RNA-Biologie bakterieller Infektionen

Ziel der Arbeitsgruppe von Jörg Vogel ist es, die gesamte funktionelle Vielfalt von nicht-kodierender RNA und deren Partnerproteinen in pathogenen Bakterien und im menschlichen Mikrobiom aufzuklären. Hierfür entwickeln wir neue RNA-Sequenzierungsmethoden auf Einzelzell-Ebene, mit deren Hilfe wir tiefere Einblicke in die RNA-Welt von Mikroorganismen erhalten und somit aufklären können, wann, wie, und warum RNA als Regulator bei Infektionsprozessen fungiert. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, Krankheitserreger zielgenau zu bekämpfen oder das Mikrobiom mit Präzision zu manipulieren. Unsere Projekte konzentrieren sich auf zahlreiche Bakterienarten, von Salmonella Typhimurium bis hin zu anaeroben Mikroben wie dem mit Darmkrebs in Verbindung gebrachtem Fusobacterium nucleatum. Diese Gruppe hat ihren Sitz am Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI).

Leitung

Unsere Forschung

In unserer Arbeitsgruppe werden vier stark vernetzte Forschungsfelder bearbeitet:

Entdeckung funktioneller RNAs im Mikrobiom

Die RNA-Biologie der meisten für die menschliche Gesundheit wichtigen Mikroorganismen ist noch weitgehend unverstanden, da die Hauptklassen nicht-kodierender RNA bislang nur in wenigen Bakterienarten untersucht wurden. Ein umfangreiches Verständnis der RNA-basierten Signalwege und Mechanismen ist jedoch von Nöten, damit das Potential von RNA als programmierbares Antibiotikum zur Behandlung bakterieller Infektionen ausgeschöpft werden kann. Daher haben wir in den letzten Jahren neue Methoden entwickelt, wie etwa differenzielles RNA-seq (Sharma et al. 2010 Nature) oder dual RNA-seq (Westermann et al. 2016 Nature), um zu verstehen, welche RNAs zu welchem Zeitpunkt im Verlauf einer Infektion exprimiert werden. Zudem können wir jetzt mit Grad-seq (Smirnov et al. 2016 PNAS) potentiell alle zellulären Transkripte anhand ihres biochemischen Verhaltens klassifizieren. Mit Hilfe dieser innovativen Verfahren beginnen wir nun, die Welt der RNA-Funktionen des menschlichen Mikrobioms zu verstehen.

Neue RNA-Bindungsproteine

Ihre funktionelle Aktivität erhalten nicht-kodierende RNA-Moleküle üblicherweise durch die Interaktion mit RNA-Bindeproteinen (RBP). In Eukaryoten sind RBP wichtige Bausteine der post-transkriptionellen Genregulierung; ihre Anzahl beläuft sich dort auf hunderte bis tausende verschiedene Proteine pro Organismus. Ironischerweise ist jedoch in Bakterien, die sich eigentlich am besten für molekulare Forschung eignen, bislang nur wenig über die Zahl an RBP und deren Funktionen bekannt. Obwohl die Genexpression in Bakterien zu großen Teilen auf der Ebene der RNA reguliert wird, beschränkt sich unser Wissen weitgehend auf das sRNA-Chaperon Hfq und den Translationshemmer CsrA. Nicht zuletzt hat jedoch die Entdeckung von CRISPR-Cas-Systemen deutlich gemacht, wie groß das Potential von RBP in in Mikroorganismen ist.

Kürzlich haben wir mit dem „osmoregulatorischen“ Protein ProQ ein neues, weit verbreitetes RBP entdeckt, welches hunderte zellulärer RNAs in Salmonella und E. coli bindet (Smirnov et al. 2016 PNAS). Unsere ersten Ergebnisse zeigen, dass ProQ an einem neuartigen Mechanismus zur Genregulierung am 3´-Ende von mRNAs beteiligt ist und die Struktur und nicht die Sequenz von RNA erkennt (Smirnov et al. 2017 EMBO J; Holmqvist et al. 2018 Molecular Cell). Außerdem untersuchen wir, wie die FinO-Domäne von ProQ-ähnlichen Proteinen RNA-Moleküle entweder hochspezifisch oder universell erkennt, wodurch wir grundlegende Prinzipien der RNA-Erkennung durch Proteine verstehen möchten.

Einzelzell-RNA-Biologie

Die Entwicklung der Einzelzell-RNA-Sequenzierung und die damit ermöglichte Analyse der Genexpressionsprofile individueller Zellen verändert derzeit die Sicht auf viele Aspekte der Biologie und hat bereits zur Entdeckung neuer Zelltypen und –funktionen geführt. Prinzipiell bietet diese Methode auch die Möglichkeit, die Variabilität zwischen einzelnen Bakterienzellen zu bestimmen. Aufgrund technischer Beschränkungen konnte bislang jedoch ausschließlich das Transkriptom eukaryotischer Zellen analysiert werden. Wir haben beispielsweise untersucht, wie sich heterogenes intrazelluläres Wachstum von Salmonella auf die Polarisation infizierter Makrophagen auswirkt (Saliba et al. 2017 Nature Microbiology).

Als große Herausforderung sehen wir die Einzelzell-RNA-Sequenzierung in Bakterien an. Faktoren dafür weshalb das bisher kaum möglich ist sind die viel geringere RNA-Menge einzelner Bakterien und der fehlende polyA-Schwanz im Gegensatz zu eukaryontischen Transkripten. Transkriptomdaten einzelner Bakterienzellen würden Einblicke in die Bildung von Resistenzen gegenüber Antibiotika und die Bildung von Persistenzformen gewähren. Außerdem wäre dies ein wichtiger Baustein für die duale Einzelzell-RNA-Sequenzierung, um simultan Interaktionen zwischen individuellen Wirts- und Pathogenzellen zu untersuchen. Unser langfristiges Ziel ist die Entwicklung von Hochdurchsatz-Methoden für RNA-Biochemie einzelner Bakterienzellen, um die Mechanismen der post-transkriptionellen Genregulation untersuchen zu können.

RNA als Instrument zum Manipulieren des Mikobioms

Unser Körper beherbergt eine Vielzahl an Bakterien, welche zusammen das menschliche Mikrobiom bilden. Allein unser Darm ist von mehr als tausend verschiedenen Bakterienarten besiedelt. Damit wir deren individuelle oder synergistische Beiträge zu unserer Gesundheit verstehen, muss es uns gelingen, die Funktion einzelner Bakterienarten gezielt zu beeinflussen. Derzeit verfügbare Antibiotika bieten dieses Maß an Selektivität jedoch nicht.

Unser Ziel ist eine präzise Manipulation des Mikrobiom durch “Programmierbare Antibiotika” in der Form von RNA-gerichteten Antisense-Oligonukleotiden (ASOs). Dieselbe Methode böte sich auch als Alternative zu herkömmlichen Antibiotika bei der Bekämpfung von antibiotikaresistenten Krankheitserregern an. Die ASOs sind dabei an kleine Peptide gekoppelt, mit deren Hilfe sie in Bakterienzellen eindringen und die Transkripte essentieller Gene ausschalten. Einige Fragen dieser vielversprechenden Methode müssen jedoch noch geklärt werden: Wie wird gewährleistet, dass ASOs ausschließlich artspezifisch funktionieren? Wie können mögliche Nebeneffekte minimiert werden? Welche Peptide eignen sich besonders als Vehikel in die Zellen? Welche Reaktionen können in der Wirtszelle auftreten und welche Resistenz-Mechanismen bilden sich in den Bakterien? Da nicht mit einer Universallösung für sämtliche Szenarien zu rechnen ist, kann das Projekt nur durch die starke Vernetzung von Expertenwissen aus den Bereichen RNA-Biologie, Mikrobiologie, Immunologie, Einzelzell-Biologie und Pharmazie erfolgreich sein.

Weiterführende Informationen

Eine aktuelle Übersicht des Teams sowie weitere Informationen über die Forschungsgruppe finden Sie auf der Webseite des HIRI.

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