobielle Wirkstoff-Prinzipien gegen Infektionskrankheiten einzusetzen. Die bedrohlich zunehmende Resistenzbildung der Krankheitserreger gegen bewährte Antibiotika und immer neue Infektionserkrankungen erfordern, wieder stärker nach besseren Wirkstoffen aus Mikroorganismen und Pilzen zu suchen.

Leitung

Mykologie

Aus Kulturen filamentöser Pilze wurden in der Vergangenheit nicht nur die Penicilline und Cephalosporine, deren Entdeckung die Ära der modernen antibakteriellen Chemotherapie einleitete, sondern auch andere wichtige Wirkstoffe für den Einsatz in anderen pharmazeutischen Indikationen gewonnen.

Ohne die Entdeckung des Cyclosporins wären moderne, auf Organtransplantationen beruhende, Therapien sicherlich nicht in dem heute praktizierten Umfang möglich. Die ebenfalls ursprünglich aus Pilzen gewonnenen Statine (Mevinolin, Lovastatin), aus denen hochpotente Cholesterinsenker gewonnen werden, sind bis heute die erfolgreichste Klasse von Arzneimitteln überhaupt. In den letzten Jahren wurden weitere Wirkstoffe aus Pilzen wie die Pneumocandin-Derivate (Antimykotika) in den Markt eingeführt. Das Emodepsid ist eines der potentesten Antiparasitika, das heute in der Tierheilkunde Verwendung findet. Es ist übrigens eine der wenigen Substanzen aus endophytischen Mikroorganismen, aus der bis heute ein Marktprodukt resultierte. Erst kürzlich wurde mit Ibrexafungerp ein neues Antimykotikum auf Basis der ebenfalls aus pilzlichen Endophyten für die Behandlung von Pilzinfektionen zugelassen.

Alle vorgenannten Substanzen stammen aus Schlauchpilzen (Ascomycota) und ihren asexuellen Stadien, aber auch aus Kulturen von Ständerpilzen (Basidiomyceten) wurden schon sehr viele biologisch aktive Naturstoffe gefunden. Die Strobilurine sind heute eine der erfolgreichsten Klassen der Fungizide im Pflanzenschutz, und die Pleuromutiline sind die neuesten antibakteriellen Terpenoid-Antibiotika, welche zur Behandlung von Infektionen in der Tierzucht und zur Behandlung von Hautinfektionen, sowie zur Bekämpfung systemischer Lungeninfektionen beim Menschen zugelassen wurden.

Einigen Schätzungen zufolge ist jedoch bisher nur ein sehr kleiner Prozentsatz der globalen Artenvielfalt an Pilzen erforscht. Daher suchen wir gezielt nach interessanten, bisher unerschlossenen Pilzorganismen und nutzen dabei Taxonomie und chemische Ökologie als Vorauswahlkriterien. Bei der Bereitstellung neuer Stämme können wir auf ein globales Forschungsnetzwerk zurückgreifen, das Kooperationen mit einigen der renommiertesten mykologischen Forschungsgruppen beinhaltet. Wir haben in den vergangenen Jahren massiv Drittmittel für gemeinsame Forschungsaktivitäten eingeworben. Wir beteiligen uns auch an akademischen Austauschprogrammen mit Partnern aus tropischen Ländern, die den Kapazitätsaufbau in den Herkunftsländern beinhalten. Darüber hinaus arbeiten wir mit Bürgerwissenschaftlern zusammen, die uns mit ihrer Expertise unterstützen.

Nachfolgend sind einige Beispiele für laufende Projekte aufgeführt; weitere Informationen finden Sie unter den bereitgestellten Links zu ausgewählten Publikationen.

• Evaluierung neuer Arten tropischer Pilze zur Produktion neuartiger Antiinfektiva

• Sekundärstoffwechsel und Taxonomie koprophiler Pilze, mit besonderem Schwerpunkt auf der Ascomyceten-Ordnung Sordariales

• Studien zu Wirbellosen-assoziierten Pilzen, wie den Antagonisten von Insekten und Nematoden.

• Taxonomie, Phylogenomik und Sekundärstoffbiosynthese der Ascomyceten-Ordnung Xylariales

• Studien zur chemischen Ökologie antagonistischer endophytischer Pilze, die wichtige Krankheitserreger bekämpfen können

Thema: Neue Wirkstoffe aus Pilzen

Forschende des HZI reisten für einen Workshop zur Sammlung, Kultur und Identifizierung von Pilzstämmen nach Yaoundé, Kamerun. Ein neuer Forschungshub soll dort die Naturstoffforschung in Pilzen ausbauen. [weiterlesen]

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Video

  • Wie entwickeln Forscher:innen am HZI und HIPS Antibiotikakandidaten aus Naturstoffen?

    Wirksame Antibiotika sind Voraussetzung für viele moderne medizinische Behandlungen. Um dem Aufkommen von antimikrobiellen Resistenzen entgegen zu wirken, suchen Wissenschaftler:innen nach Angriffspunkten bei Bakterien, Pilzen und Viren, an denen neue Wirkstoffe ansetzen können, um die Vermehrung der Erreger zu verhindern, sie zu zerstören oder unschädlich zu machen. Chlorotonile sind natürliche Wirkstoffe aus Bodenbakterien, die sowohl gegen Malaria als auch gegen resistente Erreger wirksam sind. Die Optimierung des Wirkstoffs wird fortgesetzt, bis er in präklinischen und klinischen Studien eingesetzt werden kann, bevor er schließlich auf den Markt kommt. Die wichtigsten Entwicklungs- und Produktionsschritte erklären Wissenschaftler.innen des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung (HIPS), einem Standort des HZI in Kooperation mit der Universität des Saarlandes, in diesem Video.

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