Experimentelle Virologie

Viren sind winzige Vehikel, die biologische Informationen transportieren, um die Funktionen von menschlichen, tierischen oder pflanzlichen Zellen zu verändern, damit sie sich vermehren können. Sogenannte "umhüllte" Viren bestehen aus nur einer Schicht von Proteinen, sind mit genetischem Material gefüllt und von einer dünnen Hülle aus Lipiden umgeben, in die virale Proteine eingebettet sind. Obwohl Viren winzig und einfach gebaut sind, können virale Krankheitserreger wie das Hepatitis-C-Virus (HCV), das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und SARS-CoV-2 die Gesundheit von Millionen von Menschen bedrohen.
Die Forscher:innen am Institut für Experimentelle Virologie konzentrieren sich auf Grundlagenforschung und translationale Forschung von RNA-Viren. Unsere Forschungsgruppen kombinieren das Fachwissen molekularer und zellbiologischer Ansätze mit computergestützten Methoden, um die viralen Replikationsmechanismen aufzuklären und neue therapeutische und präventive Strategien zu entwickeln.

Prof. Dr. Thomas Pietschmann

Leitung

Prof. Dr. Thomas Pietschmann
Forschungsgruppenleiter

Unsere Forschung

Überblick über unsere drei Forschungsschwerpunkte. Die Abbildung wurde teilweise mit BioRender.com und thenounproject.com erstellt.

Überblick über unsere drei Forschungsschwerpunkte:

  • a.  Identifizierung von sog. „elite neutralizers“ bei HCV-Infektionen und Etablierung eines HCV-permissiven Tiermodells zur Unterstützung der Entwicklung eines HCV-Impfstoffs. Der HCV-Impfstoff wird mit Hilfe einer Multi-Plattform-Strategie entwickelt. 
  • b. Identifizierung von genetischen Varianten und/oder quantitativer Biomarker, die das Risiko und die Schwere des RSV-Krankheitsverlaufs in ansonsten gesunden Säuglingen ohne Vorerkrankungen vorhersagen können. Darüber hinaus nutzen wir Substanzbibliotheken, um neue Zielstrukturen für Medikamente gegen RSV zu identifizieren. 
  • c. Screening mehrerer Bibliotheken mit zugelassenen oder in der Entwicklung weit fortgeschrittenen Medikamenten sowie von neu identifizierten kleinen Molekülen  zur Entdeckung von antiviralen Wirkstoffen, die auf den Wirt abzielen. Letztendlich wollen wir im Hinblick auf die Pandemievorsorge antivirale Wirkstoffe gegen Coronaviren mit breitem Wirkungsspektrum identifizieren.
Hepatitis
HCV infizierte humane Leberzelle (Grün, sogenannte lidid droplets; Rot, HCV Core Protein; Blau, Zellkerne)

Hepatitis C-Virus (HCV)

Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind rund 58 Millionen Menschen chronisch mit dem Hepatitis-C-Virus (HCV) infiziert. Als Folge der chronischen Infektion entwickeln viele Patienten eine Leberentzündung (Hepatitis), die die Funktion des Organs beeinträchtigen und zu einer Leberfibrose, -zirrhose und -krebs führen kann. Glücklicherweise ist die chronische Hepatitis C heute mit einer Kombinationstherapie gut behandelbar. Dennoch bleiben große Herausforderungen bestehen: Die große Mehrheit der HCV-Infektionen wird nicht diagnostiziert und bleibt unentdeckt. Darüber hinaus schützt eine medikamentöse Heilung nicht vor einer erneuten Infektion mit HCV. Zusätzlich bleibt die Virustransmission mit mehr als 1,5 Millionen Neuinfektionen pro Jahr hoch. Daher ist die Entwicklung eines prophylaktischen Impfstoffs zur Begrenzung der Virusübertragung und zur Sicherung des Behandlungserfolgs nach wie vor von entscheidender Bedeutung.

Wir erforschen die Prinzipien, die für den Immunschutz gegen HCV verantwortlich sind, wobei wir uns vor allem auf Antikörper-vermittelte Mechanismen konzentrieren. Wir untersuchen dabei Strategien, mit denen Viren eine Immunantwort umgehen, und entwickeln Zellkultur- und Tiermodelle, um die Wirksamkeit von Impfstoffkandidaten zu testen. Diese Systeme werden genutzt, um einen Impfstoffkandidaten zu entwickeln. 

Respiratorisches Synzytial-Virus (RSV) 

Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ebenso wie HCV weltweit verbreitet. Bei jungen, gesunden Erwachsenen äußert sich eine RSV-Infektion in der Regel in Form einer leichten Erkältung. RSV kann jedoch auch schwere Infektionen der unteren Atemwege verursachen. Besonders gefährdet sind kleine Kinder, immungeschwächte Patienten wie z. B. Transplantatempfänger und Ältere über 60 Jahre. Weltweit verursacht RSV allein bei Kleinkindern 33,4 Millionen Fälle von akuten Infektionen der unteren Atemwege und zwischen 53.000 und 199.000 damit verbundene Todesfälle pro Jahr. Warum manche Kinder besonders schwere Krankheitsverläufe entwickeln, ist nicht genau bekannt. Derzeit gibt es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten und nur zwei Impfstoffe zum Schutz von Personen ab 60 Jahren vor RSV-bedingten Erkrankungen sind zugelassen.

Unsere Forschung konzentriert sich auf die Prinzipien, die für schwere RSV-Infektionen bei Kleinkindern verantwortlich sind. Ziel dabei ist die Entwicklung von Diagnosemethoden, um diese besonders anfällige Gruppe besser zu schützen. Darüber hinaus erforschen wir direkte antivirale Substanzen gegen RSV. 

Pandemic Preparedness

Bis Mitte 2023 hat der Erreger der COVID-19-Pandemie, SARS-CoV-2, fast 7 Millionen Menschen weltweit getötet. Obwohl mehrere Impfstoffe verfügbar sind, gibt es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten für COVID-19. Im Hinblick auf die Pandemievorsorge gehen wir davon aus, dass in Zukunft auch andere Coronaviren auf den Menschen übertragen werden. Daher entwickeln wir antivirale Moleküle, die gegen eine Vielzahl verschiedener Coronaviren wirksam sind.

Ausführliche Informationen über aktuelle Projekte der Forschungsgruppe Experimentelle Virologie finden Sie auf der TWINCORE-Website.